PROF. ADAM POLITZER,

ATLAS

DER

BELEUCHTUNGSBILDER

DES

WIEN UND LEIPZIG,

HELI

'A \S ]\h

UMüLLE

-^

't if*

w

>oi

V

i^^

^^

Wl

.'S. ^

:^:

sl

f''

oo

ATLAS

DER

BELEÜCHTÜNGSBILDER des TROMMELFELLS

IM

GESUNDEN UND KRANKEN ZUSTANDE

FÜR PRAKTISCHE ÄRZTE UND STUDIRENDE

VON

D" ADAM POLITZER

O. Ö. PROFESSOR DER OHRENHEILKDNl/p^AN DER K. K. UNIVERSITÄT IN WIEN,

VORSTAND DER KLINIK FÜR OHRENKRAimB IM K. K. ALLGEMEINEN KRANKENHAÜSB,

K. E. ARMEN-OHRENARZT DER RBICHSHAÜPT- UND RESIDENZSTADT WIEN.

MIT 392 CHROMOLITHOGKAPHIRTEN TROMMELFELLBILDERN UND 67 IN DEN TEXT GEDRUCKTEN ABBILDUNGEN.

WIEN UND LEIPZIG.

WILHELM BRAUMÜLLER

K. ü. K. HOF- DND UNIVERSITÄTS-BUCHHÄNDLER

1896.

./'AT

ALLE RECHTE, INSBESONDERE AUCH DAS DER ÜBERSETZUNG, VORBEHALTEN.

DKÜCK VON miEDKICn JASPER IN WIEN.

DEM ANDENKEN

MEINES VEREWIGTEN FREUNDES

S. MOOS

P-ROFESSOR, ^ISr DER UNIVKÜSITÄT IN HKIDELIiEItG-

GEWIDMET.

EmLEITUNG.

Uie Aufgabe des vorliegenden Werkes ist, dem praktischen Arzte die Erkenntniss der bei den Erkrankungen des Gehörorgans vorkommenden pathologischen Veränderungen am Trommelfelle zu erleichtern.

Ein Vergleich der Trommelfellbefunde am Lebenden mit den ent- sprechenden Bildern dieses Werkes wird bei gleichzeitiger Benützung der textlichen Schilderung die Deutung des vorliegenden Befundes ermöo-- lichen und dadurch wesentlich zur Erkenntniss des betreffenden Krank- heitsfalles beitragen.

Der Werth solcher Abbildungen wird sofort klar, wenn man sich die Thatsache vor Augen hält, dass die durch die Inspection gewonnenen objectiven Merkmale am Trommelfelle häufig für sich allein genügen. die Diagnose im speciellen Falle festzustellen, dass somit die Inspection des Trommelfells zu den wichtigsten Behelfen der phj'sikalischen Dia- gnostik der Ohraffectionen zählt.

Das Trommelfell steht in Folge seiner anatomischen Lage in inniger Beziehung zu den pathologischen Processen des äusseren und mittleren Ohres. Insbesondere sind es die ungleich häufigeren Erkrankungen des Mittelohrs, welche, auf das Trommelfell fortgepflanzt, daselbst Verände- rungen hervorrufen, die, durch die Ocularinspection erkannt, einen Schluss auf die pathologischen Vorgänge im mittleren Ohrabschnitte gestatten.

Es ist jedoch hervorzuheben, dass in der Mehrzahl der Fälle der pathologische Trommelfellbefund nur als eine Theilerscheinung mannig- facher anatomischer Veränderungen im Mittelohre aufgefasst werden nmss, dass daher das Trommelfellbild stets nur mit Beziehung auf die pathologischen Vorgänge in der Trommelhöhle und im Zusammenhalte mit den Ergebnissen der anderen Untersuchungsmethoden des Gehör- organs zu beurtheilen ist.

VI Einleitung.

Hieraus ergibt sich insbesondere die grosse Wichtigkeit des Trommelfellbef lindes für die Diagnostik der Mittelohrerkrankungen. Es darf jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass man häutig auch bei N orm al- hürenden ohne die geringste Störung der Hörfunction Veränderungen am Trommelfelle vorfindet, die entweder als angeborene Anomalien oder als Residuen eines früheren mit Heilung abgelaufenen Krankheits- processes aufzufassen sind. Andererseits wieder findet man nicht selten Fälle mit hochgradiger Hörstörung-, bei denen das Trommelfell keinerlei Abweichung von der Norm zeigt. So wichtige Anhaltspunkte daher der Trommelfellbefund für die Diagnose liefert, so kann doch niemals aus den am Trommelfelle wahrnehmbaren Veränderungen allein auf den Grad der Functionsstörung geschlossen werden.

Die Deutung der Trommelfellbefunde für die Diag-nostik der Ohr- affectionen ist weit schwieriger als allgemein angenommen wird. Um in ihr den möglichsten Grad der Sicherheit zu erlangen, bedarf es nicht nur einer langjährigen Uebung und eingehender Beobachtung an Ohren- kranken, sondern auch zahlreicher pathologisch-anatomischer Sectionen des Gehörorgans, durch die allein die richtige Deutung des klinischen Befundes controlirt werden kann. Wer nicht Jahre hindurch an patho- logischen Gehörorganen die krankhaften Veränderungen am Trommelfelle, das Verhalten pathologischer Verlöthungen zwischen Trommelfell und der inneren Trommelhöhlenwand, die mannigfachen Varietäten abnormer Bindegewebsbrücken zwischen Trommelfell und den Gebilden der Trommelhöhle, die Lageveränderungen und die Defecte an den Gehör- knöchelchen, die Usuren und Lückenbildungen am Margo tymp. und den Gehörgangswänden durch unmittelbare Anschauung an der Leiche kennen gelernt, wird trotz vieljähriger, rein klinischer Uebung häufigen IrrthUmern in der Diagnose der Mittelohrafl:ectionen unterliegen.

Die Verwerthung der pathologischen Trommelfellbefunde für die Diagnostik der Gehörkrankheiten datirt erst seit der Mitte unseres Jahr- hunderts. Was bis dahin in der ohrenärztlichen Literatur vorlag, hatte nur geringen wissenschaftlichen und praktischen Werth. Den grossen englischen Otologen Joseph Toynbee und William Wilde war es vorbehalten, die Grundlage für diesen wichtigen Abschnitt der Diagnostik der Gehörkrankheiten zu schaffen. Ersterer, indem er durch zahlreiche Sectionsbefunde den Grundstein für die pathologische Anatomie des ]\Iittelohrs legte, letzterer durch seine gründlichen klinischen Beobach- tungen, in denen er zuerst den am Lebenden wahrnehmbaren Verände- rungen am Trommelfelle ein besonderes Augenmerk zuwendete. Vorzugs- weise ist es aber v. Tröltsch, dem wir durch eine wesentliche Ver- besserung der Untersuchungsmethoden und durch seine einschlägigen

Einleitung. YII

Sectionsbefunde einen bedeutenden Fortsehritt in der diagnostischen Verwerthung der Ocularinspection verdanken.

Von der Wichtigkeit dieses Theils der otiatrischen Diagnostik überzeugt, habe ich zu Beginn der Sechzigerjahre dem Studium desselben ein besonderes Interesse gewidmet, wozu mir das reiche Materiale der KHniken und Abtheilungen des Allgemeinen Krankenhauses, sowie des grossen Altersversorgungshauses genügende Gelegenheit bot. Insbesondere wurden die Trommelfellbefunde solcher Fälle mit grosser Sorgfalt ver- zeichnet, bei denen die Untersuchung post mortem in Aussicht stand, ■weil meiner Ansicht nach die Trommelfellbefunde am Lebenden nur durch controlirende Vergleiche mit Befunden an Leichen wissen- schaftlich begründet werden können.

Die Resultate dieser Untersuchungen habe ich vor 30 Jahren in einer Monographie niedergelegt,') zu welcher ich die Originalien für die von meinem Freunde, Dr. Carl Heitzmann, auf zwei Tafeln chromolithographirten 24 Trommelfellbilder selbst ausführte. Die günstige Aufnahme, die das Werk bei den Fachcollegen und praktischen Aerzten fand, bestimmten mich, seit seinem Erscheinen eine Sammlung von Trommelfellbildern anzulegen, die ich selbst nach der Natur in Wasser- farben ausführte, um gelegentlich eine Auswahl derselben der Oeifentlich- keit zu übergeben. Da die »Beleuchtungsbilder des Trommelfells« längst vergritfen waren, entschloss ich mich auf Wunsch meiner Hörer zur Herausgabe dieses Werkes, das den Vorzug vor anderen einschlägigen Publicationen für sich in Anspruch nimmt, dass die Bilder von sach- verständiger Hand treu nach der Natur gezeichnet und durch die künstlerische Reproduction von dem als Kunstlithographen rühmlichst bekannten A. Berger in Wien genau wiedergegeben sind.

Das vorliegende Werk unterscheidet sich sowohl bezüglich der Anordnunsf des Steifes als auch der Anzahl der beigegebenen Trommel- fellbilder wesentlich von der 1865 erschienenen Monographie. Während in dieser die Krankheiten des Trommelfells nach den Anomalien der Durchsichtigkeit, der Farbe, der Wölbung und des Zusammenhanges behandelt wurden, habe ich in dem jetzigen Werke die Trommelfellbefunde nach den einzelnen klinischen Krankheitsformen geschildert. Abgesehen von der grösseren UebersichtKchkeit des Stoffes, entspricht diese An- ordnung mehr dem Bedürfnisse des Studirenden ^und des praktischen Arztes. Hiebei musste ich mich, um die Grenzen einer Monographie

1) Die Beleuchtungsbilder des Trommelfells im gesunden und kranken Zustande. Mit 24 chromolithograpliisclien Trommelfellbildern und 13 in den Text gedruckten Holzschnitten. Wien. Wilhelm Braumüller. 1865.

Y'm Einleitung.

nicht zu überschreiten, auf die Beschreibung der Trommelfellbefunde und ihrer diagnostischen Verwerthung beschränken.

Um das Verständniss des Textes zu erleichtern, hielt ich es für zweckmässig, eine grössere Anzahl nach der Natur gezeichneter Ab- bildungen pathologisch-anatomischer Befunde dem Werke einzufügen.

Die beigegebenen 14 Tafeln enthalten 392 chromolithographirte Trommelfellbefunde, bilden somit einen Atlas der Beleuchtungsbilder des Trommelfells, der nicht nur beim Studium, sondern auch beim Unterricht und bei otoscopischen Demonstrationen mit Nutzen verwendet werden dürfte.

Zum Schlüsse sei es mir gestattet, der rühmlichst bekannten Verlao-sbuchhandlung W. Braumüller für die mit grossen Kosten ver- bundene künstlerische Ausstattung des Buches meinen verbindlichsten Dank auszusprechen.

INHALT.

Seite

Einleitung V

I. Morphologie des normalen Trommelfells ". . 1

Incisura Eivini 1. Grösse des Trommelfells 2. Verbindung des Hammergriffs mit dem Trommelfelle 3. Neigung des Trommelfells 4.

Wölbung des Trommelfells 5. Aeussere Trommelfell falten 6. Innere Fläche des Trommelfells 7. Innere Trommelfellduplicaturen 8.

Attic der Trommelhöhle 9. Prussak'scher Eaum 11.

Histologie des normalen Trommelfells 11

Structur der Eadiärfaserschichte 11. Circuläre Faserschichte des Trommelfells 12. Cutis- und Schleimhautschichte 13. Annulus tendi- nosus 13. Membrana Shrapnelli 13. Blut- und Lymphgefässe des Trommelfells 14. Nerven des Trommelfells 15.

Physiologische Eigenschaften des Trommelfells 16

Das topographische Verhältniss des Trommelfells zur inneren Trommelhöhlenwand . 17

II. Die pathologisch-anatomischen Veränderungen im Trommelfelle . . 20 Histologische Veränderungen in der Cutisschicht e des

Trommelfells 20

Pathologische Veränderungen der Epidermislage der Cutisschichte 20

Pathologische Veränderungen im Bindegeioebsstratum der Cutisschichte des

Trommelfells 21

Pathologische Veränderungen in der Substantia propria des

Trommelfells , 22

Pathologische Veränderungen an der Schleimhautschichte des

Trommelfells 24

III. Die Ocularinspection des äusseren Gehörgangs und des Trommelfells 27 Ohrspecula 29. Ohrreflector 29. Beleuchtung des Trommel- fells 31. Vergrösserte Trommelfellbilder 32. Pneumatischer Ohr- trichter 33. Technik der Ohrspiegeluntersuchung 34. Untersuchung des Trommelfells mit dem pneumatischen

Trichter 37

X Inhalt.

Seite

Die intratvmpanale Otoscopie 39

Die Benützung der Sonde bei der Ocularinspection des Trommel- fells 41

IV. Xormalei' Tronimelfellbefund 43

Farbe des Trommelfells 43. Dreieckiger Liclitfleck 44. Neigung des Trommelfells 46. Wölbung des Trommelfells 46. Stellung des Hammergrift's 47. Membrana Shrapnelli 47.

Pathologische Trommelfellbefunde 50

V. Hji)erämien und Hämorrhagien am Trommelfelle 50

"N'I. Trommelfellbefunde bei den i)rimären Entzündungen des Trommelfells

(Myrlngitis) 53

A. Befunde bei der primären, acuten Entzündung des Trommel- fells (Myringitis acuta) 53

B. Befunde bei der chronischen Entzündung des Trommelfells (Myringitis chronica) 56

^11. Trommelfellbefxmde bei den traumatischen Läsionen des Trommelfells 59 VIII. Trommelfellbefunde bei den Mittelohrcatarrhen 63

Anomalien derFarbe des Trommelfells bei Ansammlung serösen

oder schleimigen Secretes in der Trommelhöhle ..... 63

Anomalien der Wölbung des Trommelfells bei den Mittelohr- catarrhen 68

Anomalien der Durchsichtigkeit des Trommelfells bei den

chronischen Mittelohrcatarrhen 71

Wölbungsändernngen des Trommelfells nach einer Luftein- treibung in die Trommelhöhle und bei der Untersuchung mit dem Siegle'schen Trichter 75

IX. Trommelfellbefunde bei der acuten Mittelohrentzündung (Otitis media

acuta) 80

X. Trommelfellbefunde bei der «acuten, eiterigen Mittelohrentzündung

(Otitis media acuta suj>purativa) 87

a) Trommelfellbefunde bei der Otitis media acuta suppurativa vor dem Durchbruch des Trommelfells 88

b) Trommelfellbefunde bei der Otitis media acuta suppurativa nach dem Durchbruch des Trommelfells 90

XI. Trommelfellbefunde bei den chronischen Mittelohi-eiterungen (Otitis

media supiuirativa chronica) 96

o) Trommelfe 11 befunde bei der Otitis media suppurativa

c h r 0 n i c a \v ä h r e n d d e r E i t e r u n g 96

b) Tromraelfcllbefunde bei der Otitis media suppurativa

chronica nach dem Aufhören der Mittelohreiterung .... 111

1. Befunde bei persistenten Trommelfellperforationen . . . 112

2. Trommelfellbefundo bei Verschluss der Perforations- öffnung durch Narbengewebe 117

rt) Freistehende Narben 119

b) Anliegende Narben 121

c) Ad hären te Narben 124

Inl.alt. XI

Seite

Befunde bei adhärenten Narben von geringerem Umfange 124

Befunde bei umfangreicheren Verlüthungen der Trommelfellnarben mit

der inneren Trommelhühlenwand 126

Septumbildung im vorderen Abschnitte der Trommelhöhle

zwischen Ost. tymp. tubae und der Trommelhöhle 129

Narbige Verwachsung des Troramelfellrestes mit der inneren

Trommelhühlenwand . . 130

Trommelfellbefunde bei Adhäsivprocessen im Mittelohre mit Verödung der Trommelhöhle durch neugebildetes Binde- gewebe 133

XII. Trominelfellbefunde bei Erkrankungen des Attic der Trommelhöhle

luid bei Cholesteatombildiing im Mittelohre 137

^4. Acute Entzündung des äusseren Attic 137

B. Befunde bei den chronischen Eiterungen im äusseren Attic mit Perforation der Membrana Shrapnelli 140

Befunde bei Perforation der Membrana Shrapnelli 141. Perfora- tion der Membrana Shrapnelli mit gleichzeitigen Defecten der Pars tensa 142. Befunde bei Granulationen und Polypen im äusseren Attic 143. Cariöse Einschmelzung des Margo tymp. 144. Befunde bei Knochen- defecten in der äusseren Atticwand 145.

C. Trommelfellbefunde bei Cholesteatombildung im Mittelohre 147 Trommelfellbefunde bei Cholesteatom in der Trommelhöhle 148. Chole- steatombildung im äusseren Attic bei Perforation der Membrana Shrapnelli 149. Diagnose des Cholesteatoms im Prussak'schen Eaume und im äusseren Attic 150.

Literaturverzeichniss 151

Erklärung der Tafeln 152

I.

Moi'phologie des normalen Trommelfells.

Das Trommelfell ist am inneren Ende des knöchernen Gehörgangs als ellipsoide, nacli innen gewölbte Membran in einem rinnenförmigen Falze ausgespannt und bildet somit die Scheidewand zwischen dem äusseren Gehörgange und der Trommelhöhle.

Zum besseren Verständnisse der Lageverhältnisse des Trommel- fells in seinen Beziehungen zum äusseren Gehörgange beim Erwachsenen, müssen einige anatomische Details des Trommelfells beim Neugeborenen vorausgeschickt werden.

Beim Neugeborenen wird das Trommel- fell in seinem grösseren Umfange von einer nach oben und vorne zu offenen, mit einem Falze (Sulcus tymp.) versehenen Spange (An- nulus tymp.) umrahmt, welche mit ihren freien Enden sich am unteren Theile der äusseren Fläche der Schläfebeinschuppe an- heftet. Der zwischen den zwei Anheftungs- stellen des Annulus tymp. freistehende Eand der Schuppe (Margo tympanicus) tritt im kleinen Kreissegmente aus der übrigen Um- rahmung des Trommelfells heraus und wird als Rivini'scher Ausschnitt bezeichnet (Fig. 1 E).

Die Incisura Rivini ist von dem übrigen Theile des Trommelfellrahmens durch zwei eckige Vorsprünge begrenzt, von welchen tymp. maior, der hintere als Spina t^^mp, (Helmholtzl Sie entstehen durch Verschmelzung der freien Enden des Trommelfellringes mit dem Margo tymp. Der Rivini'sche Ausschnitt

Politzer, Atlas der Beleuchtungsbilder des Trommelfells. 2. Aufl. 1

Trommelfellfalz ii. Incisura Rivini, von der Trommelhöblenseile aus gesehen. /= Trommelfellfalz. it = Margo tymp.= Incisura Ri- vini, vorderer, oberer, falEloser Ausschnitt des Trommelfell- rahmens. — a T^ äussere Wand der Hammer- Ambosinische. < = in die Tuba Eustacbii über- gehende äussere Trommelhöhlen- wand. (Rechtes Ohr.)

der vordere als Spina minor bezeichnet wird

2 Morphologie des normalen Trommelfells.

wird daher zum Theile durch das Os tympanicum, zum Theile, und zwar in der höchsten Ausbuchtung, durch das Os squamosum gebildet.

Der Rivini'sche Ausschnitt ist falzlos und das Trommelfell tritt hier unmittelbar mit dem Margo tvmp. nnd der Auskleidung des äusseren Gehürgangs in Verbindung.

Beim Neugeborenen inserirt die äussere Umrandung des Annulus tymp. an einen kurzen, häutigen Canal, welcher in dem Masse, als die Entwicklung des knöchernen Gehörgangs fortschreitet, sich verkürzt, so dass beim Erwachsenen davon nur eine schmale Verbindungsbrücke zwischen knorpeligem und knöchernem Gehörgange zurückbleibt.

Der knöcherne Gehörgang, wie wir ihn beim Erwachsenen vor- tinden, entwickelt sich nun in der Weise, dass einerseits durch An- lagerung von Ivnochenmasse an der äusseren Seite des Annulus tymp., und andererseits durch das Wachsthum des Warzenfortsatzes und die damit einhergehende Hurizontalstellung des unteren Abschnittes der Schläfebeinschuppe, ein Knochencanal gebildet wird, dessen äussere Umrandung mit dem knorpelig-membranösen Gehörgange in Verbindung tritt, während sein inneres schräff absrestutztes Ende vom Trommelfelle abgeschlossen wird.

Entsprechend dem individuell variirenden Umrisse des Trommel- fellrahmens zeigt auch die Membran eine unregelmässig ovale, ellip- tische oder Herzform mit zwei gegen die Peripherie hin stärker ausgesprochenen Ausbauchungen (Fig. 1). Die eine derselben, mit einem grösseren Kreissegmente, entspricht dem hinteren, oberen Abschnitte des Trommelfells, während der am vorderen, oberen Pole der Membran über dem kurzen Hammerfortsatz gelegene Ausschnitt (Incisura Rivini^ Fig. 1 R) mit einem kleinen Kreissegmente sich scharf von der übrigen Umrandung des Trommelfells abgrenzt.

Der Rivini'sche Ausschnitt dient zur Aufnahme der Membrana Shrapnelli, welche man auch mit dem Namen Membrana flaccida belegt. während der im Sulcus tymp. eingefalzte Theil des Tronmielfells als Pars tensa bezeichnet wird.

Die Grösse des Trommelfells, welche durch seinen Höhen- und Querdurchmesser bestimmt wird, variirt bei verschiedenen Individuen innerhalb geringer Grenzen. Nach meinen Messungen beträgt der Ilöhendurchmesser vom hinteren Winkel der Incisura Rivini (Spina tympanica minor^ bis zum tiefsten Punkte des unteren Kreisseginentes des Trommelfells 9'/2 10 mm. der grösste Querdurchmesser S'/o 9 mm.

Die von den einzelnen Forschern gewonnenen Masse des Höhen- und Quer- durchinessers des Trommelfells variiren in nicht unbeträchtlichen Grenzen. Während V. Tröltsch den Ilöhendurchmesser mit 9 10mm, den Breitendurchmesser mit.

Morphologie des normalen Trommelfells. 3

8 9 mm bemisst, gibt Tillaux den llöhendiirchmesser mit 11 12, den Breiten- durchmesser mit 10 11mm an. Auffällig hievon diiferiren die von Bezold an Corro- sionspräparaten bestimmten Mittelmasse von 9*22 mm für den längeren und 8"05 mm für den kürzeren Durchmesser. Messungen am ausgelösten Trommelfelle ergaben grfjssere Werthe (10 11 im Höhen-, 9 10 im Breitendurchmesser').

Bevor wir zur Schilderung der Neigungs- und Wölbungsverhält- nisse des Trommelfells übergehen, müssen wir die Verbindung des Hammergriffs mit dem Trommelfelle kurz besprechen. Der mit dem Trommelfelle innig verbundene Hammergriff erscheint mit seiner ganzen Masse der Innenfläche der Membran aufgelagert. An der äusseren Fläche des Trommelfells ist sein vorderes, oberes Ende durch einen unterhalb der Membrana Shrapnelli gelegenen, lateralwärts vorspringenden

/

Aeussere Fläche des Trommelfells (natürliche Grösse) h ^= kurzer Fortsatz des Hammers. u :=

unteres Ende des Hammergriffs (Umbo). 5 = Membrana flaccida Shrapnelli. g = Cavitas

glenoidalis. w= Warzenfortsatz. J" = Sägefläche des Jochfortsatzes. (Rechtes Ohr.)

Knoten, dem kurzen Hammerfortsatz (Proc. brevis mallei), charakterisirt (Fig. 2 K). Von diesem verläuft der gelblich durchscheinende Hammer- griff (Stria malleolaris) bei gleichzeitiger Neigung nach hinten und unten gegen die Mitte des Trommelfells, um leicht geschwungen in das spateiförmig abgeflachte Ende überzugehen, welches der tiefsten Stelle der nabeiförmigen Einziehung des Trommelfells (Umbo) entspricht. Die Stellung des Hammergriffs zur Verticalen bildet einen Winkel von 30-32'\

Durch den Hammergriff wird das Trommelfell in eine vordere kleinere und in eine hintere grössere Hälfte getheilt. Zieht man eine Horizontale durch das Trommel- fell, welche das untere Ende des Hammergriffs schneidet, so zerfällt das Areale der Membran in vier Quadranten. Nach Schwalbe beträgt das Flächenausmass des vorderen, oberen Quadranten 16 mm-, des vorderen, unteren Quadranten 6 mm-, des

') A. Politzer, Zergliederung des menschlichen Gehörorgans, S. 76.

1="

4 Morphologie des normalen Trommelfells.

liiiitercn, oberen 27 mm'', und des hinteren, unteren Quadranten 14 ^/j mm^. Das Areale der Striae malleolaris selbst umfasst 6 mm'^. Das Gesammtflächenausmass des Trommelfells würde daher 69\;, mm' betragen. Diese durch die Flächenprojection gewonnenen, individuell variablen Masse sind im Allgemeinen geringer als die Ergebnisse der genauen anatomischen Messung.

"Was die Neigung des Trommelfells anlangt, so wird sie durch die Lage des Sulcus tymp. zur Gehörgangsaclise bestimmt. Sie ist sowohl für die Beurtheilung der Trommelfellbefunde, als auch für die operativen Eingriffe am Trommelfelle von grosser Wichtigkeit. Da wegen der trichterförmigen Einziehung des Trommelfells seine einzelnen Partien einen verschiedenen Neigungswinkel haben, so kann unter Neigung des Trommelfells in toto nur die durch den Sulcus tymp,, gelegte Ebene verstanden werden. Da ferner der Sulcus tymp. in leichter spiraliger Krümmung verläuft (Grub er), in der Weise, dass das hintere Ende des Trommelfellfalzes lateraler steht als das vordere, obere Ende, so wird auch die Trommelfellebene nicht genau dem Insertionsrande des Trommelfells entsprechen.

Bekanntlich reicht die vordere und untere Gehörgangs wand weiter medianwärts, als die obere und hintere Wand; das Trommelfell wird somit nicht nur von oben nach unten, sondern auch von hinten nach vorne eine starke Neigung zur Gehörgangsachse aufweisen. Man unterscheidet demnach eine verticale und eine horizontale Neigung des Trommelfells. Die verticale Neigung, die Schwalbe als Inclination bezeichnet, ist diejenige, welche die durch den Sulcus gelegte Ebene mit der Gehörgangsachse bildet. Sie unterliegt grossen individuellen Schv>^ankungen. Nach Huschke trifft die Achse des Gehörgangs die Trommelfellebene in einem Winkel von öö*^, während Tillaux^) nur einen Winkel von 45^ berechnet. Nach Huschke schneiden sich die nach unten und medianwärts verlängerten Ebenen beider Trommelfelle in einem Winkel von 130'^. Nach v. Tröltsch beträgt der Winkel, Avelchen die Trommelfell ebene mit der oberen Gehörgangswand bildet 140", mit der unteren Wand durchschnittlich 27*35° (Bezold^), Sappey^) gibt sogar als Mass für diesen Winkel 20—25^ an. Nach J. Po Hak bestehen beim Neugeborenen und Erwachsenen keine wesentlichen Differenzen in der Grösse des Neigungswinkels.

Die Neigung der einzelnen Abschnitte des Trommelfells zur Hori- zontalen ist sehr verschieden. Während der vordere untere Quadrant in seiner mehr verticalen vStellung mit der Gehörgangsachse einen

') Traite d'anatomie topographiquc. Paris, pag. 96. ''') Corrosionsanatomie des Ohres. München 1882. ^) Traite d'anatomie dcseriptive.

Morphologie des normalen Trommelfells. 5

Winkel von 75 85^^ bildet, weist die hintere, obere Partie der Membran einen Neigungswinkel von 150" auf. Diese Neigung ist am anatomischen Präparate so stark ausgesprochen, dass die obere Gehörgangswand nahezu in einer Flucht in die Trommelfellebene überzugehen scheint. Die Neigung des Trommelfells von hinten nach vorn (Schwalbe's Declination) ergibt an Horizontalschnitten, welche durch den Umbo gelegt werden, dass die vordere Gehörgangswand um 5 7 mm weiter nach innen reicht als die hintere Wand. ^) Nach Schwalbe bildet die Trommelfellebene im Horizontalschnitte mit der Medianebene einen nach hinten offenen Winkel von 50''. Auch hier wird in Folge der trichter- förmigen Einwölbung des Trommelfells die vordere Hälfte der Membran eine mehr verticale Stellung zur Gehörgangsachse (85'^) zeigen, als die hintere Hälfte (155''), welche nahezu in gleicher Flucht mit der hinteren Gehörgangswand liegt.

Die klarste Vorstellung von der Neigung der Membran zur Horizontalen erhält man am anatomischen Präparate eines nicht macerirten Schädels, wenn man, nach Entfernung des Schädeldachs und des Gehirns, das Tegmen tymp. beiderseits abträgt, nach Durchschneidung der Sehnen des Tensor tymp. die Pyramiden mit dem Meissel absprengt und die Innenseite der Schädelbasis von oben aus besieht.

Nicht minder wichtig für die Otoskopie ist die Kenntniss der Wölbungsverhältnisse des Trommelfells. Im Grossen und Ganzen ist das Trommelfell in der Weise gewölbt, dass es seine Concavität nach aussen, seine Convexität gegen die innere Trommelhöhlenwand kehrt. Die tiefste Stelle der äusseren Concavität, der sogenannte Nabel (Umbo) des Trommelfells entspricht dem spateiförmigen, unteren Ende des Hammergriffs, durch dessen Zug nach innen die Membran an ihrer äusseren Fläche trichterförmig vertieft erscheint. Die Tiefe des Trichters beträgt durchschnittlich 2mm (Trautmann).

Die äussere Concavität der Membran betrifft wohl das Trommel- fell als Ganzes, bietet jedoch bei näherer Betrachtung insoferne eine Abweichung von der regelmässigen Curvenfläche dar, als die vor dem Umbo gelegene vordere und untere Partie des Trommelfells eine regel- mässige Wölbung mit äusserer Convexität aufweist, während der hintere, obere Theil der Membran eine unregelmässige, abgeflachte Wölbung zeigt.

Durch den lateralwärts vorspringenden Processus brevis des Hammers, welcher den höchsten Punkt der äusseren Trommelfellfläche bildet, entsteht am vorderen, oberen Pole des Trommelfells ein Faltenzug, welcher im normalen Zustande nur schwach ausgeprägt

^) A. Politzer, Anatom, und histolog. Zergliederung des menschlichen Gehör- organs, S. 49. . : .. .

6 Morphologie des normalen Trommelfells.

ist, bei pathologischen Einwärts Wölbungen der Membran jedoch umso schärfer hervortritt. Am stärksten ausgebildet sind die vordere und hintere äussere Trommelfellfalte, schwächer hervortretend eine dritte, nach oben zum Rivini'schen Ausschnitt hinziehende, kurze Falte, welche der Membrana Shrapnelli angehört J) Die vordere Trommelfellfalte ist kurz, ihre Richtung nahezu horizontal. Die hintere Falte verläuft leicht geschwungen, parallel dem hinteren Rande des Trommelfell- rahmens nach hinten und unten, um sich in den hinteren Abschnitt des Trommelfells zu verlieren. Diese Falte ist es insbesondere, welche bei pathologischen Wölbungsänderungen des Trommelfells in charakte- ristischer Weise hervortritt.

Fig. 3.

Aeuasere Fläche des linken Trommel- fells vom Erwachsenen, l'/2™al ver- grössert. v^ vor dem Hammersriffe gelegenes Segment des Trommelfells. h ^ hinteres Segment des Trom- melfells. — ss' =■ die vom kurzen Hammerfortsalz zur Spina posterior und minor hinziehenden Prussak- schen Streifen ms =^ Membrana Shrapnelli.

Fig. 4.

Innere Fläche des rechten Trom- melfells mit dem Hammer und Ambosse, 1^-. mal vergrössert. 71 = Hammer-Ambossniscbean der äusseren Trommelhöhlenwand. h = Hammerkopf. ti = Ambos3. pi ^ hintere Trommelfellfalte mit der T röltsch'schen Tasche. = Chorda tymp.

Die vordere und hintere Trommelfellfalte werden nach oben von zwei kurzen, gerade gestreckten, weissgrauen Streifen begrenzt, welche von den eckigen Vorsprüngen der Incisura Rivini convergirend zum Proc. bre\T,s mallei hinziehen (Fig. 3s s') (Prussak'sche Streifen, Helmholtz's Aufhängebänder des Hammers). Sie sind am Lebenden öfters schärfer ausgeprägt, als am anatomischen Präparate. Diese zwei Streifen bilden die Grenze zwischen der Pars tensa des Trommelfells und der oberhalb des Proc. brevis gelegenen, leicht nach innen gewölbten Membr. flaccida (Shrapnelli) (Fig. 3 m s), welche durch die senkrecht über sie hinwegziehende verticale Falte in eine vordere schlaffere und eine hintere resistentere Partie getheilt wird. Die Höhe der Membr. Shrapnelli (Fig. 5) misst IV., 2 mm, die Breite an der Basis circa 2 mm.

') Diese von Schwalbe hcschricbcne Falte findet sich bereits in meinen Wand- tafeln zur Anatomie des Gehijrorgans, Wien 1873, Taf. I, abgebildet.

Morphologie des normalen Trommelfells. 7

Wird das Trommelfell mit seiner knöchernen Umrahmung in sag-ittaler Richtung von der Pars petrosa des vSchläfebeins so abgetrennt, dass der Amboss mit dem Hammer gelenkig verbunden bleibt, so zeigen sich an der Innenfläche des Trommelfells folgende anatomische Details (Fig. 4): Oberhalb der convex nach innen gewölbten Membran lagert in einer etwas ausgehöhlten glattwandigen Nische {n) (Logette des osselets, Gelle) der äusseren Trommelhöhlenwand der Hammerkopf {li) und der mit ihm gelenkig verbundene Ambosskörper (a). Der keulen- förmige Hammerkopf geht nach unten in den eingeschnürten Hammer- hals über, welcher in den leicht geschwungenen, nach hinten, unten und innen gerichteten Hammergriff sich fortsetzt. Der Uebergang des

Fig. 5.

Innere Fläcbe der Membrana Shrap- nelli nach Abtrennung des Caput und Collum mallei. s = Membrana Shrapnelli. /= hintere Dupli- catur des Trommelfells. u = vor- dere Dnplicatur. /i ^ Durchschnitt des aboesprengten Hammerhalses. n ^= Hammer- Ambossnische.

Fig. 6.

Innere Fläche des Trommelfells nach Hinweg- ■nahme des Ambosses. Is =■ Ligament, mall, super. la ;= Ligament, mallei ant. / = hin- tere Tromnielfellduplicatur. v = vordere Tiom- uielfellduplicatur. c ^ Chorda tymp.

Hammerhalses in den dreikantigen Hammergriff wird durch eine rhom- boide Fläche vermittelt, die in die innere, am meisten vorspringende Kante des Hammergriffs übergeht. Diese Kante scheidet die zwei gegen die Trommelhöhle gerichteten Flächen des Hammergriffs, von welchen die eine nach vorn, die andere nach hinten sieht, während die äussere, gegen den Gehörgang gerichtete Fläche mit den Trommelfellschichten innig zusammenhängt und an der äusseren Fläche des Trommelfells die Stria malleolaris bildet. Die Masse des Hammergriffs überragt die Fläche des Trommelfells so stark, dass er der inneren Fläche der Membran aufzuliegen scheint.

In inniger Beziehung zum Hammergriff stehen zwei vom oberen Segmente des Trommelfells abstehende Duplicaturen, welche mit der Innenfläche des Trommelfells die inneren Trommelfelltaschen

8

Morphologie des normalen Trommelfells.

bilden. Die hintere Duplicatur (Fig. 6/ und 1 pl\ die besonders deutlich nach Entfernung des exarticulirten Ambosses hervortritt, hängt im mittleren Abschnitte ihres concaven Randes mit der Chorda tymp. zusammen und bildet mit der gegenüberstehenden Innenfläche des Trommelfells die von v. Tr ölt seh zuerst beschriebene hintere Trommelfelltasche. Der hintere Rand dieser Duplicatur inserirt an einer innerhalb des Sulcus tyrap. gelegenen, leicht geschweiften Knochen- leiste, tritt von hier auf das Trommelfell über, verschmilzt unterhalb der Membr. Shrapnelli mit der Innenfläche des Trommelfells und inserirt mit ihrem vorderen Rande am Hammergriff.

aa s

kn.

Fig. 7.

Durchschnitt des Hammers und der hinteren Trommelfelltasche in der Ebene des kurzen Hammer- fortsatzes. — ma = Hammergriff. br = knorpeliger Theil des Processus brevis des Hammers. (/• = hintere Partie des Trommelfells. an = Annulus tendinosus. pl hintere, innere Trommel- fellfalte. — ta = hintere Trommelfellta^che. ta' = vordere Trommelfelltasche s Schleimhaut der äusseren Trommelhohlenwand.

Der vordere, an den Hammergriff inserirende Theil der hinteren Duplicatur ist, wie ich zuerst fand, nicht selten in zwei Blätter getheilt, deren mediales in der Nähe der inneren Hammergriffkante inserirt, Avährend das laterale Blatt sich in dem Winkel zwischen Hammergrifffläche und Trommelfell, zuweilen l—Vj-yVcmi hinter diesem Winkel unmittelbar am Trommelfelle anheftet. Der durch diese Blätter gebildete, dreiseitige Kaum steht mit dem übrigen Theile der Trommelfelltasche nicht in Verbindung.

Eine zweite, räumlich jedoch viel kleinere Tasche (vordere Trommel felltasche) findet sich vor dem Hammergriffe am vorderen, oberen Segmente der Innenfläche des Trommelfells; sie wird durch die dem Hammerhalse zugekehrte Spina tymp. posterior und durch jene Schleimhautfalte gebildet, welche das zur Glaserspalte hinziehende Ligamentum mallei anterius, die Chorda tymp. und die Arteria tymp. inf. nach unten zu umschliessen. Die zum Trommelfelle in inniger Be-

Morphologie des normalen Trommelfells. 9

Ziehung stehende Chorda tymp. (Fig. 6 c) tritt durch eine in der Nähe des hinteren, oberen Randes des Trommelfellfalzes befindliche Oeflfnung, die Ausmündung des mit dem Facialcanal communicirenden Canaliculus chordae, hervor, verläuft anfangs am mittleren Abschnitt des unteren Randes der hinteren Trommelfell falte und tritt dann- auf die Innenseite des vorderen Abschnittes dieser Falte und auf den Hammerhals über, um von hier aus in die Glaserspalte zu gelangen.

Der Dickendurchmesser des Trommelfells ist an den einzelnen Theilen der Membran verschieden. Während sie in der Mitte zwischen Hammergriff und Peripherie, wo die Membran am dünnsten ist, O'l mm misst (Henle), beträgt ihre Dicke an der Malleolarregion und an der Peripherie 0*3 0"4 mm (Schwalbe).

Zum Verständnisse einer Reihe praktisch wichtiger Trommelfell- befunde müssen wir hier die anatomischen Verhältnisse jener speciell zur Membrana Shrapnelli in Beziehung stehenden Räume anreihen, welche zwischen Hammer-Ambosskörper und der lateralen Mschenwand gelegen sind, und die ich mit dem Namen des äusseren Attic') der Trommelhöhle bezeichne.

Dieser Raum bildet einen Theil des von L e i d y als Attic benannten oberen Trommelhöhlenraumes (Cavum epitympanicum, Schwalbe; Kuppelraum, Hartmann), dessen untere Grenze in der Ebene der Tensorsehne liegt. Der Attic wird nun durch das Ligam. mallei super, und die von ihm nach vorn und hinten ziehenden Schleimhautfalten (obere Hammer- Ambossfalte) in eine innere und eine äussere Abtheilung gebracht, welche wohl häufig durch Lückenbildungen in den erwähnten Schleimhautfalten mit einander communiciren, zuweilen jedoch vollständig von einander getrennt sind. Die anatomische Trennung des Attic in einen inneren und äusseren Abschnitt ist schon dadurch gerechtfertigt, dass nicht selten auf den Attic ext. begrenzte, primäre Entzündungen sich entwickeln, an welchen der innere Theil des Attic und der übrige Trommelhöhlenraura nicht participiren.

Die obere Grenze des äusseren Attic bildet das Ligam. mallei sup. (Fig. 8 l) (respec- tive die obere Hammer- Ambossfalte), die untere Grenze der Boden des Prussak'schen Raumes. Er wird von einer Anzahl von Schleimhautfalten durchzogen, von denen mehrere constant, andere inconstant sind. Wie ich zuerst für die inconstanten Faltenbildungen in der Trommelhöhle und im Felvis ovalis nachgewiesen habe, sind diese Schleimhaut- falten als Eesiduen des embryonalen Gallertgewebes (Schleimhautpolsters) zu betrachten. Die constanteste von ihnen ist die laterale Hammer-Ambossfalte, welche entweder vom oberen Eande des Hammer-Ambosskörpers oder tiefer von seiner lateralen Fläche zur lateralen Nischenwand hinzieht und den äusseren Attic quer durchspannt. Die mit

^) Logette des osselets, Gelle; Attique externe, Hammer- Amboss-Schuppenraum, Kretschmann.

10

Älorphologie des uormalen Trommelfells.

dem Ligam. incud. ext. zusammenli löchert, ja, sie kann zuweilen ganz

Fig. 8.

Durchschnitt durch den Hammer, das Tromme feil und durch den äusseren Attic der Trommelhöhle, vielfach verdrössen. h = Harumerkopf. te ^ iJurchschnitt durch den Annulus tendinosus den 'l'rom- m(>lfells. 6 = Processus hrevis mallei. u =: Umbo. t--= Durchschnitt der Chorda tymp. e = Ligamentum iiiallei exter- num. 7 =: Ligamentum niallfi superius. « = Werabrana Shrapnelli. ae =: äusserer Attic. I' = I'russak'scher Raum. <; = Gefä^scarial zwischen dpm äasgeren Attic und dem knöchernen Gehör- gang.

ängende Falte ist entweder vollständig oder durcli- felilen (Zuckerkandl) Melireremale fand ich die Falte durch eine grössere Lücke in eine Hammer- und eine Ambossfalte getheilt. Eine zweite nahezu constant vorkommende Falte ist die von mir zuerst beschriebene , den äusseren Attic in frontaler Richtung durchquerende verticale Nischenfalte, welche am Ligam. mallei extern, beginnt und längs des Hammer-Ambossgelenks bis zur lateralen Hammer -Ambossfalte hinaufsteigt. Durch diese häufig durchlöcherte Falte wird der äussere Attic bald vollständig, bald unvollständig in eine vordere und hintere Abtheilung gebracht.

Ausser diesen grösseren Falten finden sich noch ') inconstante Fäden und verästigte Schleim- hautplatten, durch welche der äussere Attic zuweilen in ein Fachwerk umgewandelt wird,-) das bei hier sich etablirenden Eiterungen die Stagnation und Zersetzung der Secrete begünstigt. Dies der häufige Grund hartnäckiger, septischer Eiterungen bei Perforation der Shrapnell'schen Membran. Die Varietäten der den äusseren Attic bildenden und ihn durchsetzenden Schleimhautfalten sind überhaupt so mannigfach, dass ein Präparat kaum je dem anderen vollkommen gleicht.

Hier wäre noch auf einen mit den Räum- lichkeiten des Attic extern, zusammenhängenden, nicht Constanten Faltenzug hinzuweisen, welcher sich, wie ich zuerst nachwies (Zergliederung, S. HS), bis in das Antrum mastoid. erstreckt. Wie bekannt, findet man häufig in normalen Gehörorganen im Antrum mastoid. ein mit den Knochenwänden zu- sammenhängendes, aus verästigten Schleimhaut- platten zusammengesetztes Balkenwerk ausgespannt, das sich zuweilen bis in die Trommelhöhle fortsetzt und mit den Bändern und Schleimhaut- falten des Hammers und Ambosses zusammenhängt. Dieses anatomische Vorkommniss ist für das Zu- standekommen von Perforationen der Membr. Shrapnelli insoferne von Bedeutung, als durch die- selben entzündliche Processe in der Hammer- und Ambossnische vermittelst dieses Balkenwerks in das Antrum und umgekehrt von hier aus in den äusseren Attic fortgepflanzt werden können, wie ich dies bei einer Anzahl von Sectionsbefundcn nachwies.

') Vgl. A. Politzer, Zergliederung des menschlichen Gehörorgans, S. 84. 2) A. Politzer, Ueber ein Höhlensystem zwischen Hammerhals und äusserer Trommelhöhlen wand. Wiener med. Wochcnschr. 1868.

Histologie des normalen Trommelfells. 1 \

Der unterste Abschnitt des äusseren Attic wird durch eine kleine Hohle gebildet, welche man als Prussak'schen Raum bezeichnet (Fig. 8 P). Dieser wird nach aussen von der Membr. Shrapnelli (s), nach unten von der oberen Fläche des kurzen Hanimerfortsatzes {h\ nach oben vom Ligam. mallei ext. (e), nach innen vom Hammerhals, nach vorn von der vorderen Trommelfelltasche begrenzt und mündet nach hinten durch eine zwischen Ligam. mallei ext. und dem oberen Rande der Trültsch'schen Trommelfelltasche befindliche Lücke in den hinteren Trommelhöhlenraum. Da nicht selten das Ligam. mallei ext. nicht un- mittelbar am Rande des Rivini'schen Ausschnitts, sondern an der Membr. Shrapnelli inserirt, so fällt der obere Theil dieser Membran zuweilen in den Bereich des mittleren Abschnitts des Attic ext.

Die drei übereinander liegenden Abtliellungen des äusseren Attic stehen unter- einander, mit der TrommeHiöhle und dem Antrum mast. durch individuell sehr variable Communicationslücken in Verbindung. Selbst dort, wo die einzelnen Abthei- lungen des Attic gegen einander oder gegen das Cavum tymp. ganz abgeschlossen scheinen, bestehen feine, mit freiem Auge nicht wahrnehmbare Spältchen und Oeffnuugen, welche bei der makroskopischen Untersuchung der Beobachtung leicht entgehen. Ein allseitiges Abgeschlossensein eines dieser Eäame, wie sie Zuckerkandl in einzelnen Fällen für das mit dem oberen Abschnitt des Attic ext. zusammenhängenden Antrum mastoid. annimmt, ist schon deshalb nicht denkbar, weil dieser Raum, ebenso wie die anderen Nebenräume der Trommelhöhle, lufthaltig ist, und der Luftzuti'itt doch nur durch Communicationslücken in den Schleimhautfalten stattfinden kann.

Histologie des normalen Trommelfells.

Das Trommelfell besteht aus drei histologisch differenten Haupt- schichten, einer als Lamina propria bezeichneten, mittleren, fibrösen Schichte, welche nach aussen von einer Fortsetzung der Cutis, nach innen von einer Fortsetzung der Trommelhöhlenschleimhaut be- kleidet wird. Die Cutisschichte des Trommelfells lässt sich durch anato- mische Präparation von der Lamina propria leicht loslösen, während die Schleimhautschichte mit ihr untrennbar verschmolzen ist.

Die Lamina propria des Trommelfells ist aus zwei anatomisch trenn- baren Schichten zusammengesetzt, deren äussere einen radiären, die innere einen circulären Faserverlauf zeigt. Beide Schichten hängen durch feine Bindgewebs- bündel zusammen (Fig. 9). Die bandartig plattgedrückten Fasern der Substantia propria zeigen viel Aehnliehkeit mit dem Sehnengewebe. Der Durchmesser dieser Fasern variirt zwischen 0'035 O'OIS mm.

Die Kadiärfaserschichte geht unmittelbar aus der Periostlage des Annulus tymp. hervor (Dreispul). Die Richtung ihrer Fasern ist nur an der

\2 Histologie des normalen Trommelfells.

unteren Hälfte der Membran ausgesproelien radiär, während im oberen Abschnitte des Trommelfells die Fasern mehr horizontal gegen den Hammergriff verlaufen.

Indem die Eadiärfasern concentrisch dem Hammergriff zustreben, inserirt von ihnen ein grosser Theil am Periost des spateiförmigen Endes des Hammer- griffs, während eine geringei-e Anzahl von Fasern sich im oberen Abschnitte des Trommelfells an der vorderen Hammergriff kante anheftet. Diese coneentrisebe Richtung der radiären Schichte erklärt es zur Genüge, weshalb die Fasern gegen das Centrum des Trommelfells hin sich verdichten.

Die Fasern der inneren circulären Schichte (Fig. 9c), zarter und con- tractiler als die Eadiärfasern, kreuzen durchwegs die Richtung der radiären Schichte. Die circulären Fasern, welche an der äusseren Peripherie des Trommel- fells fehlen, sammeln sich innerhalb des Ringwulstes (Annulus tendinosus) faj, wo

sie ein dichtes, gegen den oberen

Yf\ Pol des Trommelfells hin sich ver-

i schmälerndes Faserbündel bilden,

S' ^"^^ während sie gegen das Centrum

^ ^//f ^^ ^^'^ immer spärlicher werden und

in der Umgebung des Umbo voll- ständig fehlen. In ihrem Verlaufe von vorne und hinten her gegen den dreikantigen Hammergriff, in- seriren sie zum Theile an die -^ ~ " äussere Fläche des Hammergriffs,

^~ ssäü^Än^^^"^'' besonders am kurzen Fortsatze,

^"^-^^^S^^^^i-a» während ein anderer Theil der

"^ "* Fasern die Innenseite des Hammer-

Fig. 9. griffs überzieht. Nur im unteren

Flächenansicht des unteren Trommelftllsegments. Dritttheile deS Hammergriffs findet

in = unteres spateiförmiges Ende des Hammergriffs. . . . -vt i j j t'-

r = radiäre Faser>chichte des Trommelfells. - c = eine innige Verbindung Und Ivreu-

circuläre Fasersehichte des Trommelfells. ^ung aller daS untere Griffende

umgebendenTrommelfellfasern statt. Der Hammergriff ist daher am Proc. brevis und am Umbo am festesten mit dem Trommelfelle verbunden.

Das mikroskopische Verhalten der Substantia propria ist verschieden, je nachdem der Schnitt parallel der Faserrichtung oder senkrecht auf diese geführt wird. An Längsschnitten sieht man zwischen den Trommelfellfasern in regelmässiger .Anordnung spindelförmige Körperchen eingestreut, während sie an Querschnitten als stern- förmig verästigte, den Corneakürperchen ähnliche, mit Endothelzellen ausgekleidete Spalträume erscheinen.

Diese von Tröltsch zuerst beschriebenen Trommelfellkürpei'chen anastomosiren mittelst feiner Ausläufer unter einander und stehen mit den Lymphbahnen der Schleim- haut und der Cutisschichte in Verbindung, aus welchen sie das Ernährungsplasma für die Substantia propria beziehen. Everard Home hat zuerst das Vorkommen spindel- förmiger Fasern (organische ^Muskelfasern) im Trommelfelle beschrieben. Die namentlich an der Peripherie des Trommelfells in der Subst. propria befindlichen spaltförmigen

Histologie des normalen Trommelfells. 13

Lücken dienen den anastomosirenden Blutgefässen des äusseren und mittleren Ohres zum Durclitritt (Moos).

Die äussere Cutisschichte des Trommelfells (eine Fortsetzung der Geliür- gangscutis) besteht aus einem mehrfach geschichteten Pflasterepithel und einem gering entwickelten Bindegewebsstratum, in welchem die Gefässe und Nerven dieser Schichte verlaufen.

Die Epidermisschichte ist am stärksten hinter dem Hammergriff, ent- sprechend dem von der oberen Gehörgangswand zum Trommelfell herabsteigenden Cutisstreifen entwickelt und zeigt an dieser Stelle leichte papilläre Erhabenheiten (Popper). Sie besteht aus vier bis fünf Lagen abgeplatteter Hornzellen, auf welche vier bis fünf Lagen polyedrische Zellen und schliesslich als unterste Lage eine dem Bindegewebsstr3tum unmittelbar aufsitzende Lage von Cylinderzellen folgt.

Die dünne Bindegewebsschiehte ist von einem Netze von capillaren Blutgefässen durchzogen und durch zarte Bindegewebsfibrillen mit der Substantia propria verbunden.

Der Zusammenhang der Cutis des äusseren Gehörgangs mit der des Trommel- fells tritt namentlich an der oberen Peripherie der Membran markant zu Tage. Hier tritt von der oberen Gehörgangswand ein mächtiger, aus Bindegewebe und elastischen Fasern bestehender Cutisstreifen auf das Trommelfell über, welcher, den hinteren Abschnitt der Membrana Shrapnelli streifend, hinter dem Hammergriff zu dessen spatel- förniig verbreiterten Ende hinzieht, um sich hier sternförmig ausstrahlend mit den Fasern der Substantia propria zu verfilzen. Mit diesem Cutisstreifen ziehen auch grössere Gefässe und stärkere Nervenzweige vom Gehörgang zum Trommelfell. Bei durchfallendem Lichte ist, namentlich bei Neugeborenen, dieser Cutisstreifen deutlich markirt und kann man zwischen ihm und dem oberen und mittleren Theile des Hammergriffes eine dreieckige, durchscheinende Trommelfellpartie unterscheiden.

Die Schleimhautschichte des Trommelfells, eine Fortsetzung der Mucosa der Trommelhöhle, ist mit der Eingfaserschichte der Substantia propria innig ver- schmolzen und besteht aus einem zarten Bindegewebsstratum, welches von einem nicht flimmernden Epithel überzogen wird. Bei Neugeborenen findet man, wie an anderen Partien der Trommelhöhlenschleimhaut, auch an der Innenfläche des Trommelfells, den Darmzotten analoge, mit Epithel bekleidete und Gefässschlingen enthaltende Papillen (Ger lach), die sich nach der Geburt rasch zurückbilden.

Der im Sulcus tymp'. eingebettete, mit dessen Periost zusammenliäugende Eingwulst (Annulus tendinosus s. cartilagineus) geht in der Nähe des Eivini- schen Ausschnittes in das Periost der Schläfebeinschuppe über. Da die innere Lefze des Trommelfellfalzes niedriger ist als die äussere, so springt der ßing- wulst an der Innenseite des Trommelfells stärker hervor. An Frontalsclinitten zeigt der Sehnenring die Form eines Dreiecks, dessen Basis am Boden des Sulcus tymp. liegt, während die Spitze in die Eadiärfasern der Subst. propria übergeht. Der Ringwulst besteht aus derbem, mit elastischen Fasei'n vermengtem faserigen Bindegewebe, in welchem man eine radiäre und eine transversale Faserrichtung unterscheiden kann. Nicht constant finden sich im Fasergewebe einzelne Knorpelzellen eingestreut (Moldenhauer, G-ruber), ein Befund, der noch keineswegs dazu berechtigt, den Eingwulst als Faserkuorpel zu erklären.

Die Membrana Shrapnelli (M. flaccida) besteht aus unregelmässig sich kreuzenden, mit dem Cutisstreifen des Gehörgangs zusammenhängenden Bindegewebs- zügen, welche nach aussen von einer zarten, papillentragenden Cutisschichte, nach

X4 Histologie des normalen Trommelfells.

innen von der Trommelhölilensclileimhant überzogen werden. Die Fasern der Substantia propria fehlen in ihr vollständig. Inconstante, perforirende Blutgefässe vermitteln die anastomotischen A^'erbindangen der Blutgefässe der oberen Gehörgangswand mit denen des Prussak'schen Eanmes und des äusseren Attic.

Blut- und Lymphgefässe des Trommelfells. Das Trommelfell wird von zwei durch die Substantia propria von einander getrennten Gefässnetzen ver- sorgt, von welchen das äussere dem Bindegewebsstiatum der Cutisschichte, das innere der Mucosa der Trommelhöhle angehört und welche an der äusseren Peripherie des Trommelfells durch perforirende Anastomosen mit einander in Ver- bindung stehen. Die genauere Kenntniss der Gefässvertheilung im Trommelfelle verdanken wir der vorzüglichen Arbeit des um unsere Wissenschaft hochverdienten, uns leider zu früh durch den Tod entrissenen Moos*).

Die arteriellen Gefässe der Cutisschichte gehören der Verzweigung der Arteria auricularis profunda an. Der stärkste arterielle Zweig des Trommelfells steigt von der hinteren oberen Gehörgangswand mit dem früher erwähnten Cutis- streifen zum Umbo des Trommelfells hinab. Die zwischen zwei Venen liegende Arterie verläuft hinter dem Hammergriff, mit dessen Richtung sie einen nach oben offenen Winkel bildet und sendet ein Aestchen zur vorderen Griffseite. Auch von den übrigen Wänden des Gehörgangs treten kleine arterielle Zweigchen auf die Cutisschichte über, die in radiärer Richtung von der Peripherie zum Centrum des Trommelfells verlaufen, um mit den Gefässverzweigungen der ab- steigenden Arterie des Trommelfells zu anastomosiren. Dem arteriellen Gefäss- netze in der Cutis entspricht auch ein venöses System, dessen Aeste sich theils in die Venen des äusseren Gehörgangs entleeren, theils durch die an der Peri- pherie des Trommelfells befindlichen Lücken mit den Gefässen der Trommelhöhle anastomosiren. Nach Moos bestehen ausserdem in der Gegend des Hammer- griffs und an anderen Partien der Membran perforirende, anastomotische Ver- bindungen zwischen den Blutgefässen der Cutisschichte und denen des Schleim- hautüberzuges des Trommelfells.

Die arteriellen Aeste des Hammergriffs gehen unmittelbar in den sie begleitenden Venenplexus über, und entleeren sich in die grösseren venösen Gefässe der oberen Wand des äusseren Gehörgangs. Die radiär vom Centrum des Trommelfells zur Peripherie verlaufenden Arterienäste gehen in den peripheren Venenkranz (Randplexus) über, welcher mit den Venen des Gehörgangs und der Ti'ommelhöhle vielfach anastomosirt. Der venöse Blutabfluss vom Trommelfelle kann daher nach zwei Richtungen, und zwar durch die Venen des Hammergriffs oder durch den peripheren Venenplexus stattfinden.

Die Gefässe der Schleimhautschichte des Trommelfells stammen von den Gefässen der Trommelhöhle. Am stärksten entwickelt erscheint ein parallel dem Hammergriffe verlaufendes, aus der Art. tymp. stammendes arterielles Gefäss, aus dem sich ein Gefässnetz entwickelt, welches mit den von der Peri- pherie zum Trommelfelle tretenden Arterienästchen ein engmaschiges Cfipillar-

') J. Moos, Die Blutgefässe und der Blutgefässkreislauf des Trommelfells und des Hammergriffs. Archiv für Augen- und Ohrenheilkunde. 1877, VI.

Histologie des normalen Trommelfells.

15

sj'stem bildet. Der venöse Abfluss wird theils durch einen Randplexus der Schleimhautschichte, theils durch venöse G-efässe längs des Hammergriffs ver- mittelt, welche mit den Venen der Cutisscbichte anastomosiren.

Wird das Epithel der Schleimhautschichte mittelst eines Pinstls abgestreift, so sieht man schon bei einfacher Lupenvergrösserung ein auf der Substantia propria verästigtes Fasergerüste (Fig. 10), welches am stärksten hinter dem HammergritFe entwickelt ist, zuweilen jedoch über einen grossen Theil der Membran sich ausbreitet. Dieses Fasergerüste, von grösseren und kleineren Lücken durch- brochen, strahlt mit seinen balkenartigen Fortsätzen einerseits gegen den Hammer, andererseits gegen den Ringwulst aus. Die Ausstrahlungen dieser bogenbildenden Fortsätze dringen stellenweise in die Substantia propria ein und verschmelzen mit deren Fasern. Dieses von G r u b e r als dendritisches Gebilde bezeichnete Faser- gerüste kommt nach meinen Untersuchungen auch unter dem Epithel der Trommel- höhlenschleimhaut vor und ist, wie dieses und die iucon- s tauten Schleimhautfalten in der Trommelhöhle, als Re- siduum des embryonalen Schleimhautpolsters anzu- sehen. Das Fasergerüste in der Schleimhautschichte des Trommelfells kann daher nicht als ein dem Trommel- felle eigenthümliches Gebilde angesehen werden.

lieber die L y m p h- ge fasse des Trommel- fells sind unsere Kennt- nisse noch sehr lückenhaft und ihre anatomischen Verhältnisse im Trommelfelle noch zu erforschen. Nach Kessel sind sie analog den Blutgefässen, in drei, unter einander anastomotiseh verbundenen Lagen angeordnet.

Die Nerven des Trommelfells stammen vom N. auriculo-temporalis, von welchem ein stärkerer Zweig von der oberen Gehörgaugswand mit dem er- wähnten Cutisstreifen auf das Trommelfell hinabsteigt, hier hinter dem Hammer- griff verläuft und sich an dessen unterem Dritttheile in zwei Aestcben theilt. Die feineren, plexusbildenden Verästelungen dieser Nerven an der Cutis umspinnen die Blutgefässe derselben und treten nach Kessel durch feine Fäden mit dem Epithel der Cutisscbichte in Verbindung. Die Betheiligung des Ram. auric. vagi an der Nerven Versorgung des Trommelfells (Sappey) ist nicht erwiesen. In der

Fig. 10.

Faseriges Balkenwerk vom hinteren Segmente der Innenfläche des Trommelfells beim Erwachsenen. b" = grosse Lücke im Balkenwerk. &' = kleine Lücke, durch welche ein dünner Balken durchtritt. h = durch die ausstrahlenden Balken ge- bildeter Bogen.

\Q Physiologische Eigenschaften des Trommelfells.

Schleimbautschichte des Trommelfells will Gerlach marklose Nervenfasern ge- sehen haben.

Physiologische Eigenscliafteu des Trommelfells.

Das Trommelfell ist durch die Anordnung seiner Fasern eine starre, wenig elastische Membran, welche selbst nach der Auslösung aus dem Sulc. tymp. und nach Wegnahme des Hammergriffs ihre Trichterform beibehält. Diese für die physiologische Function nöthige Starrheit verdankt das Trommelfell vorzugs- weise den rigideren Eadiärfasern, während die Circulärfaserschichte etwas elastischer und dehnbarer ist; die letzteren bringen die Radiärfasern nach der positiven Phase ihrer Schwingung in die frühere Lage zurück. Die durch combinirte Kräfte bewirkte Spannung des Trommelfells, welche noch durch den Zug des Muse, tensor tymp. und durch die Federkraft des Ligament, mallei ant. (Politzer) unterstützt wird, verhindern die störenden Nachschwingungen der Membran (Dämpfungsapparat).

Die von der Peripherie zum Hammergriff hinziehenden radiären Fasern stellen ein System gespannter Saiten vor, zu welchem sich der Hammergriff wie ein be- weglicher Steg verhält (Politzer).

In Folge der excentrisehen Lage des Umbo ist die A^ordere Hälfte des Trommelfells stärker gespannt als die hintere, weshalb die Excursionsfähigkeit des hinteren Abschnittes grösser ist als die des vorderen (Mach und Kessel).

Während der Verdichtungsphase schreiten die Schwingungen ringförmig von der Peripherie gegen das Centruin, während der Verdünnungsphase umge- kehrt vom Umbo gegen die Peripherie fort. Analoge Bewegungserscheinungen beobachtete ich öfters an atrophischen Trommelfellen bei abwechselnder Luft- verdichtung und Luftverdünnung im äusseren Gehörgange mittelst des Sieg le'sehen Trichters.

Die Resistenz des Trommelfells ist viel grösser, als nach dem anatomischen Aussehen zu schliessen wäre. Schmiedekam fand, dass es erst bei einer Druck- höhe von 168 cm Quecksilbersäule einreisst.

Die starke Neigung des Trommelfells zur Achse des Gehörgangea beein- trächtigt nur wenig die Fortleitung der von aussen einfallenden Schallwellen.

Das Trommelfell besitzt wohl einen Eigenton (e IV), ist jedoch nur wenig befähigt selbstständig zu tönen. Die trichterförmige Einziehung erhöht, wie Helmholtz experimentell nachgewiesen hat, wesentlich seine Resonanzfähigkeit. Das Trommelfell besitzt vermöge seiner eigenthümlichen Wölbungs- und Spannungs- verhältnisse die Eigenschaft, Töne von der verschiedenartigsten Schwingungs- dauer nicht nur nacheinander, sondern auch gleichzeitig und für unsere Em- pfindung gleichmässig, durchzulassen. So wichtig diese Spannung des Trommelfells für die Aufnahme und Fortpflanzung der Schallwellen erscheinen mag, so zeigt doch die klinische Erfahrung, dass Spannungsänderungen der Membran innerhalb gewisser Grenzen die Hörfunction nur wenig beeinträchtigen. Näheres hierüber im Abschnitte über die Spannungsanomalicn dos Trommelfells.

Topographie des normalen Trommelfells. 27

Das topogTai)hisclie ^'crhäItlliss des Troinnielfells zur inneren Trommel-

höhlenwand.

Von grosser Wichtigkeit für die Beurtheilung- der pathologischen Trommelfellbefunde ist die genaue Kenntniss des topographischen Verhältnisses des Trommelfells zur inneren Trommel- höhlen wand. Nur dadurch wird es möglich, bei Defecten der Membrana tymp., bei Anlagerung atrophischer oder narbig veränderter Partien an die Promontorialgegend und bei Adhäsionen zwischen Trommelfell und der inneren Trommelhöhlenwand, dem Trommel- fcllbefunde eine auf anatomischer Basis gegründete Deutung zu geben. Es ist dies auch insoferne von praktischer Tragweite, als wir nur durch eine richtige Diagnose des vor- liegenden pathologischen Processes in S den Stand gesetzt werden, eine Reihe operativer Eingriffe am Trommelfelle und in der Trommelhöhle mit Vortheil aus- zuführen.

Um die gegenseitige Lage des Trom- melfells zu den einzelnen Abschnitten der inneren Trommelhöhlenwand genau

zu bestimmen, theilt man die äussere Topographisches Verhältniss des Xrom-

Fläche der Membran in vier Segmente, in- ^^Iff ^^^.^ =ZTereTreref' £ dem man (Fig. 11) vom unteren Ende S: 1 1=J w^^^oS- ^u^'d des Hammergriffs zur unteren Peripherie !: = "Ss^taTSe.?"'!'^" = des Trommelfells eine verticale Linie ^'""''''^ '°*"shrapreiii! " ^'"'"'''^"^ zieht, welche durch eine zweite horizon- tale, das untere Griffende tangirende Linie gekreuzt wird.

Das Projectionsbild des Trommelfells zur inneren Trommelhöhlenwand wird durch die Neigung des Trommelfells und der inneren Trommelhöhlenwand zur Horizontalen wesentlich modi- licirt. Das anatomische Projectionsbild ohne Rücksicht auf diese Neigungsverhältnisse ist daher für die Praxis nicht zu verwerthen.

Wenn wir bei normaler Kopfstellung das Trommelfell in vier Quadranten theilen, so entspricht:

1. Dem vorderen, oberen Quadranten (vo) des Trommelfells: der vordere, obere, an das Ostium tymp. tubae grenzende Theil der inneren Trommel- höhlenwand, an deren oberem Abschnitte man zuweilen ein Stück des Canalis pro tensore tymp. als längliche, von vorn nach hinten ziehende Prominenz durch- schimmern sieht.

Politzer, Atlas der Beleuchtungsbilder des Trommelfells. 2

Ig Topographie des normalen Trommelfells.

2. Dem vorderen, unteren Quadranten {vu) entspricht der vordere untere, an das Ostium tymp. tubae grenzende Abschnitt der inneren und ein Theil der gerifften, unteren Trommelhöhlenwand. Bei Trommelfelldefecten an dieser Stelle wird daher nicht selten die zum Eingang in die knöcherne Ohrtrompete führende, vordere Partie der Trommelhöhle sichtbar.

3. Dem hinteren, oberen Quadranten {ho) entspricht im oberen Ab- schnitte dieses Segmentes, der untere Theil des langen Ambossschenkels mit dem Ambossstapesgelenk und dem hinteren Stapesschenkel in Form eines nach hinten und oben gerichteten Winkels. Zwischen Ambossschenkel und der Innenseite des Hammergriffs zieht in der Richtung von hinten nach vorn die Chorda tymp. Im hinteren unteren Abschnitte des Quadranten ist häufig, jedoch nicht constant, der obere Theil der Nische des runden Fensters (r) sichtbar. Bei Perforation des Ti-ommelfells im hinteren, oberen Quadranten wird daher häufig das freiliegende Ambossstapesgelenk, zuweilen auch die von hinten zum Stapesköpfchen ziehende Sehne des Musculus stapedius und die Chorda tymp. sichtbar. Desgleichen treten bei eingesunkenen Narben, bei Verwachsung narbiger oder atrophischer Trommel- fellpartien mit der inneren Trommelhöhlenwand, die dem hinteren, oberen Qua- dranten des Trommelfells entsprechenden Gebilde der Innenwand der Trommel- höhle markant hervor.

4. Dem hinteren, unteren Quadranten {hu) entspricht der untere Ab- schnitt des Promontoriums, hinter demselben die ganze oder der untere Theil der Nische des runden Fensters {r) und der hintere Abschnitt der gerifften, unteren Trommelhöhlenwand, respective die glatte, gegen den Boden der Trommelhöhle vorgebauchte Wand der Fossa jugulaiis.

Das hier geschilderte Projectionsbild der inneren Trommelhöhlenwand zum Trommelfelle zeigt vielfache Varianten, welche bei Beurtheilung der Trommelfell- befunde ferner bei den tympanalen und intratympanalen Operationen berück- sichtigt werden müssen. So finden wir nicht selten die Ambossstapesverbindung im Sehfelde so weit nach abwärts reichen, dass ausser dem langen Ambossschenkel auch die ganze Nische der Fenestra ovalis mit dem hinteren Stapesschenkel und der Stapediussehne deutlich hervortreten. In anderen Fällen hinwieder ist die Fenestra ovalis mit der Ambossstapesverbindung so hoch nach oben gerückt, dass sie, durch die äussere Wand des Attic verdeckt, selbst bei totaler Zerstörung des Trommelfells sich der Besichtigung entzieht.

Ebenso kann das runde Fenster so weit nach hinten und unten gerückt sein, dass nur ein kleiner Theil der Nische im hinteren Abschnitte des hinteren, unteren Quadranten sichtbar ist.

Tiefendurchmesser der Trommelhöhle im Bereiche des Trommel- fells. Der Tiefendurchmesser der dem Trommelfelle entsprechenden Partie der Trommelhöhle variirt nach der Region der vier Quadranten der Membran. Da das Trommelfell trichterförmig nach innen gewölbt, andererseits wieder die Promontorialwand stark nach aussen vorgebaucht ist, so wird der Durchmesser der Trommelhöhle in der Region des Umbo am kleinsten sein. Die Entfernung des Nabels des Trommelfells vom Promontorium beträgt beiläufig 2 mm. Etwas

Topographie des normalen Trommelfells. 29

tiefer (etwa 1 lV>mni unterhalb des Umbo) beträgt der Tiefendurchmesser der Trommelböhie 2^1-2 ram. Dieser Stelle entspricht der höchste Punkt des Promon- toriums. Wenn trotzdem die Trommelhöhle an dieser Stelle weiter ist als in der Gegend des Umbo, so hat dies darin seinen Grrund, dass die entsprechende Trommelfell- partie lateraler liegt, als der Nabel. Der Abstand des vorderen, oberen Quadranten des Trommelfells von der inneren Ti'ommelhöhlenwand schwankt zwischen 5 6 mm, im vorderen unteren Quadranten zwischen 4 5 mm. Der Tiefendurchmesser, ent- sprechend dem hinteren, unteren Trommelfellsegmente, variirt von 5 7 mm (Bezold). Im ersten Lebensjahre ist der Tiefendurchmesser der Trommelhöhle kleiner als beim Erwachsenen.

2*

IL

Die pathologisch-anatomischen Veränderungen im

Trommelfelle.

Die Kenntniss der krankliaften Veränderungen des Trommelfells ist für die Beurtlieilung der Trommelfellbefunde unerlässlicli. Die pathologischen Structurveränderungen der Membran entwickeln sich entweder in Folge primärer Erkrankungen des Trommelfells oder secundär durch Krankheitsprocesse, welche vom äusseren oder mittleren Ohre auf das Trommelfell übergreifen. Die folgende Schilderung gibt eine allgemeine Uebersicht der wichtigsten pathologisch-histologischen Befunde in den einzelnen Schichten des Trommelfells; eine Reihe patho- logisch-anatomischer Veränderungen (H^-perämie, Perforation, Narben- bildung, Adhäsion, Atrophie etc.) wird im speciellen Theile berück- sichtigt werden.

Histologische Veränderungen in der Cutisschiclite des Trommelfells.

Die pathologischen Veränderungen der Cutisschichte sind nur selten die Folge primärer Erkrankungen des Trommelfells; ungleich häufiger entwickeln sie sieh im Verlaufe entzündlicher Affectionen des äusseren Gehörgangs, seltener dos Mittelohres.

Patholorjische Veränderungen der Epidei-mislage der Cutisschichte.

Die Epidermisschichte des Trommelfells wird bei der primären, acuten Myringitis, bei acuter Otitis externa diffusa, ferner bei der Otitis media acuta durch seröse Durchfeuchtung aufgelockert, trüb und undurchsichtig, rissig, zu- weilen in Form von Blasen abgehoben, in bald geringerem, bald grösserem Um- fange abgestossen und nach Ablauf der Entzündung durch eine neue, rasch sich regenerirende Epithelschichte ersetzt.

Bei den chronischen Entzündungen des Trommelfells, mögen sie nun primär oder als Theilerscheinung einer chronischen Entzündung des äusseren und mittleren Olires auftreten, kommt es meist zu einer Wucherung und Massen-

Histologische Veränderungen in der Cutissctichte des Trommelfells. 21

zunähme der Epithelschichte mit starker Verdickung des Trommelfells. Die mikroskopischen Veränderungen der wuchernden Epidermisschichte bestehen in starker Quellung und Fetttröpfcheninfiltration der Epithelialzeilen und in Ein- lagerung von Fetttröpfchen, Cholestearinkrystallen, Pigment und Detritus. Die Massenzunahme und Verhornung der oberen Epithellagen ist nicht selten, be- sonders bei Tuberculose des Gehörorgans mit einer Wucherung und Verhornung der Malpighi'schen Schichte verbunden, welche sich in Form von Zapfen in das Cutisgewebe und bis zur Subst. propria des Trommelfells erstreckt. ^)

Dieser als Myringitis desquamativa bezeichnete Process, der mit gleich- zeitiger Massenzunahme der Cutis und zuweilen auch der übrigen Trommelfell- schichten verbunden ist, entwickelt sich häufig im Verlaufe chronischer Ekzeme des äusseren G-ehörgangs, ferner bei der chronischen Otitis externa diffusa und nach abgelaufener Otitis med. suppurativa. Zuweilen kommt es bei exuberirender Wucherung der Epidermiszellen zur Bildung geschichteter Epidermismassen, welche bei gleichzeitiger Otit. ext. desquamativa den oft erweiterten knöchernen Abschnitt als Cholesteatome des Gehörgangs ausfüllen (Toynbee's Molluscous tumor).^)

Circumscripte Wucherungen der Epidermisschichte in Form perl artiger Knötchen am Trommelfelle kommen zuweilen nach abgelaufenen Mittelohr- eiterungen (Politzer), seltener bei nicht eiterigen Mittelohrentzündungen (Küpper, Wendt, Urbantsc hitseh) und nach abgelaufener Myringitis zur Beobachtung. Sie erscheinen als weisse, stark glänzende, perlartige Kugeln, welche in der Grösse eines Hirsekorns vereinzelt oder in Gruppen zusammenstehend, meist in der Umgebung der oberen Partie des Hammergriffs dem Trommelfelle aufsitzen (Tafel XIV, Fig. 22) und entweder einfache Epithelzellen oder neben diesen auch Cholestearinkrystalle in wechselnder Menge enthalten. Umschriebene Hypertrophie und Verhornung der Epidermisschichte in Form einer hornartig zugespitzten, mit dem Trommelfelle innig zusammenhängenden Wucherung kommt im Ganzen selten vor (Tafel XIV, Fig. 21).

Pathologische Veränderungen im Bindegewebsstratum der Catisschichte des

Trommelfells. Endzündungsprocesse in der Cutisschichte des Trommelfells.

Die Cutisschichte des Trommelfells ist bei den primären wie secundären Entzündungen dieser Membran häufig der Sitz pathologischer Veränderungen. Ihre Entstehung durch Einwirkung pathogener Mikroorganismen ist durch die histo- logische Untersuchung festgestellt. Bei der acuten Myringitis ist die Ent- zündung häufig nur auf die oberflächlichen Schichten der Cutis begrenzt, wobei nicht selten durch das an die Oberfläche ergossene Exsudat die Epidermis in Form seröser oder hämorrhagischer Blasen abgehoben wird (Myringitis bu.llosa). Bei interstitieller, tiefgreifender Entzündung der Coriumschichte kommt es durch seröse

^) Moos, Zeitschrift für Ohrenheilkunde. Bd. XV, S. 271, und Habermann, Zeitschrift für Heilkunde. Bd. VI und IX.

■-) Vgl. A. Politzer, Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 3. Aufl., S. 153.

22 Histologische Yeränderuügen in der »Subst. jiropr. des Trommelfells.

und eiterige Infiltration und durch starke Ausdehnung der Blutgefässe der Cutis zur Aufwulstung und Verdickung des Trommelfells. Die Membran erscheint hiebei stark gerüthet, abgeflacht, Proc. brevis und Hammergriff verdeckt, die Grenze zwischen Trommelfell und Gehürgang verstrichen. IMikroskopische Schnitte durch ein derartig acut entzündetes Trommelfell ergeben, dass wohl öfter sämmtliche Schichten der Membran von der Entzündung ergriffen sind, dass jedoch häufig der Entzündungsprocess sich auf die Cutisschichte begrenzt, während die Sub- stantia propria und die Schleimhautschichte am Entzündungsvorgauge in der Cutis nur wenig betheiligt sind.*) Acute Entzündungen mit Ausscheidung von fibri- nösen Pseudomembranen an die Oberfläche des Trommelfells sind im Ganzen seiton (Gottstein).

Die bei den acuten Entzündungen sich entwickelnden Veränderungen in der Cutis können, ohne Spuren zu hinterlassen, sich vollständig zurückbilden. Indess bleiben zuweilen als Residuen acuter Entzündungen bindegewebige Ver- dickungen und Trübungen der Coriumschichte, zuweilen auch eine fortdauernde Desquamation der Epidermis zurück. Nur selten kommt es in Folge acuter Ent- zündungen zur Abscessbildung und zu umschriebener perforirender Geschwürs- bildung an der Cutisschichte.

Die chronischen Entzündungen der Cutisschichte bei primärer Mjringitis oder in Folge von Entzündungen des äusseren . und mittleren Ohres, führen häufig zu tiefgreifenden Veränderungen mit gleichmässiger oder ungleich- massiger Verdickung des Trommelfells.

Als die wichtigsten Folgezustände der chronischen Myringitis wären anzuführen: Massenzunahme der Epithelschichte mit oder ohne Desquamation derselben (s. oben), Hypertrophie des Bindegewebsstratums durch Rundzelleninfiltration, Neubildung von Bindegewebe und Erweiterung und Neubildung von Blutgefässen, Kalkab- lagerungen in der Cutis (v. Trölts ch), Granulationen und papilläre Excrescenzen-) und die Bildung von gestielten Polypen an der Aussenfläche des Trommelfells. 3)

Pathologische Veränderungen in der Suhstantia propria des Trommelfells.

Primäre krankhafte Veränderungen dieser Schichte sind wegen der spärlichen in diese Schichte eintretenden Blutgefässe (Moos) im Ganzen selten. Ungleich häufiger wird die Substantia propria secundär durch Erkrankung der benachbarten Cutis- und Schleimhautschichte in Mitleidenschaft gezogen.

Hat man Gelegenheit, das entzündete Trommelfell eines in den letzten Lebenstagen an Otitis media acuta erkrankten Individuums histologisch zu unter- suchen, so findet man neben den entzündlichen Veränderungen in der Cutis- und Schleimhautschichte die Fasern der Substantia propria durch das in seine Spalt-

') Vgl. die Abbildung in Politzer's Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 3. Aufl., S. 95.

^) Nasiloff, Myringitis villosa. Centralblatt für die med. Wissenschaften. 1867, Nr. 11; Politzer, Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 3. Aufl., 8. 305; Kessel, Archiv für Ohrenlieilkunde. Bd. V, fS. 250.

2) Uorberg, Archiv für Ohrenheilkunde. Bd. VII, S. 55, und Politzer, Lehr- buch der Ohrenheilkunde. 3. Aufl., S. 195.

Histologische Veränderungen in der Subst. propr. des Trommelfells.

23

räume ergossene Exsudat auseinander gedrängt, mit moleculaien Körnchen und Rundzellen durchsetzt und durch Einwirkung der pathogenen Mikroorganismen erweicht. Nur seiton bleibt bei intensiveren Entzündungen der Cutis- oder Schleim- hautschichte die Substantia propria unverändert.

Während bei den acuten Entzündungen die Gewebsveränderungen in der Substantia propria sich vollständig zurückbilden können, hinterlassen die chronischen Entzündungen meist bleibende Veränderungen in dieser Schichte. Das von der entzündeten Cutis und der Schleimhautschichte in die Substantia propria ergossene Exsudat bleibt als diffuse, körnige Substanz oder als dichtgedrängte kreidige Masse zurück, durch welche das Gewebe dieser Schichte verdichtet, bis- weilen auch verdickt wird. Sind diese Verände- rungen noch mit einer Massenzunahme der Cutis- und Schleimhautschicbte combinirt, wie bei Adhäsiv- processen nach abgelaufenen Mittelohreiterungen, so wird das Trommelfell um das Mehrfache seines Durchmessers verdickt.

In Folge der Gefässarmuth der Substantia propria wird das von den Nachbarschichten in diese ergossene Exsudat nur schwer resorbirt, und die Residuen des Exsudats gehen nicht selten die kalkige Metamorphose ein.

Besonders häufig begegnet man solchen Kalkeinlagerungen nach Ablauf chronischer Mittel- ohreiterungen, seltener bei den ohne Eiterung ver- laufenden Mittelohrkatarrhen. Bisweilen beschränkt sich die Einlagerung von amorphen, körnigen Kaik- partikeln auf die Substantia propria, ohne merk- liche Verdickung des Trommelfells. Oefter jedoch ist sowohl die Cutis- wie die Schleimhautschichte mit in den Verkalkungsprocess einbezogen, wobei das Trommelfell um das Mehrfache des normalen Durchmessers verdickt wird. Ausgedehnte Ver- kalkungen dieser Art entwickeln sich meist bei chronischen Mittelohreiterungen, nach deren Ablauf

das verkalkte und verdickte Trommelfell entweder von der inneren Trommel- höhlenwand frei absteht oder in verschiedener Ausdehnung mit der Promontorial- wand verwächst. In beiden Fällen zeigt das verkalkte Trommelfell die Starrheit einer Pergamentplatte oder die Härte einer Eischale. Die Verkalkung betrifft nur ausnahmsweise die ganze Membran bis zur äussersten Peripherie. In den meisten Fällen bleibt der innerhalb des Sehnenrings gelegene, periphere Theil des Trommelfells unverkalkt.

Die histologische Untersuchung verdickter und verkalkter Trommelfelle ergibt, neben Massenzunahme der bindegewebigen Elemente der Schleimhaut- und

Fig. 12.

Durchschnitt der hinteren Hälfte des Trommelfells von einer 74jährigen, hochgradig schwerhörigen Frau. Abgelaufene Mittelohreiterung.Stapes rigid ; untere Hälfte des Trommel- fells verkalkt, in der oberen Hälfte zvyei durch Epidermisplatten verlegte Perforationsöffnungen. an = An- nulus tendinosus. ca = verdickte und verkalkte untere Hälfte des Trommelfells mit gelblichen Auflage- rungen an der Innenfläche. t = Epidermisplatte, die hintere Perfo- rationsöffnung verlegend. i ^ Incus. at = äusserer Attic.

24 Histologische Veränderungen an der Schleimhautschichte des Trommelfells.

Cutisschichte (Fig. 12 ca), Einlagerung von punktförmigen Kalkkörnchen und kleinen Fetttröpfcheu zwischen den Trommelfellfasern, Anhäufung von schwarz- braunem oder schwarzem Pigment in unregelmässigen Gruppen oder in den stern- förmigen Trommelfellkörperchen. Die Gewebselemente des Trommelfells sind un- deutlich, oder in eine homogene, faserige Masse umgewandelt, in der sich die Elemente der einzelnen Schichten nicht mehr unterscheiden lassen.

Das Vorkommen von wirklicher Knochenneubilduug im Trommelfelle wurde histologisch zuerst von mir beobachtet und beschrieben. ') Der Fall betraf ein an Phthisis pulmonum verstorbenes Individuum, bei dem sich in der verkalkten Partie hinter dem Hammergriff eine 0'5 mm grosse Knocheninsel vorfand. Dieser Befund wurde durch spätere Beobachtungen von Habermann und Gruber bestätigt.

Pathologische Veränderungen an der Schleimhautschichte des Trommelfells.

Die Mucosa des Trommelfells wird am häufigsten bei Erkrankungen der Mittelohrschleimhaut in Mitleidenschaft gezogen. Starke Blutfüllung des Gefäss- netzes dieser Schichte, besonders markant längs des Hammergriffs und an der Peripherie der Membran, ist bei acuten Mittelohrprocessen fast ausnahmslos zu finden. Blutaustretungen in Form hell- oder dunkelrother Ekchymosen längs des Hammergriffs oder an der Peripherie, entstehen bei acuten Entzündungen, be- sonders bei Influenza, Variola, Scorbut und bei traumatischen Erschütterungen. Sie werden entweder vollständig resorbirt oder hinterlassen circumscripte, bräun- liche Pigmentflecke in der Mucosa. An mehreren Präparaten fand ich nach ab- gelaufenen Mittelohreiterungen ausgedehnte Lymphgefässe mit stellenweise vari- cösen Erweiterungen, ein Befund, wie ich ihn zuerst bei der Otitis media suppurativa chronica in den tieferen Schichten der Promontoriumschleimhaiit beobachtet habe.

Die Bindegewebsschichte der Mucosa, mit der Substantia propria innig verbunden, wird bei den Entzündungen der Mittelohrschleimhaut durch Rund- •zelleninfiltration, Bindegewebswucherung und Gefässneubildung um das Mehrfache .ihres normalen Durchmessers verdickt. Die hiedurch bedingte Massenzunahme des Trommelfells erstreckt sich zuweilen über die ganze Membran, in anderen Fällen ist sie an einzelnen Stellen, besonders an der Peripherie, in höherem Grade entwickelt. In beistehender Abbildung (Fig. 13 mit), dem Präparate eines 74jährigen Mannes entnommen, erscheint nur der periphere Theil der Mucosa hypei-trophirt, während die den Hammergriff umgebenden Partien normal sind. In anderen Fällen hinwieder ist die Schleimhaut in der Umgebung des Umbo auffallend verdickt, während der periphere Theil normal oder atrophisch ist. Mehreremale fand ich das früher geschilderte, in variabler Entwicklung in der Schleimhautschichte vorkommende faserige Balkenwerk des Trommelfells (S. 15) hypertrophirt und leistenförmig über das Niveau der Innenfläche der Membran vorspringend.

') A. Politzer, Zur pathologischen Anatomie der Trommelfelltrübungen und deren Bedeutung für die Diagnostik der Gehörkrankheiten. Oesterr. Zeitsclir, f. prakt. Heilkunde. 1862.

Histologische Veränderungen an der )Schleimliautschiclite des Trommelfells. 25

-,A

7

/■

^r-t^>^rr

Fig. 13.

Durchschnitt durch das linke Trommelfell und den Hammer von einem 74jährigen tauben Manne. Im oberen Trommelhöhlen- raume, im Antrum und in den Warzen- zellen neugebildetes Bindegewebe und körnig zerfallendes Exsudat, Verdickung des Trommelfells und der Trommelhöhlen- schleimhaut. — t = äussere Fläche des Trommelfells. mu = periphere Ver- dickung der Mucosa des Trommelfells. te =z Annulus lendinosus. m = Hammer- kopf. — b ^ Processus brevis. ma = Manubrium mallei. c =: Knochendefeot im Hammergriff, durch Bindegewebe er- setzt. — 5 =: Membrana Shrapnelli. a z= äusserer Attic.

e d;^.

Fig. 14.

Durchschnitt der hinteren Hälfte des Trommelfells von einem SGjährigen, schwer- hörigen, an starken subjectiven Geräuschen leidenden Manne. Abgelaufene Mittelohr- eiterung. Perforation der Membrana Shrap- nelli. Trommelfell stark verdickt. Massen- zunahme der Substantia propria um das Mehrfache; in der gleichfalls verdickten Mucosa un regelmässige Cystenräume, welche grosse, kugelige, pigmentirte Fett- körnchenzellen einscbliessen. Dieverdickfe Trommelhöhlenschleimhaut und das neu- gebildete Bindegewebe im Attic sind eben- falls von Fettkörnchenzellen und Chole- stearinkrystalle enthaltenden Cysten durch- setzt. — < = äussere Fläche des Trommel- fells. — a -= Annulus tendinosus. c c' c" c'" = zellenhaltige Cystenräume in der Mucosa des Trommelfells. e =: un- tere Gehörgangswand. i i' =^ Incus.

Von anderweitigen pathologischen Vorkommnissen am Trommelfelle wären zu erwähnen: grössere polypöse Wucherungen und papilläre Excrescenzen, gestielte Cysten, cystische Eäume in der Mucosa, deren Inhalt, wie die

26 Seltene pathologiscb-auatomische Veränderungen im Trommelfelle.

beiliegende Abbildung zeigt, aus gi-anuliiten und pigmentirten Zellen besteht (Fig. 14c c c" c"), circumscripte und diffuse, weissliche oder pigmentirte Auf- lagerungen und Kalkincrustationen.

Zu den selteneren pathologischen Vorkommnissen am Trommelfelle zählen: Die Tuberculose des Trommelfells, die bisher stets als Begleiterscheinung der Tuberculose der Mittelohrschleimhaut beobachtet wurde. Sie tritt in Form von stecknadelkopfgrossen, gelbröthlichen Knötchen an der Innenfläche des Trommel- fells auf, welche durch die Substantia propria gegen die Cutisschichte vordringen und häufig zu mehrfacher Perforation und destructivem Zerfall des Trommelfell- gewebes führen. Sie kommen häufiger bei Kindern als bei Erwachsenen, bei allgemeiner Tuberculose oder Miliartuberculose vor, wie mehrere einschlägige Be- obachtungen von Hessler (Archiv f. Ohrenhk., Bd. XVII, S. 48), Lucae (Barde- leben"s Chirurgie, Bd. III) und Haberman (Handb. d. Ohrenhk., S. 238) beweisen. Meine Beobachtungen erstrecken sich über eine grössere Reihe von Fällen, auf welche wir bei den multiplen Perforationen zurückkommen werden (siehe Taf. VI, Fig. 8 9). Von syphilitischen Erkrankungen des Trommel- fells wurden das Gumma syphilit. und Papeln beobachtet. Ersteres sah Baratoux (Moure's Eevue mensuelle, T. V, pag. 372) neben mehreren, kleinen Gummata im Gesichte und an der Ohrmuschel, als kleines, opalescirendes, später zerfallendes Knötchen hinter dem Hammergriff. Ueber einen ähnlichen Fall berichtet Ravogli (Comptes rendus du Congr. otog. ä Milan 1880). Beob- achtungen über Papeln am Trommelfelle mit perforirendem Zerfall des Trommel- fellgewebes liegen von Triquet (Lecons cliniques, Paris, pag. 98), Lang (Patho- logie und Therapie der Syphilis, 1885, S. 461) und Grub er (Wiener med. Presse, 1870) vor. Lupus am Trommelfelle wurde von Gradenigo (AUgem. med. Zeitung, 1888, Nr. 33), ferner von Brieger und mir, stets nur im Anschluss an Lupus des äusseren Ohres oder an lupöse ülceration des Nasen- rachenraumes beobachtet. Von selteneren Neubildungen am Trommelfelle sind zu erwähnen, das von Mio t (Moure's Revue mensuelle, 1886, Nr. 3) beschriebene Fibrom, eine vom Hammergriff ausgehende fibröse Geschwulst, das von Wagenhäuser (Archiv f. Ohrenhk., Bd, XXVII, S. 162) beobachtete Naevus cutaneus vinosus, welches von der rechten Ohrgegend auf die hintere, obere Wand des Gehörgangs, und von hier auf das Trommelfell übergriff, das cavernöse Angiom am Hammergriff von Bück (Archiv f. Augen- u. Ohrenhk., Bd. II, S. 182) und eine von Todd beschriebene aneurysmatische Gefässneubildung.

III.

Die Ociüarinspection des äusseren Gehörgangs und

des Trommelfells.

Die ersten Anfänge der Instrumentalteclinik zur Untersuchung des äusseren Gehörgangs und des Trommelfells datiren aus dem XVII. Jahr- hundert. ^) In dem Werke von Fabricius von Hilden: »Opera obser- vationum et curationum medico-chirurgicarum, Francofortil646«, pag. 17. findet sich ein zangenförmiges Ohrspeeulum abgebildet, welches ohne Zweifel dem 200 Jahre später erfundenen Itard'schen und Kramer'schen Ohrenspiegel als Modell gedient hat. Das Instrument von Fabricius von Hilden scheint indess, nach dem Textinhalte zu schliessen, vorzugs- weise zur Erweiterung des Gehörgangs bei operativer Entfernung fremder Körper aus dem Ohre gedient zu haben (Fig. 15).

Die gespaltenen Ohrtrichter mit zangenfürmigen Branchen, von Itard in Frankreich und von Kr am er in Deutschland eingeführt, waren bis zur Mitte unseres Jahrhunderts allgemein in Gebrauch. Durch möglichst tiefes Einführen des gespaltenen Trichters in den knorpeligen Gehörgang und durch das Auseinanderdrängen der zwei Trichterhälften mittelst der zangenförmigen Branchen sollte der Gehörgang gerade ge- streckt und erweitert werden, um durch das direct einfallende Sonnen- oder Lampenlicht das Trommelfell zu beleuchten. Auch Bonnafont benützte noch einen gespaltenen Trichter, dessen beide Hälften durch

') Andeutungen über den Gebraucli eines Ohrspeeulum, ohne Angabe von Form und Aussehen desselben, finden sich bereits bei Pietro de la Cerlata, dem wir folgende Stelle (Chirurgia Lib. V, Tractat. IX, Cap. 9) entnehmen: »Si autem fuerit (sc. surditas) scitur per patientem et per inspectionem ad solem trahendo aurem et ampliando cum speculo aut alio Instrumente.« Auch Gabriel Fallopio (Opera omnia, Francof. 1606, Tom. II, Traet. VIII, Cap. 2, pag. 238) spricht über die Ohrimter- suchung mittelst eines Speculums; der Beschreibung eines solchen begegnen wir aber erst bei Fabricius von Hilden und bei Konrad von Solingen (Handgriffe der Wundarznei, AVittenberg 1712, ö. 155, Taf. III, Fig. 7).

28

Die Ocularinspection des äusseren Gehörgaugs und des Trommelfells.

eine seitlich am äusseren Trichterende angebrachte Schraube auseinander-

gedrängt Avurden.

Die Untersuchung mit den gespaltenen Ohrenspiegeln hat sich

indess als unzulänglich erwiesen. Zunächst deshalb, weil der knorpelige

Gehörgang sich überhaupt nur wenig er- weitern lässt und forcirte Erweiterungs- versuche mittelst des zangenförmigen Instruments schmerzhaft sind. Ferner wird beim Auseinanderdrängen der zwei Trichterhälften der Einblick in den tieferen Abschnitt des Grehörgangs dadurch be- hindert, dass die Härchen des knorpeligen Gehörgangs sich zwischen beide Trichter- hälften gegen das Gehörgangslumen vor- drängen. Da ausserdem die Untersuchung mit dem Itard-Kramer'schen Speculum bei direct einfallendem Sonnen- oder Lampenlicht geschieht, so muss der Kopf des Untersuchenden, um das Einfallen des Lichtes nicht zu hindern, sich so weit vom Ohre des Untersuchten fern halten, dass eine genaue Besichtigung der Details am Trommelfelle unmöglich ist.

Die gespaltenen Ohrspecula sind daher fast ganz ausser Gebrauch ge- kommen, und gegenwärtig ist die von Tröltsch in die Praxis eingeführte Untersuchung mit dem ungespaltenen Trichter und einem als Reflector dienen- den Hohlspiegel^) von den Ohrenärzten allgemein acceptirt.

0 h r t r i c h t e r. Die ungespaltenen Ohrtrichter wurden von Deleau und Ignaz Grub er in der ersten Hälfte un- seres Jahrhunderts in die Praxis eingeführt. Ihre Grösse und Form haben im Laufe der Jahre durch Arlt, Toynbee, Wilde und

Erhard manche Modificationcn erfahren. Sie bestehen aus Metall

mit polirter oder geschwärzter Innenfläche, gleichen entweder einem

') Der Hohlspiegel als Olirreflector wurde schon früher von Hoffmann angewendet. (Casper's Wochenschrift. 1841, Nr. 1.)

Nachbildung des Ohrspeculnm

ans dem citirten Werke des

Fabriciu.s Hildanus.

Die Ocularinspection des äusseren Gehörgangs und des Trommelfells.

29

abgestutzten Kegel (Fig. 16) oder einem geschweiften Trichter (Fig. 17) und besitzen entweder eine runde, ovale oder schräg abgesetzte End- öffnung, deren Verschiedenheit, ebenso wenig wie die Form der Ohr- trichter für den Geübten von Belang ist.

Zu Anfang der Sechzigerjaln^e habe ich anstatt der Metalltriehter solche aus schwarzem Hartkautschuk in die Praxis eingeführt (Fig. 18). Sie bieten den Vortheil einer weit grösseren Leichtigkeit, wodurch sie sicherer in der gegebenen Stellung im äusseren Gehör- gange verharren, als die schwereren Metalltrichter; auch hebt sich das Trommelfellbild schärfer von der dunklen Umgebung ab, als bei den polirten Metallspecula. Nebstdem verursachen die Kautschuk- trichter als schlechte Wärmeleiter nicht das unangenehme Kältegefühl

Fig. 16.

Trichter von Wilde.

Fig. 17.

Trichter von Erhard.

, Fig. 18.

Hartkautschuktrichter des

Verfas.sers.

im Ohre wie die Metalltrichter. Die aus Glas, Aluminium, Celluloid und Elfenbein gefertigten Specula haben keinen Eingang in die Praxis gefunden.

Entsprechend der individuellen Verschiedenheit in der Weite des normalen Gehörgangs und mit Rücksicht auf pathologische Ver- engerungen desselben, sind vier verschiedene Grössen von Ohrtrichtern. im Durchmesser von 8, 6, 4 und 2 mm an der Trichteröffnung, im Gebrauch.

Reflectoren. Die Beleuchtung des Trommelfells wird mittelst eines in der Mitte durchbohrten, mit einem Handgriffe versehenen Hohl- spiegels (Fig. 19) bewerkstelligt, dessen Durchmesser 7 10 cm, dessen Brennweite 12 15 cm beträgt. Mit diesem Reflector wird das Licht durch den in den Gehörgang eingeführten Trichter reflectirt, und die im äusseren Gehörgange und am Trommelfelle wahrnehmbaren Ver- änderungen in voller Klarheit zur Anschauung gebracht. Lucae empfiehlt bei Beleuchtung mit Sonnenlicht den Gebrauch eines Planspiegels.

30

Die Ocularinspection des äusseren Gehörgangs und des Trommelfells.

Bei allen Manipulationen im äusseren Gehörgange oder bei opera- tiven Eingriffen im Ohre, bei welclien die Action beider Hände erforderlich ist. wird der Reflector entweder mittelst der Semeleder' sehen Stirnbinde am Kopfe, oder noch zweckmässiger, mittelst einer halbkreisförmig gebogenen, an Stirne, Scheitel und Hinterkopf sich an- schmiegenden, starken Metallfeder hxirt, die in ihrer Mitte durch

Fig. 20.

Hintere Ansicht des Hohlspiegels mit einer

Vorrichtung zur Aufnahme einer Cor-

rectionslinse (Va Grösse).

ein Charnier zusammenlegbar, auch als Handgriff bei der gewöhnlichen Ocular- inspection dienen kann. Das Fixiren des Spiegels mittelst eines zwischen den Zähnen gehaltenen, gerifften Griffes ist aus Reinlichkeitsgründen und wegen baldiger Ermüdung der Kiefermusculatur nicht zu empfehlen. Lucac fixirt den Reflector mittelst eines stabförmigen Halters an der Schulter des Patienten. Die Fixirung des Reflector s am Dau- men der linken Hand durch einen verstellbaren Ring (Trautmann, Archiv f. Ohrenhk., 1873, VH, S. 89) ist nur liei kurzdauernden Manipulationen im Ohre verwendbar; bei län- sreren. intraauriculären Eingriffen unzureichend.

Bei Refractionsanomalien des Auges muss, zur Erhaltung deut- licher Trommclfellbilder, der Reflector mit entsprechenden Corrections- linsen montirt werden (Fig. 20). Kurzsichtige massigen Grades bedürfen

Fig. 19.

In der Mitte durchbohrter Hohl- spiegel mit Handgriff ('/■> Grösse).

Die Ocularinspection des äusseren Gehörgangs und des Trommelfells. 31

keiner Correctionslinsen, da ihnen das Trommelfellbild in entsprechender Entfernung auch mit unbewaffnetem Auge klar und etwas grösser als bei Normalsichtigen erscheint. Bei Presbyopen und Hypermetropen hingegen ist die Benützung einer der Refractionsanomalie entsprechenden Convexlinse unbedingt noth wendig, weil ohne eine solche das Trommel- fellbild verschwommen und undeutlich wird. Die Correctionslinse wird am zweckmässigsten an einem an der hinteren Seite des Reflectors angebrachten, mit einem Falze versehenen Halbring aus Metall befestigt,^ der durch ein am oberen Griffende angebrachtes Charniergelenk von der Oeffnung im Reflector entfernt Averden kann.

Beleuchtung des Trommelfells. Zur Beleuchtung des Trommelfells bedient man sich entweder des gewöhnlichen Tageslichts oder einer künstlichen Lichtart. Das Tageslicht ist, voraus- gesetzt, dass es genügend intensiv ist, schon der Bequemlichkeit halber allen anderen Lichtarten vorzuziehen. Es bringt die Farben- nuancen des Trommelfells unverändert zur Anschauung, während künstliches Licht der Farbe des Trommelfells einen röthlichen oder gelblichen Ton verleiht. Am günstigsten erweist sich das von einer weissen Wolke oder von einer weissen, sonnenbeschienenen Wand reflectirte, diffuse Tageslicht für die Beleuchtung des Trommelfells, minder günstig das reflectirte Licht eines klaren, tiefblauen Himmels^ durch welches das Trommelfell eine dunkelgraue, bläuliche Färbung erhält.

Das Sonnenlicht, für die gewöhnliche Untersuchung im All- gemeinen zu blendend, eignet sich vorzüglich zur Durchleuchtung der Membran bei Exsudatansammlung in der Trommelhöhle und zur Diffe- renzirung von Geftissverzweigungen und gewisser Auf- und Einlagerungen im Trommelfelle. Diffuses Tageslicht ist der Untersuchung häufig- hinderlich. Um es abzublenden und das Bild auf der Netzhaut schärfer hervortreten zu lassen, empfiehlt es sich nach Wintrich, das Licht durch eine grössere Oeffnung in einem geschlossenen Fensterladen oder in einem Fensterrouleaux auf den Reflector einfallen zu lassen.

In ungünstig beleuchteten Localen, bei trübem, regnerischem Wetter, bei grauer, nebliger Atmosphäre im Herbst und Winter erweist sich indess das Tageslicht als ungenügend, und ist ihm die künstliche Beleuchtung- vorzuziehen.

Ich benütze seit mehreren Jahren das Auer'sche Gasglüh- licht, bei welchem ein mit gewissen Metallsalzen imprägnirter Tüll- cylinder durch einen Bunsen'schen Gasbrenner zum Glühen gebracht wird. Der Auer'sche Brennkörper liefert ein ziemlich farbloses weisses Licht, das die Farbe des Trommelfells nur wenig alterirt>

32 Die Ocularinspection des äusseren Gehörgangs und des Trommelfells.

Hingegen erhält das Trommelfell bei Beleuchtung mit gewöhnlichem Gaslicht oder mit Gel und Petroleum einen störenden, röthlichgelben Schimmer. Das elektrische Licht ist nur dann mit Vortheil zu ver- wenden, wenn man sich grosser Bogenlampen bedient, von welchen das Licht mittelst des Ohrspiegels in den Gehörgang reÜectirt wird. Die zahlreichen, in neuerer Zeit construirten elektrischen Ohr Spiegel, bei denen das Trommelfell durch kleine, am Apparate selbst ange- brachte Glühlämpchen, ohne Zuhilfenahme des Ohrrefleetors beleuchtet wird, sind wegen zu geringer Lichtintensität unzureichend. Die Zuhilfe- nahme von Hohlspiegeln oder Convexlinsen behufs Erhöhung der Lichtintensität ist bei genügender Stärke der angewendeten Lichtart überflüssig. Ueberdies hat der längere Gebrauch von Sammellinsen den Nachtheil, dass die Netzhaut dadurch zu stark gereizt wird.

Vergrösserte Trommelfellbilder. Der optischen Ver- grösserung der Trommelfellbilder wurde bisher in diagnostischer Be- ziehung eine geringere Bedeutung beigemessen, als ihr in der That zukommt. Durch Benützung geeigneter Vergrösserungsapparate gelingt es nämlich, eine Reihe minutiöser Details, wie Gefässramificationen, kleine Auflao^erunffcn, Vertiefuno-en und Erhabenheiten an der Oberfläche der Membran, bewegHche Exsudate und Luftblasen in der Trommelhöhle in überraschender Klarheit zur Anschauung zu bringen, welche bei der gewöhnlichen Untersuchung der Beobachtung entgehen. Zur Vergrösserung des Trommelfellbildes bedient man sich biconvexer Linsen, die ent- weder in der Lichtung des Trichters in leicht schräger Stellung zur Trichterachse fixirt (Auerbach, Naturf.-Vers. Hamburg 1876), oder durch eigene Vorrichtungen im Trichter selbst verschoben werden können. Convexlinsen von grösserer Brennweite, an der hinteren Fläche des Reflectors angebracht, geben oft deutliche, im Ganzen jedoch massig vergrösserte Bilder.

Die Ohrlupe Voltolini's (Monatsschr. f. Ohrenhk., 1873, Nr. 8 u. 12), in welchem Trichter, Eeflector und Vergrösserungslinse in einem Stück vereinigt sind, das Weber- Liel'sche Ohrmikroskop (Monatsh. f. Ohrenhk., 1876, X, Nr. 10) leisten nicht viel mehr als einfache Biconvexlinsen und sind wegen ihrer geringen Lichtintensität und ihrer umständlichen Handhabung nicht zu empfehlen. Desgleichen das von Hinton (Med. Times, 25. Januar 1868) empfohlene Demonstrationsauriskop (eine Modi- fication des Brunton'schen Spiegels mit einem seitlich angebrachten Ocular), sowie der von Berthold (Berliner klin. Wochenschr., 1875, Nr. 25) angegebene Apparat, an dem zwei Beobachter gleichzeitig das Trommelfell untersuchen können. Das von Czapek i (Zeitschr. f. wissenschaftl. Mikroskopie u. mikroskop. Technik, J888, V, S. 325) constnürte elektrische Mikroskop liefert wohl deutlichere Vergrüsserungs- bilder, doch wirkt der Umstand, dass die Trommelfellbilder umgekehrt erscheinen, .störend auf die Untersuchung.

Die Ocularinspection des äusseren Gehörgangs und des Trommelfells.

33

In neuerer Zeit hat Dundas Orant einen einfachen Ohrtrichter construirt, der die Ausführung von operativen Eingriffen im vergrösserten Trommelfellbilde ermöglicht. Er besteht aus einem 5 cm langen Trichter, dessen weite Oeffnung 3 cm misst. Der in den Gehürgang einzufügende Theil des Trichters hat eine AVeite von 0"5 cm. Nur der engere Theil des Trichters ist in der Länge von 1 cm als Eöhre geformt, während von dem übrigen Theile des Trichters bis zu seiner weiten Mündung ein Drittel der Circumferenz fehlt. Durch diese weite Lücke können alle winklig ab- gebogenen Instrumente in den Gehörgang eingeführt werden. Am weiten Trichter- rande ist mittelst eines Charniergelenks die Hälfte einer biconvexen Linse angebracht, durch welche die Yergrösserung des Trommelfellbildes bewirkt wird. Die binoculäre Otoscopie (de Eossi, Berthold) bietet keine besonderen Vortheile.

Pneumatischer Oli r t r i c li t e r. Dieser dient zur Verdünnung und Verdichtung der Luft im äusseren Gehörgange, wodurch die Be- Aveghchkeit der einzelnen Theile des Trommelfells untersucht wird.

Dieser Trichter, durch

dessen Erfindung sich Siegle ') ein unsterbliches Verdienst erworben hat, besteht (Fig. 21) aus einer kurzen,C7hndrischen Trommel, die mittelst eines Schraubengewindes mit einem in den äusseren Gehörgang luftdicht ein- zufügenden Ansätze ver- bunden wird. Der cylin- derförmige Theil des Trichters wird durch eine schräg eingesetzte dünne Glasplatte abgeschlossen, welche, zur Vermeidung störender Lichtreflexc, so' tief wie möglich in den CyHnder eingefügt werden muss. An der Seitenwand des Cylinders mundet innerhalb der Glas- platte eine kurze, oHvenförmige Röhre, die durch einen ^j^ m langen Kautschukschlauch mit einem kleinen Ballon verbunden wird. Im Allgemeinen genügen zur Untersuchung drei verschieden weite Ansätze, deren Durchmesser dem der gebräuchlichen Ohrtrichter entspricht. Um diese Ansatzstücke luftdicht in den äusseren Gehörgang einzufügen, wird ihr unteres Ende mit einem kurzen elastischen Kautschukschlauche tiberzogen. Derselbe Zweck wird jedoch in den meisten Fällen erreicht durch eine ohvenförmio-e Anschwellung des Ansatzes (Delstanche), welcher sich dem Anfangstheile des äusseren Gehörgangs luftdicht anpasst.

1) Deutsche Klinik. 1864. Politzer, Atlas der Beleuchtungsbilder des Trommelfells. 2. Aufl. 3

Fig. 2L

Siegle's pneumatischer Ohrtrichter ('^ der wirklichen Grösse).

34 Technik der Ohrspiegeluntersiiclumg.

Technik der Olirspiegeliiiitersiiclmiig.

Eei der Besichtiginig des Trommelfells hat man in erster Linie darauf zu achten, dass der Kopf des Kranken und der des Arztes sich müg-Jichst in gleicher Höhe befinden, nm das Sehfeld ohne Sch^vierigkeit in die directe Augenachse zu bringen. Demnach wird der Patient stehend oder sitzend untersucht, je nachdem dies die Körper- grösse des Patienten im Verhältnisse zu der des Arztes erheischt.

Stets ist hiebei der Kranke so zu stellen, dass das zu unter- suchende Ohr mehr vom Lichte ab- als demselben zugewendet sei. Am zweckmässigsten ist die Stellung des Kopfes eine solche, dass eine durch den Scheitel gezogene Ebene mit der der Lichtquelle 45'' bildet. Dadurch wird es möglich, das auf den Hohlspiegel auffallende Licht ebenfalls unter einem Winkel von 45*^ voll in die Lichtung des äusseren Gehür- gangs zu reflectiren. Bei dieser Kopfstellung wird die Ohrmuschel mit dem linken Zeige- und Mitteltingcr nach rück- und aufwärts gezogen, wodurch die zu einander im Winkel stehenden Achsen des knorpeligen und knöchernen Gehörgangs in eine mehr gerade gestreckte Leitungs- linie ausge^'lichen und ein freierer Einblick auf das Trommelfell gewonnen Avird. Nun führt man den mit Daumen und Zeigefinger der rechten Hand gefassten Trichter in die Ohröffnung ein und schiebt ihn mit leicht rotirenden Bewegungen in den knorpeligen Gehörgang so weit vor, bis die radiär in das Gehöi'gangslumen hineinragenden, den Einblick auf das Trommelfell behindernden Härchen bei Seite gedrängt sind. Man vermeide es, den Trichter bei massigem Wider- stände o^ewaltsam sreoren den knöchernen Gehörgang A^orzuschieben, weil hiedurch Schmerz und andere lästige Reflexsymptome hervorgerufen werden. Trotz sorgfiütiger Einführung des Trichters wird man in ein- zelnen Fällen durch Ohnmachtsanfälle, epileptiforme Krämpfe und einen unang'enehmen Reflexhusten überrascht, die indess rasch vorübergehen. Den durch Reizung des Nerv, auricul. vagi hervorgerufen Reflexhusten beobachtet man besonders bei alten Lidividuen.

Nach regelrechter Fixirung des Trichters im äusseren Gehöi'gange wird durch den in der rechten Hand gehaltenen, an die Glabella leicht angelehnten Reflector das Licht iu den äusseren Gehörgang gewoi'fen. Hiebei muss das Auge dem Ohi-e so weit genähert werden, dass das in den Gehörgang reflectirte Licht das Trommelfell mit seiner grösst(?n Intensität trifft. Um das Trommelfell möglichst zu übersehen, muss die Oentralöffnung des Spiegels, jiintcr der sich das untersuchende Auge l)efiiidet, genau mit der Achse des Ohrtrichters cori'espondiren. Die Untersuchung geschieht in der Regel nur mit jeueni Auge, vor dem

Teclinik der Ohrspiegelimtcrsncliung. 35

(1er Spici^vl g-('halteii wird. Um durch das wScliliesscn des anderen Aii<>'cs nicht zu ennüdeii, ist es zweckmässig', sich daran zu n'ewülnien, Avährend der ( )cu]arinspection beide Augen offen zu halten.

Bei richtiger Einstellung des Trichters gelingt es wohl häuhg, die an den Gehörgangswänden und am Trommelfelle vorkommenden Ver- jindei-ungen ohne weitere Manipulation zu überblicken. Nicht selten jedoch sind seitliche Verschiebungen des Trichters mit dem freigebliebenen Daumen und eine entsprechende Ortsveränderung des Spiegels und des Kopfes nothwendig, um die einzelnen Theile des Gehörgangs und des Trommelfells übersehen zu können.

Hindernisse bei der 0 1 o s c o p i e. Die Hindernisse, die sich im normalen Zustande der Untersuchung des Trommelfells ent- gegensetzen, liegen theils im knorpeligen, theils im knöchernen Gehör- gange. Von den Hindernissen im knorpeligen Gehürgang.e sind hervorzuheben: Der reichliche, zuweilen bis in den knöchernen Theil sich erstreckende Haarwuchs, kleinere oder grössere, wandständige, das Gehörgangsjumen verlegende Ceruminal- und Epidermisanhäufungen und abgestossene Epithelplatten, welche in Form fadenförmiger Brücken oder perlmutterartig glänzender Membranen im Gehörgange ausgespannt sind. Diese können bei tieferem Sitze im knöchernen Abschnitte des Gehör- gangs dem minder Geübten als Trommelfell imponiren.

Diese Hindernisse müssen bei der Otoscopie gründlich beseitigt werden. Bei Anhäufung von Ceruminal- und Epidermismassen in den tieferen Partien gelingt es am sichersten, den Gehörgang durch lauwarme Injectionen zu reinigen. Erweist sich die Ablagerung im Gehörgange als hart und festhaftend, so lässt man vorher eine er- weichende Sodaglycerinlüsung in den Gehörgang einträufeln. Die Heraus- beförderung eingedickter Massen aus der Tiefe des Gehörgangs mittelst OhrlöfFel oder Pincetten ist schmerzhaft und zeitraubend. Hingegen können kleinere, wandständige Ceruminalpartikel im knorpeligen Gehör- gange und abgestossene Epidermisplatten mittelst einer zweckmässig construirten Pincette oder eines Ohrlöflfels aus Hartkautschuk entfernt w^erden. Die A^on mir angegebene Pincette mit länglichen, gerifften Löffeln und gekreuzten Branchen hat den Vortheil, dass diese im Gehörgange stärker auseinanderweichen können, daher sicherer fassen, als Pincetten mit nicht gekreuzten Branchen. Analos; construirte Pincetten kleineren Calibers eignen sich vortrefflich zur Entfernung kleiner Partikel aus den tieferen Abschnitten des Gehörgangs (Blake).

Als die wichtigsten, nicht zu beseitigenden Hindernisse, Avelche sich im Normalen der genauen Besichtigung des Trommelfells entgegen- stellen, sind hervorzuheben: Die während des Wachsthums des vSchläfe-

36

Technik der Obrspiegeluntersuchuiig.

beins entstehenden spaltfünnigen Verengerungen des k n ö c li e r n e n G e L ö r g a n g s und die übermässige VorwöllDung der vorderen, unteren, knöchernen Geliörgangswaud. Mit diesen Hindernissen geht einerseits eine ungenügende Beleuchtung des Sehfeldes Hand in Hand, anderseits werden durch die Einengung des Sehfeldes grössere Partien des Trommelfells \erdeckt, die Eruirung pathologischer Details an diesem behindert, und die Ausführung gewisser tympanaler oder intratympanaler Operationen erschAvert. Am häufigsten ist es die übermässige Vorwölbung der vorderen Gehörgangswand, durch welche nicht nur der vordere, untere Theil des Trommelfells, sondern zuweilen auch der grössere Theil des Hammer-

a h c d

Fig. 22.

griflfs so weit verdeckt wird, dass nur ein Theil des hinteren, oberen Quadranten der Membran der Besichtigung zugänglich ist (Fig. 22 g und h). In Folge der individuell verschiedenen Wölbungsverhältnisse der Gehürgangs wände unterliegt die Form des Umrisses des Trommelfells vielfachen Varietäten. Bei weiten, gerade gestreckten Gehörgängen mit wenig gewölbten Gehürgangswänden erhält man eine vollkommene Uebersicht des ganzen Trommelfells. Seine Umrisse nähern sich abgesehen von der durch die Neigung bedingten Formveränderung einigermassen der anatomischen Form mit einer der Membrana Shrapnelli entsprechenden, leichten Ausbuchtung am vorderen, oberen Pole des Trommelfells und ciiu'r geringen Einbiegung an der vorderen Periphciüc der ]\l('ml)ran, welche der convcxen Wölbung der vorderen Gehörgangs- wand entspricht (Fig. 22 a). Dies(i Form des Umrisses ist es, die ich der

Untersuchung des Tronunelfells mit dem pneumatisclien Triclitcr. 37

Einlieitliclikcit halber bei der Darstellung der Trommelfcllbilder in dem vorliegenden Werke geAväblt habe. Von diesem Umriss des Sehfeldes finden sich indess zahlreiche Abweichungen. Am häufigsten zeigt das Trommel- fell einen birnförmigen Umriss, dessen Spitze entsprechend der Memln'ana Shrapnelli nach vorn und oben gerichtet ist, während die ])reite Basis nach hinten und unten sieht (Fig. 22 b). Durch die gleich- zeitige Vorwülbung der vorderen, unteren und hinteren Gehörgangswand wird der Umriss des Trommelfells vielfach modificirt und sein sicht- bares Areale mehr oder weniger eingeengt (Fig. 22 c, d^ e, f). Die auffälligste, durch unregelmässige Wölbungsverhältnisse der Gehörgangs- wändc bedingte Form des Trommelfellbildes ist die Sanduhrform (Fig. 22 e und /). Es muss indess betont werden, dass der durch die Wölbungsverhältnisse der Gehörgangswände bedingte Umriss des Trommelfellbildes etwas geändert wird, wenn während der Inspection durch leichte Bewegungen des Kopfes die Augenachse ihren Ort wechselt. Die Hindernisse, die sich der Untersuchung des Trommel- fells in pathologischen Fällen entgegenstellen, sind mannigfach.- Von den primär oder secundär im äusseren Gehörgange sich entwickelnden krankhaften Veränderungen, welche die Besichtigung des Trommelfells temporär oder dauernd behindern oder ganz unmöglich machen, sind zu erwähnen: Die Exostosen und Hyperostosen des äusseren Gehörgangs, die mit Schwellung einhergehenden Entzündungen der Auskleidung des äusseren Gehörgangs, bindegewebige Stricturen desselben, Granulationen und Polypen, Ansammlung von Cerumen, Epidermis, Eiter und Schleim, hämorrhagische Extravasate und Fremdkörper.

Untersuchung des Trommelfells mit dem pneumatisclien Trichter.

Die Untersuchung mit dem pneumatischen Trichter (siehe S. 33) wird ausgeführt, indem man das im Gehörgange luftdicht eingeführte Instrument mit der linken Hand so fixirt, dass der Reflex der Glasscheibe bei der Untersuchung nicht störend wirkt. Hierauf wird mit dem an der Stirne befestigten Reflector das Trommelfell beleuchtet und die Luft im äusseren Gehörgange durch den in der rechten Hand gehaltenen Ballon abwechselnd verdichtet und verdünnt. Hiebei hat man auf die Beweglichkeit der einzelnen Partien des Trommelfells und auf die Mobilität des Hammers zu achten.

Um in pathologischen Fällen den diagnostischen Werth des pneu- matischen Trichters beurtheilen zu können, ist es nöthig, vorher die durch ihn bewirkte Mobilität des normalen Trommelfells kennen zu lernen. Im normalen Zustande beobachtet man nun bei abwechselnder

33 Untei-suchung des Trommelfells mit dem pneumatischen Trichter.

Verdichtung und Verdünnung der Luft im äusseren Gehörgange eine merkliche Bewegung am Trommelfelle, die namentlich in der Mitte zwischen Peripherie und Hammergritf am stärksten ist, während die dem Hammergriff benachbarten Theile des Trommelfells nnd dessen Peripherie eine weit geringere Beweglichkeit zeigen. Am auffälligsten erscheint die Bewegung durch die Formveränderung des Lichtreflexcs, der Avährend der Verdichtungsphase schmäler und kürzer wird.

Der Grad der Beweglichkeit des Hammergriffs bei Prüfung mit dem Siegle'schen Trichter zeigt schon im Normalen merkliche Differenzen. Während der Verdichtungsphase rückt entweder nur das untere Hammergriftende nach hinten und innen, oder der ganze Hammergriff' vollzieht eine Bewegung- in dieser Richtung, wobei er scheinbar eine kleine Drehung nm seine Längsachse ausführt.

Der Siegle'sche Trichter wird diagnostisch mit Vorthcil benützt in allen Fällen, wo es sich darum handelt, festzustellen, ob die B e w e g- 1 i c h k e i t des Trommelfells durch Verdickung seiner Schichten vermindert oder durch Atrophie und Narbenbildung vermehrt ist. Ebenso kann durch den pneumatischen Trichter festgestellt werden, ob das Trommelfell oder einzelne Partien desselben mit der inneren Trommelhöhlenwand verwachsen sind oder nicht. Man rindet nämlich bei abwechselnder Verdünnung und Verdichtung der Luft im äusseren Gehörgange, dass jene Theile des Trommelfells, die mit der Trommelhöhlenwand verwachsen sind, u n b e w e g 1 i c h bleiben oder nur eine geringe Beweglichkeit erkennen lassen, während die nicht a d h ä r e n t e n Partien starke E x c u r s i o n e n aus- führen. Auch lässt sich der pneumatische Trichter in einer Reihe von Fällen zur Diagnose von Verwachsung des Hammerkopfes mit der oberen Trommelhöhlenwand oder des unteren Griffendes mit dem Pro- montorium verwerthen, da bei diesen Adhäsivprocessen die Mobilität des Hammergriffs ganz aufgehoben ist.

Die durch den pneumatischen Trichter bcAvirkten Luftdruck- schwankungen im äusseren Gehörgange üben einen sichtbaren Ein- fluss auf die Füllung der Blutgefässe am Trommelfelle und an den Gehörgangs wänden. Verdichtet man bei starker Injection des Trommelfells die Luft im Gehörgange, so wird das Trommelfell und die Auskleidung des Gehörgangs sofort viel blässer und ebenso sieht man bei perforirtem Trommelfelle die Hyperämie der Schleimhaut der Promontorialwand zum Theile oder ganz schwinden. Umgekehrt wird durch Luftverdünnung im Gehörgange eine Injection der Hammergriff- gefässe erzeugt und bei schon bestehender Trommelfellh^^perämie diese gesteigert.

J)ie intratympanale Otoscopie. QQ

Das pncuniatiscbe Speculum findet auch bei den secretorischen (^atarrhen und l)ei den eitrigen Mittelohrentzündungen vielfache diagno- stische und therapeutische Verwendung. Es sei hier nur darauf hin- gewiesen, dass man bei Ansammlung seröser oder schleimiger Secrete in der Trommelhöhle, bei abwechselnder Verdünnung und Verdichtung der Luft im äusseren Gehörgange die Bewegung der Secrete durch das Trommelfell hindurch beobachten kann. Nach der Paracentese sehen wir das aus der Trommelhöhle aspirirte Secret durch die Schnitt- öffnung im Trommelfelle hervortreten. Ebenso gelingt es häufig durch den pneumatischen Trichter die Perforation des Trommelfells und ihre Localität festzustellen, wenn uns die anderen Untersuchungsmethoden im Stiche lassen. Näheres hierüber im speciellen Theile.

Die intratympanalc Otoscopie.

Bei der gewöhnlichen Otoscopie können wir, selbst bei vollständiger Zerstörung des Trommelfells, nur die seinem Areale entsprechende Pro- jectionsfläche der inneren Trommelhöhlen wand übersehen, keineswegs aber die pathologischen Veränderungen im Attic und in anderen, der directen Otoscopie unzugänglichen Theilen der Trommelhöhle zur An- schauung bringen. Dieser Zweck wird durch die intratympanalc Oto- scopie angestrebt, die in der Einführung kleiner Spiegelchen in die Trommelhöhle besteht, deren obere und seitliche Theile dadurch indirect besichtigt werden können.

Prussak hat zuerst im Laboratorium C. Ludwig's ein kleines Spiegelchen zum Studium des Verhaltens der Blutgefässe in der Trommel- höhle bei Thieren angewendet. Li die Praxis wurde das Trommelhöhlen- spiegelchen indess von Prof. Blake in Boston und von v. Tr ölt seh eingeführt, die sich kleiner, an biegsamen Drahtstielen befestigter Metall- spiegelchen bedienten. Docent Dr. B i n g ^) vereinigt Trichter und Spiegelchen in der Weise, dass dieses an der Innenwand des Trichters verschiebbar, durch entsprechende Rotationen des äusseren Trichter- endes gegen die einzelnen Regionen der Trommelhöhle eingestellt werden kann. Ricardo B o t e y in Barcellona, der in letzter Zeit die intratympanalc Otoscopie zum Studium eingehender Untersuchungen gemacht hat, bedient sich wieder des einfachen, polirten Metall- spiegelchens.

') Bericht über die Versammlung süddeutscher und schweizerischer Ohrenärzte in Wien. 1887. Archiv für Ohrenheilkunde. Ed. XXV.

40 3^*6 intratyiupanale Otoscopie.

Das gracile Instrument Bote y's (Fig. 23) Ijesteht aus einem 9 cm langen, biegsamen Silberstiel, der am vorderen Ende ein 4 5 mm im Durchmesser habendes, gut polirtes Metallspiegelclien trägt. Zur Ver- hütung eines Xiederschlages an der polirten Fläche ist das Spiegelchen vor der Einführung leicht zu erAvärmen.

Die Untersuchung geschieht in der Weise, dass der Ohrtrichter mit der linken Hand fixirt und bei voller Beleuchtung mit dem an der Stirne befestigten Reflector, das am hinteren Stielende gefasste Spiegel- chen vorsichtig bis hinter die Perforationsöffnung vorgeschoben wird. Durch leichtes Drehen des Instruments um seine Längsachse können nacheinander der obere, hintere und vordere Theil der Trommelhöhle im Spiegelbilde gesehen und manche für die Diagnose wichtige Ver- änderunoren erkannt werden.

Fig. 23.

Es ist klar, dass die intr^t3aiipanale Otoscopie nur bei besonders günstigen anatomischen Verhältnissen, nämlich bei weitem Gehörgange, bei ausgedehnten Trommelfelldefecten und bei stark von der inneren Trommelhöhlenwand abstehendem Trommelfellreste ein befriedigendes Ergebniss liefern kann. Um aber das Gesehene auch richtig deuten zu können, bedarf es eingehender Vorübungen an macerirten Schläfe- beinen und an nicht macerirten Ohrpräparaten, an denen das Trommelfell entfernt wurde. Nur dann lässt sich bei der Kleinheit des Spiegelbildes in pathologischen Fällen die Abweichung von der Norm erkennen.

Von den durch die intratympanale Otoscopie nachweisbaren Ver- änderungen, auf die wir im speciellen Theile noch zurückkommen werden, sind hervorzuheben: Adhäsionen zwischen Hammergriff und innerer Trommelhöhlenwand, Granulationen und Bindegewebsncubildung im Attic und am Ost. tymp. tubae, Veränderungen am Hammeramboss- körper und in den Fensternischen, nekrotischer Knochen im Attic und an der hinteren Trommelhöhlenwand und die Ausdehnung und Be- schaffenheit cholesteatomatöser Höhlen im Schläfenbeine, die der gewöhn- lichen Ocularinspcction unzugänglich sind.

iJio Uenützimg der Sondts Ijci der Ocidiirinspectiou des Troiuiiielfells. 41

Die HcMiiitziiu^- clor Similc hei der (k"uliU'i»si>(H'ti<m <los Trommelfells.

Den bisher geschilderten diagnostischen Behelfen ist noch di(! LI n t c r s u c h u n g mit d e r 8 o n d e anzureihen. Sie kann in einer Reihe von Fällen zur Sicherstellung der Diagnose nicht umgangen werden. Ich benütze zwei verschieden starke Sonden, von denen die eine eine gewöhnliche Knopfsondc, in der Mitte winkelig gebogen, am hinteren Ende zum bequemen Fassen mit einem entsprechend breiten Flügel versehen ist. Die zweite ist, gleich der Anellischen Silbersonde, sehr zart und dünn gearbeitet und leicht geknöpft. Sie dient vorzugs- weise zur Sondirung des Pr u ss ak'schen Raumes bei Perforation der S h r a p n e 1 l'schen Membran, uin Caries des Hammers oder des Margo tynip. nachzuweisen, ferner, um Rauhigkeiten oder Vertiefungen an der inneren Trommelhöhlenwand aufzufinden und die Beweglichkeit der Gehörknöchelchen, insbesondere des freiliegenden Stapes zu prüfen.

Das normale Trommelfell ist gegen mechanische Reize sehr em- pfindlich. Berührt man mit einer Knopfsonde die Stria malleolaris oder andere Partien des Trommelfells, so entstehen schon bei dem geringfügigsten Drucke kleine Ecchymosen, die nur allmälig ver- schwinden, indem sie vom Centrum gegen die Peripherie wandern. Aehnliche Blutaustritte entstehen auch durch die Sondenberührung des Trommelfelles bei den nicht perforativen Mittelohrcatarrhen. Hingegen zeigt das entzündete Trommelfell bei der Myringitis, der Otitis med. acuta und bei den Mittelohreiterungen eine geringere Reaction gegen mechanische Berührung.

Die Sondirung zu diagnostischen Zwecken findet vorzugsweise Anwendung bei den A d h ä s i v p r o c e s s e n zwischen Trommel- fell und innerer T r o m m e 1 h ö h 1 e n w a n d, ayo es durch die anderen Behelfe nicht gelingt festzustellen, ob einzelne Partien der Membran an die Promontorialwand angelöthet sind oder nicht. Im ersteren Falle ergibt die Sondirung im Umkreise der Adhärenz die resistente Knochemvand des Promontoriums, während die nichtadhärenten von der Innenwand der Trommelhöhle abstehenden Partien nachgiebig unfl leicht eindrückbar sind.

Einen wichtigen diagnostischen Behelf liefert die Sondirung bei Granulationen und Polypen am Trommelfellreste und in der Trommelhöhle. Hier lässt uns die Ocularinspection bezüglich des Sitzes und der Ursprungsstelle der Wucherungen häufig im Stiche, während wir hierüber durch die Sondirung meist vollständig aufgeklärt werden. So lassen sich nicht selten kleine, scheinbar am Trommelfelle auf- sitzende Polypen durch die Sondirung bis in die Trommelhöhle ver- folgen und umgekehrt erweisen sich Pol^^pen und Granulationen, die

42 Die Benützui-ig der 8onde bei der Ocularinspection des Trommelfells.

aus der Trommelhöhle hervorzinvnchern scheinen, Lei der Sondenunter- suchiino; als vom Trommelfellreste aiiss-ehend. Auch hei ausgedehnten Trommelfelldefecten kann das gerüthete, aus der Ebene der inneren Trommelhöhlenwand stark vorspringende Promontorium einen Polypen vortäuschen; die Betastung der resistenten und harten Unterlage mit der Sonde zeigt uns sofort, dass wir das gerüthete Promontorium vor uns haben. Desgleichen kann, Avie Avir im speciellen Theile sehen werden, bei kleinen Polypen im vorderen, oberen Theile des Sehfeldes durch die Sonde entschieden Averden, ob man einen AAärklichen Polypen oder den in GranulationsAvucherung eingehüllten Hammer vor sich hat.

^"ielfache AnAvendung iindet die Sondirung zur Diagnose der C a r i e s und Nekrose des Gehörgangs, der Trommelhöhle und der (iehörknöchelchen. Es bedarf hier keiner AA^eiteren Ausführung, um die praktische Wichtigkeit der Auftindung umschriebener Rauhigkeiten oder beweglicher, in GranulationsgeAA'ebe eingehüllter, nekrotischer Knochenstücke mittelst der Sonde darzulegen, zumal diese einen ope- ratiA-en Eingriff erheischenden Processe der Ocularinspection meist un- zuij'äno'lich sind. Mit Rücksicht auf die functionelle Bedeutung des Hör- apparates ist bei Untersuchung auf Caries die Sonde mit grosser Vor- sicht zu handhaben, besonders bei Sondirung der inneren Trommel- hühlenwand, welche bei cariöser Zerstörung ihrer äusseren Knochen- lamelle schon bei geringem Drucke leicht einbricht, Avodurch die Labyrinthhöhle eröffnet Avird und der eindringende Eiter sich einen Weg o'eo-en den inneren Gehöro-ano' und die Schädelhöhle bahnen kann.

IV.

Normaler Trommelfellbefiiud.

(Tafel I, 1—8.)

Bei Besichtigung des normalen und des pathologisch veränderten Trommelfells sind stets die Farbe, der Glanz, die Durchsichtig- keit, die Neigung und Wölbung der Membran, sowie die Stellung des Hammergriffs und des kurzen Fortsatzes zu berücksichtigen. Xebstdem müssen die Membrana Shrapnelli, sowie die das Trommel- fell begrenzenden Theile des knöchernen Gehörgangs mit in den Bereich der Untersuchung gezogen werden.

Was zunächst die Farbe des Trommelfells anlangt, so habe ich ') darauf hingewiesen, dass das Trommelfell ein trübes Medium ist. welches einen Theil des auffallenden Lichtes reflectirt, einen Theil jedoch durchlässt, durch den der Trommelhöhlenraum be- leuchtet wird. Die beleuchtete innere Trommelhöhlenwand reflectirt nun das Licht wieder durch das Trommelfell nach aussen, wo- durch auch Theile der inneren Trommelhöhlen wand bald mehr, bald weniger deutlich sichtbar werden. Die Farbe des Trommel- fells ist daher eine Combinationsfarbe, die sich aus der Eigen- farbe der Membran, der angewendeten Lichtart und der Menge und Farbe der von der Innenwand der Trommelhöhle zurückgeworfenen Strahlen zusammensetzt. Die einzelnen Theile des Trommelfells zeigen indess eine verschiedene Farbennuance: zunächst wegen der durch die Neigung bedingten, ungleichmässigen Reflexion der vorderen und hinteren Partie der Membran, und wegen der stärkeren Beleuchtung der dem Trommelfelle näher gertickten Theile der inneren Trommelhöhlenwand.

Bei der Untersuchung mit gewöhnlichem Tageslicht zeigt das normale Trommelfell eine neutralgraue oder perlgraue Farbe, der

') Zur pathologischen Anatomie der Trommelfelltrlibungen und deren Bedeutung für die Diagnostik der Gehörkrankheiten. Oesterreichische Zeitschrift für praktische Heilkunde. 1862.

4.4 Normaler Troniiuelfell'uefund.

ein scliwaclier Ton von liclitem Braungelb oder von zartem Violett bei- gemengt ist. Am dunkelsten ist dieses Grau in dem Winkel zwischen Hammergriff und Lichtkegel (I. 1 8), weil aus dem gegen das Ost. tvmp. tubae sich vertiefenden, vorderen Trommelhöhlenraum nur wenig- Licht reflectirt wird. Auch wird nicht selten der periphere Theil der vordersten Trommelfellpartie durch den Schatten der stark nach hinten gewölbten, vorderen Gehörgangswand verdunkelt.

In hellerem Grau erscheint die untere und hintere Hälfte des Trommelfells, weil hier die der Membran näher liegenden Gebilde der inneren Trommelhöhlenwand das Licht stärker reflectiren. So sehen wir bei stark durchscheinenden Trommelfellen im hinteren, oberen Quadranten die innere Trommelfellfalte mit der Chorda tymp. in Form einer nach miten concaven, weisslichgrauen Trübung (1, 3, 4, 6) und unterhalb dieser das untere Stück des langen Ambossschenkels, den hinteren Schenkel des Steigbügels und zuAveilen auch die Stapediussehne durchschimmern (I, 4, 7). Etwas tiefer hinter und über dem Umbo fiillt der schwachglänzende, gelbgraue Schimmer der höchsten Stelle des Promontoriums ins Auge (I, 7). Eine unterhalb dieses Reflexes an der hinteren Grenze des unteren Trommelfellquadranten sichtbare, dunkle Trommelfellpartie wird durch die Nische des runden Fensters be- dingt (I, 7).

Der Glanz des normalen Trommelfells ist in dem dreieckigen Lichtfleck im vorderen, unteren Quadranten der Membran ausgeprägt. Die Spitze des nach vorne und unten sich verbreiternden, jedoch fast nie bis zur Peripherie des Trommelfells reichenden Lichtflecks befindet sich vor dem Umbo und bildet mit dem Hammergriffe einen nach vorne stumpfen Winkel. Je grösser dieser Winkel, umso geringer kann die Neigung des Trommelfells zur Gehörgangsachse ver- anschlagt werden.

Die Form des Lichtflecks zeigt in Folge der schon im Normalen bestehenden Unregelmässigkeiten in der Wölbung der Membran viel- fache Abweichungen von dem als typisch geltenden dreieckigen Licht- kegel. Es muss dies deshalb hervorgehoben werden, weil diese Varie- täten, wenn nicht beachtet, in pathologischen Fällen leicht zu irrigen Deutungen Veranlassung geben können.

Der Lichtfleck erscheint demnach bald ungewöhnlich breit, bald wieder auffallend schmal. Oefters ist er in seiner Continuität unter- brochen (I, 2, 5) und entweder der Breite oder der Länge nach in zAvei Theile getheilt oder endlich in seiner Längsrichtung fein gestreift. Häufig ist die Spitze des Lichtflecks als glänzender Punkt vor dem Umbo von dem übrigen Lichtfleck a1)getrennt (I, 4) oder es befindet

Normaler Troinmelfellbefund. 45

sich zwischen der glänzenden Spitze und der verbreiterten Basis eine vollkommen retlexlose Partie. Endlich begegnet man öfters anstatt des dreieckigen Lichtflecks einer unregelmässigen, verwaschenen Glanzstelle zwischen Umbo und Peripherie oder einem einzelnen Glanzpunkte vor dem Umbo.

Die Entstehung des dreieckigen Lichtflecks ist, wie meine 1864 ') an nor- malen Gehörpräparaten und künstlichen Membranen angestellten Versuche ergaben, in der Neigung der Membran zur Gehörgangsachse in Verbindung mit der durch den Hammergriff bedingten Einziehung des Trommelfells gelegen. Dui'ch die trichterförmige Einwölbung der Membran am Umbo wird der vordere^ untere Quadrant des Trommelfells unserer Augenachse gerade gegenübergestellt, wo- durch das in den Gehörgang geworfene Licht vorzugsweise von dieser Stelle zu unserem Auge reflectirt wird. Die trichterförmige Einwärtswölbung des Trommel- fells ist es auch, durch die der Lichtfleck seine dreieckige Form erhält (Trautmann).

Ausser dem Lichtfleck im vorderen, unteren Quadranten, findet man im Normalen nicht selten noch an anderen Stellen der Membran inconstante Reflexe, am häufigsten einen verwaschenen Glanz an der hinteren, oberen Partie des Trommelfells, ferner einen kleinen Licht- reflex an der Membrana Shrapnelli und an der Spitze des kurzen Hammerfortsatzes. Bei weiten, gerade gestreckten Gehörgängen, die einen Ueberblick über das ganze Trommelfell gestatten, tritt zuweilen bei der Inspection an der vorderen, unteren Peripherie der Membran ein linearer Glanzstreifen zu Tage (Sulcusreflex, Bezold), welcher in der Rinne entsteht, die das Trommelfell mit dem Sulcus tymp. bildet.

Form und Grösse des Lichtflecks erleiden mannigfache Ver- änderungen bei den Erkrankungen des Trommelfells und des Mittel- ohrs, je nachdem das Trommelfell stärker nach innen gewölbt oder mehr abgeflacht und uneben ist. Da indess der Lichtfleck in pathologi- schen Fällen analoge Abweichungen von der typischen Form des Drei- ecks zeigt wie im Normalen, so lassen sich im Allgemeinen die Ver- änderungen des Lichtflecks nur im Zusammenhange mit anderen Sym- ptomen diagnostisch verwerthen.

Ein grösserer diagnostischer Werth muss den während des Krankheitsverlaufes wahrnehmbaren Formveränderungen des Licht- flecks zugesprochen werden, insoferne als aus seiner Verschmälerung oder Verbreiterung auf eine Zu- oder Abnahme der Einwölbung des Trommelfells o-eschlossen werden kann. Ferner benützt man zuweilen

') lieber die Entstehung des Lichtkegels am Trommelfelle. Archiv für Ohren- heilkunde. Bd. I, S. 155.

46 Kormaler Trommclfellbefand.

die durch die Inspection -wahrnelimbaren Aeiiderungen des Liclit- fleeks, Avelcbe durch Luftdruckschwaiikungen in der Trommelhöhle entstehen, zur Constatirung der Wegsamkeit der Ohrtrompete. Beobachtet man nämlich während des Valsalva'schen Versuchs oder nach einer Lufteintreibung mittelst meines Verfahrens oder des Kathe- terismus eine merkliche Formveränderung des Lichtflecks, so lässt dies mit Bestimmtheit auf Wegsamkeit der Ohrtrompete für den betreifenden Luftdruck schliessen. Der Lichtfleck wird hiebei meist verbreitert und etwas verkürzt. Ebenso erleidet der Lichtfleck eine Formveränderung, wenn man bei geschlossenen Mund- und Nasenüfl'nungen während eines Schlingactes die Luft in der Trommelhöhle verdünnt (Toynbee- scher Versuch), in Avelchem Falle der Lichtfleck schmäler und kleiner wird. Die diagnostische Bedeutung pathologischer Lichtreflexe am Trommelfelle und an der inneren Trommelhöhlenwand soll im speciellen Thcile gewürdigt werden.

Was den Einfluss der Neigung des Trommelfells auf den normalen Trommelfellbefund anlangt, so ist vor Allem die Thatsache festzuhalten, dass bei der Untersuchung am Lebenden die Neigung der Membran weit geringer scheint als am anatomischen Präparate. Im Allgemeinen findet man das Trommelfell bei weitem Gehörgange Aveniger geneigt, als bei engem. Es muss ferner hier nochmals hervorgehoben werden, dass wir in Folge der starken Neigung der Membran zur Horizontalen die Trommelfellfläche perspectivisch verkürzt sehen. Der Einfluss der Neigung des Trommelfells auf die Beurtheiluno- der Trommel- fellbefunde, insbesondere für die Abschätzung der Form und Ausdehnung von pathologischen Details ist daher von grosser Wichtigkeit. Wir werden uns stets vor Augen halten, dass gewisse pathologische Vor- kommnisse am Trommelfelle, wie Kalkflecke, Perforationen, Narben nicht immer ihrem wirklichen Umrisse entsprechen. Dass die Neigung •des Trommelfells auch bei operativen Eingriffen volle Berücksichtigung verdient, l^edarf keiner weiteren Ausführung.

Auch Avas die Abschätzung der Wölbung des Trommelfells betrifft, ist unser Urtheil sehr mangelhaft, insoferne das normale Trommel- fell bei der Inspection am Lebenden weniger nach innen gewölbt er- scheint, als am anatomischen Präparate. Der Grund hievon liegt darin, dass unser Auge die Flächenwülbuug durchscheinender Medien, Avie die des normalen Trommelfells, nicht abzuschätzen vermag. Hingegen tritt bei getrübtem Trommelfelle die trichterförmige Concavität der jiusseren Fläche der Membran umso stärker hervor, Avodurch die Beur- theilung pathologischer Wölbungsanomalien am Trommelfelle wesentlich erleichtert Avird.

Normaler Troiimieli'elll)et'unfl. 47

Die Stellung des Ilainincrgriffs im normalen Trommelfellbilde entspricht der diu- Stria malleolaris am anatomischen Präparate. Sein Verlauf vom Proc. brevis am vorderen, oberen Pole des Trommelfells nacli uiiten. hinten und innen, gegen die Mitte der Membran, zeigt häutig individuelle Verschiedenheiten, welche vorzugSAveise von der variirenden Neigung des Trommelfells zur Gehürgangsachse abhängen. Je geringer die Neigung des Trommelfells, desto verticaler die Stellung des HammergriflFs und desto grösser der Winkel, den dieser mit dem Lieh tll eck bildet. SteinbrUgge ') fand an 166 von ihm unter- suchten Individuen den linken Hammergriff verticaler gestellt, als den rechten. Pathologische Processe im Mittelohr, welche mit Retraction des Trommelfells verbunden sind, Verkürzung der Tensorsehne, Adhäsionen zwischen Trommelfell und innerer Trommelhöhlenwand werden stets eine pathognomonische Stellung des Hammergriffs bedingen. Ihre diagnostische Bedeutung soll im speciellen Theile besprochen Averden.

Die das spateiförmige Ende des Hammergriffs umgebende, gelblicbgraue Nabeltrübung (gelber Fleck, Traut mann) verdankt ihre Entstehung theils den am Unibo ausstrahlenden absteigenden Fasern Prussak's, theils, wie ich nach- gewiesen habe, der Anlagerung von kleinen Knorpelzellen um das untere Hammer- griffende. Die" Nabeltrübung ist bald sehr schmal, bald wieder stark verbreitert und in einzelnen Fällen, bei fettiger Epidermislage, gelblich schillernd. In patho- logischen Fällen kann ihr Umfang um das Mehrfache zunehmen, wobei ihre Ränder radienfürmig ausstrahlen. Die nicht selten an der vorderen, unteren Peri- pherie des Trommelfells sichtbare, sichelförmige Trübung entspricht dem Annulus tendinosus.

Die Membrana Shrapnelli tritt im normalen Trommelfellbilde nicht immer scharf markirt zu Tage. Zuweilen ist sie von ihrer Insertion am Rivini'schen Ausschnitt durch eine weissliche, convexe oder unregel- mässige Linie, nach unten durch zwei kurze, weisse Streifen (S. 6) begrenzt, welche vom Proc. brevis gegen die eckigen Vorsprünge der Incisura Rivini hinziehen (Prussak'sche Streifen. I. 7). ZuAveilen ist nur der vordere Streifen ausgeprägt (L 6). Oft geht die Shrapnell'sche Membran ohne scharfe Abgrenzung in die Auskleidung der oberen Gehörgangs wand und in die Pars tensa über.

Als Resume des A-^orhergehenden ergibt sich folgender normaler Trommelfellbefund: Am vorderen, oberen Pole des Trommelfells sieht man den in Form eines weisslichen Knotens vorspringenden, kurzen Hammerfortsatz, welcher nach oben von der zuweilen scharf mar- kirten, bläulichgrauen Membrana Shrapnelli begrenzt wird. Vom kurzen

') Handbuch der pathologischen Anatomie von Ortli. Abschnitt Gehörorgan.

48 Normaler Trommelfellbefuncl.

Fortsatze zieht nach hinten nnd unten, gegen die Mitte des Trommel- fells, ein von oben nach unten sich verschmächtigender. weisslicher oder knochengelber, am Umbo spateliormig endigender Streifen, der Hammergriff. Eine öfters hinter dem Hammergriff und diesem parallel verlaufende gelbliche Linie rührt von der durch das Trommelfell durchscheinenden hinteren Fläche des Hammergriffs her. Vor und unter dem als Nabel bezeichneten Hammergriffende ist der mit der Spitze am Umbo. mit der Basis nach vorne und unten gekehrte Lichtfleck, der Lichtkegel, sichtbar. Der zwischen Hammergriff und Lichtkegel ge- leo'ene vordere. dunkelgTaue Abschnitt des Trommelfells ist wee-en der

CO ~

convexen Wölbung der vorderen, unteren Gehörgangswand nur selten bis zur Peripherie sichtbar. Die hintere Hälfte des Trommelfells, die sich in ihrem oberen Abschnitte durch eine lichtgraue Linie vom knöchernen Gehörgange abgrenzt, erscheint im Trommelfellbilde grösser und in hellerem Grau, als die vordere Hälfte der Membran. Bei stai'k durchscheinendem Trommelfelle schimmert im hinteren, oberen Qua- dranten die innere Trommelfellfalte mit einem Theile der Chorda tymp., unter ihr das Ambossstapesgelenk durch, hinter dem Umbo der gelb- liche Reflex des Promontoriums und im hinteren, unteren Quadranten die dunkle Nische der Fenestra rotunda (I, 7).

Zu den seltenen Befunden am normalen Trommelfelle zählt das Durch- schimmern des gegen den unteren Trommelhöhlenraum vorgewölbten Bulbus venae jugularis. Gomporz ^) beschreibt zwei Fälle, bei denen einmal rechts, das anderemal links der untere Abschnitt des sonst normalen Trommelfells eine bis unterhalb des Umbo reichende, dunkelblaue Verfärbung- zeigte, deren wellige Contour und Farbe bei der Compression der Vena jugularis am Halse unverändert blieb. Dass es sich hiebei nicht immer um eine Dehiscenz handelt, beweist ein dritter Fall mit ausgedehntem Trommelfelldefecte, bei dem der vorgewölbte dunkelblaue Bulbus ven. jug. bei Sondenberührung sich hart anfühlte. Bei mehreren in der Literatur verzeichneten Fällen von profuser Blutung aus dem Ohre nach der Paracentese am unteren Trommelfellsegmente geschieht dieses Trommel fellbefundes keiner Erwähnung. Es kann somit eine blaue Ver- färbung der unteren Trommelfellpartie ohne Dehiscenz des Bulbus und anderer- seits wieder eine Dehiscenz ohne blaue Verfärbung des Trommelfells bestehen. Immerhin ist bei der Paracentese des Trommelfells in dieser llegion auf die Farbennuance des unteren Trommelfellabschnittes zu achten.

Beim Neugeborenen ist wegen der spaltförmigcn Enge des mittleren Abschnittes des Ohrencanals und der Anlagerung von Vernix caseosa an die Gehür- gangswände und an das Trommelfell in den ersten Wochen fast nichts vom Trommel- felle zu sehen. Zuweilen gelingt es schon am Ende der 3. ^5. Woche, nach theil- weiser Abstossung der Epidermislagen, einen llieil des Trommelfells zu beleuchten.

'J Wiener medieinischo Wochenschrift. 1895.

Normaler Troiiimelfellbefmul. 49

Erst im zweiton und dritten Lebensnionate kann das blassgranc oder graurütliliche, noch glanzlose Trommelfell mit dem verwaschenen, oft rosig gefärbten Hammer- griff und dem schwach prominirenden kurzen Furtsatz übersehen werden.

Im Kindesalter findet man häufig das Trommelfell leicht grau getrübt und matt. Im Allgemeinen ist die schwach violette, perlgraue Farbe dunkler, als beim Erwachsenen, das Promontorium weniger durchschimmernd. Mitunter jedoch findet man schon bei zwei- bis dreijährigen Kindern Trommelfelle von typisch normalem Aussehen. Der vordere, untere Theil des Trommelfells i:?t bei Kindern in zwei Drittel der Fälle (Bezold) bis zur Peripherie sichtbar, bei Erwachsenen weit seltener. Die senilen Veränderungen am Trommelfelle be- stehen in Verminderung des Glanzes oder Auftreten unregelmässiger Lichtreflexe in Folge ungleiehmässiger Atrophie des Trommelfells und in diff'user oder streifiger, grauer Trübung.

Politzer, Atlas der Beleuchtungsbilder des Tiommelfells. 2. Aufl.

Fatholog^ische Trommelfellbefunde.

V.

Hyperämien und Hämorrhagien am Trommelfelle.

Trotz des dicliten Gefässnetzes der Cutis- und ScUeimhautscliiclite sind die Gefässe des Trommelfells im Normalen nicht sichtbar. Um so schärfer treten die Gefässramiticationen am Trommelfelle bei stärkerem, durch mechanische oder entzündliche Reizung bedingtem Blutzufluss zu Tage. So sehen wir bei länger dauernder Untersuchung mit Trichter und Spiegel oder bei Berührung der Gehörgangswände mit einer Sonde oder mit anderen harten Körpern starke Hyperämien am normalen Trommelfell entstehen, die sich von den Gefässästen der oberen Gehörgangswand zunächst auf das Gefässbündel des Hammer- griffs erstrecken. In pathologischen Zuständen sind die Hyperämien des Trommelfells entweder die Folge einer Blutfüllung der Auskleidung des äusseren Gehörgangs, häutiger noch der Trommelhöhle, deren Gefässe. wie wir im anatomischen Abschnitte gesehen haben, an der Peripherie des Trommelfells mit denen der Cutisschichte "vielfach ana- stomosiren.

Leichtere Grade von Hyperämien des Trommelfells beginnen stets mit einer Blutfüllung der Hammergriffgefässc. Das hell- oder dunkclrothe Gefässbündel verläuft längs des Hammergriffs bis zum Umbo (1, 8) und ist an der oberen Trommelfellgrenze entA\'edcr abgesetzt oder mit den injicirten Gefässen der oberen Gehörgangswand zusannnenhängend. Bisweilen ist der vordere Theil des gell^lichen Hammergriffs vor dem Gefässbündel noch deutlich sichtbar, oder er ist von den Blutgefässen so vollständig bedeckt, dass die Lage der Stria nialleolaris nur durch das injicirte Gefässbündel angedeutet wird. In einzelnen Fällen breitet sich die Hyperämie auf die S h r a p n e 1 l'sche J\Icmbran und* auf die ganze Umgebung des kurzen P'ortsatzes aus, seltener Avird der Hammer- griff von zwei Gefässen umsäumt, die am Um1)o im Bogen zusammenstossen.

Hyperämien und Häinorrhiigien am Trommelfelle. 51

Bei stärkerer Blutfüllun*;- wird auch der nahe der Tronimeliell- peripherie gelegene, circnläre Gefässkraiiz injicirt, von dem aus bald wenige, bald zahlreiche geschlüngelte Gefässreiserchen in radiärer Richtung gegen das Centruni des Trommelfells verlaufen, um mit den Blutgefässen des Hammergriffs in Verbindung zu treten. Bei dem höchsten Grade der Hyperämie endlich werden die Capillarmaschen der Cutis und Schleimhautschichte so stark injicirt, dass einzelne Gefäss- ramiücationen am gleichmässig gerötheten, hell- oder dunkolrf)then Trommelfelle nicht mehr unterscheidbar sind.

Die leichteren Grade der Hyperämie des Trommelfells, die in der Regel nur auf das Gefässbündel des Hammergriffs begrenzt sind, ent- stehen entweder in Folge mechanischer Reize des Gehörgangs und des Trommelfells oder sie treten als Theilerscheinung einer Congestion der Kopfgefässe auf und sind dann bisweilen von Schwindel und subjec- tiven Geräuschen begleitet. Diese congestionären Hyperämien und die sie begleitenden Kopfsymptome sind in der Regel vorübergehend und lassen sich nicht selten auf vom Sympathicus ausgehende vasomotorische Störungen zurückführen. Dauernde Hyperämie der Hammergrift'gefässe beobachtet man bei chronischen Entzündungen des äusseren Gehörgangs und des Mittelohrs; gleichzeitige Inj ection des peripheren Gefässkranzes und der radiären Gefässverzweigungen als Theilerscheinung acuter oder chronischer Entzündungen des Trommelfells und der Trommelhöhle, auf die wir im speciellen Theile zurückkommen werden.

E c c h y m o s e n am Trommelfelle in Folge von Zerreissung der Gefässe der Cutisschichte entstehen entweder durch mechanische Berührung des Trommelfells mit festen Körpern, durch traumatische Erschütterungen des Schädels oder durch plötzliche Verdichtung oder Verdünnung der Luftsäule im äusseren Gehörgange, bei Erhängten und beim Erstickungstode. ^) Sie kommen ferner bei den traumatischen Trommelfellrupturen und bei der Otitis med. acuta nicht selten zur ]3eobachtung, besonders häufig bei Inlluenza, Typhus, Scorbut. Morbus maculosus Werlhofii, Variola (Wen dt), zuweilen auch bei starken Hustenanfällen (T r a u t m a n n).

Die Blutextravasate in der Cutis des Tronnnelfells erscheinen als vereinzelte (I, 17) oder mehrfache (1, 15, 16) scharfbegrenzte, dunkel- rothe oder schwarze Flecken am Trommelfelle, welche bei multiplen Extravasaten am dichtesten in der Region der Stria malleolaris und an der Peripherie des Trommelfells auftreten. Vereinzelte, runde Ecchy-

') Hoffmann, Wiener medicinisclie Presse. 1880.

4*

^2 Hyperämien und Hämorrliaglen am Trommelfelle.

mosen können bei oberflächlicher Untersuchnng leicht mit einer Per- foration des Trommelfells verwechselt -werden.

Die Blutextravasate im Trommelfelle -wandern von dem Orte ihrer Entstehung gegen die Peripherie und von hier aus in den äusseren Gehörgang. Die hinter dem Hammergrifle gelegenen Ecchy- mosen verschieben sich ge-^vöhnlich nach hinten und oben, die vor und unter dem Umbo entstandenen nach vorn und unten. In Ausnahms- fällen sah ich Ecchvmosen am vorderen Trommelfellsegmente nach hinten und oben wandern. Diese Wanderung steht meiner Ansicht nach mit dem excentrischen AVachsthuin des Trommelfells im Zusammen- hano-e. Blutaustritte, die bis in die tieferen Schichten der Cutis und der Subst. propria greifen, hinterlassen bleibende, rothbraune Pigment- flecke am Trommelfelle.

VI.

Trommelfellbefiinde bei den primären Entzündungen des Trommelfells (Myringitis).

A. Befunde bei der primären, acuten Entzündiuig des TroninielfeHs

(3Iyringitis acuta).

(Tafel I, 18—28.)

Der Ti'ommelfellbefuncl bei der p r i m ä r e n. acuten E n t- Zündung des Trommelfells ist nach der Intensität der Er- krankung, ihrem oberflächlichen oder tieferen Sitze und in den ein- zelnen Stadien des Entzündungsprocesses verschieden.

Der Sitz der primären Myringitis ist vorzugsweise die Cutis, seltener die Mucosa des Trommelfells. Fast ausnahmslos jedoch parti- cipiren sämmtliche Schichten der Membran am Entzündungsprocesse.

Leichtere Grrade der primären ^R-ringitis, aus deren raschem Ablauf auf den olierüächlichen Sitz der Erkrankung geschlossen werden kann, sind charakterisirt durch starke Injection des Trommelfells, durch diffuse, uno-leichmässio-e Röthuno- nnd Schwellung der Membran. Dieser folgt binnen Kurzem eine Durchfeuchtung und Auflockerung der Epidermis mit zerstreuten Ecchymosen. und nicht selten die Bildung seröser oder hämorrhao-ischer Blasen (Myringitis bullosa).

Der Standort dieser Blasen ist am häufigsten der hintere oder hintere, obere Quadrant des Trommelfells (L 20, 22, 23, 24, 25. 26), seltener das vordere, untere Segment (I, 19) oder die Mitte der Membran (I. 21).

In der Regel erschöpft sich der Entzündungsprocess mit der Bildung einer einzigen Blase, doch kommen Fälle zur Beobachtung, in welchen entweder gleichzeitig oder nacheinander mehrere Blasen am Trommelfelle sich entwickeln. Die Grösse der Blasen variirt von der

54 Befunde bei der primären, acuten Entzündung des Trommelfells.

eines Hirse- oder Hanfkonis (I. 19. 23. 24) bis zum Umfange einer kleinen Erbse (I, 20. 22. 25). Ihre Form ist meist rund (I. 19. 20. 21. 2oL seltener oval (I. 24. 25). die Farbe gelblich oder liehtgrau. einer glänzenden Muschelperle ähnlich und sehr transparent. Dadurch unter- scheiden sich die sernmhältigen Blasen von den gelbgrünlichen, nicht durchscheinenden Trommelfellabscessen.

Bisweilen erhält die Blase durch theihveise Resorption ihres In- haltes eine faltige Oberfläche (I. 22). Grössere, am hinteren, oberen Trommelfellsegmente aufsitzende Blasen sind so stark gegen das Gehör- ganglumen vorgewölbt, dass sie den Hamraergrift' vollständig maskircn. in einzelnen Fällen sogar das ganze Sehfeld einnehmen. Der kurze Hammerfortsatz Avird durch die Blase nur äusserst selten überwölbt und ist als weissgelbe. von einem rothen Hofe umgebene Prominenz am vorderen, oberen Pole des Sehfeldes sichtbar.

Primäre Trommelfellentzünduno- mit Bildunc,- h ä m o r r h a o' i s c h e r Blasen (Myringitis bullosa haemorrhagica) kommt bei der genuinen Myringitis selten, mnso häutiger bei den Influenzaotitiden zur Beobachtung.

Kleine hämorrhagische Blasen von ovaler Form sah ich wieder- holt auf der hinteren Trommelfellfalte aufsitzen (I, 24), doch kommen kleinere Blut1)lasen vereinzelt oder mehrfach auch an anderen Partien des Trommelfells vor. Grössere hämorrhagische Blasen von kugeliger oder ovaler Form nehmen gewöhnlich das hintere, obere Trommelfell- segment ein. und greifen zuweilen auf die Gehörgangs wand über(I, 25).

Die Myringitis bullosa kommt häufiger bei Kindern als bei Er- wachsenen vor. I^ie Blasenbildung erfolgt oft schon mehrere Stunden nach dem Auftreten der Entzündungss^miptome. Der Bestand der Blasen ist in der Regel von kurzer Dauer. Oft verschwinden sie schon einige Stunden nach ihrem Auftreten, doch sah ich Fälle, wo die Blase noch am zAveiten und dritten Tage nach der ersten Beol^achtung fortbestand. Der Inhalt kleinerer Blasen vrlrd Ijisweilen resorbirt; grössere Blasen platzen in der Regel und entleei'en ihren Inhalt in den äussei'cn Gehör- gang. Die nun folgende Ijlutig-seröse Secretion am Trommelfelle kann entweder nur einige Standen oder mehrere Tage andauern.

Nach dem Platzen der Blasen findet man die entsprechende Stelle des Trommelfells mit macerirtej" Epidermis bedeckt, die Membran blci- grau. glanzlos uml im durchsichtig, die Gegend des Hammergriffs durch einen rosigen Streifen angedeutet, diesem entlang sowie in der Um- gebung der l^lase zerstreute, un regelmässige Blutflecke von verschiedener Grösse. 'j

') Vgl. A. Politzer, Ueber Blasenbildung und E.xsudatsäcke im Trommelfelle. Wiener medicinische Wochenschrift. 1H72.

Befunde bei der primären, acuten Entzündung' des Trommelfells. 55

Boi d(Mi intensiveren, die tieferen Solucliten der Cutis ]}etreffenden. ]>rini<iren Myringitiden. deren Sitz am häufigsten das hintere Tromiuel- f ellsegment ist. wird die entzAindcte Partie in Form einer lividrothen, glänzenden oder von einer durehfeuchteten und zerklüfteten Epidermis üherzogenen Geschwulst vorgewölbt (I, 18). ein Befund. Avie wir ihn auch l)ei manchen Formen der Otitis med. acuta beohachten. Die gering- gradige Hörstörung und der rasche A])lauf des Processes sind in solchen Fällen entscheidend für die Diagnose der p]-imäreji Myringitis.

Seltener führt die primäre, acute Myringitis zur Bildung von A 1) s c e s s e n. die meist vereinzelt, seltener mehrfach vorkommen und am häutigsten im hinteren, oberen, bisweilen im hinteren, unteren Quadranten der Membran (I. 27), ausnahmsweise in deren vorderen Segmente ihren Sitz haben.

Die Trommelfellabscesse erscheinen als halbkugelige, glänzende, nicht transparente Erhabenheiten von grünlichgelber Farbe, welche in- mitten einer serös durchfeuchteten, ecchymotischen Partie des Trommel- fells aufsitzen und bei der Berührung mit der Sonde sich teigig an- fühlen (1,27) (Boeck). Zuweilen gleichen die Abscesse einer zugespitzten, grünlichen Eiterpustel oder einem vom hinteren Trommelfellsegmente herabhängenden, länglichen Eitersack, dessen unteres Ende die Mitte des Trommelfells einnimmt (I, 28).

Seltenere Vorkommnisse bei der acuten Myringitis sind das gleich- zeitige Auftreten von serösen Blasen und eiterigen Aijscessen am Trommel- felle, deren Verlauf sich jedoch von dem der gewöhnlichen Trommel- fellabscesse nicht unterscheidet.

Die Trommelfellbefunde bei der acuten Myringitis sind ungemein rasch wechselnd, indem die Entzündung gewöhnlich schon am ersten oder zweiten Tag den Höhepunkt erreicht und von da in rascher Folge aljläuft.

Bei den genuinen Formen und bei gesunden Individuen erfolgt in der Regel gänzliche Heilung. Hingegen beobachtet man ])ei schlecht genährten oder scrophulösen. syphilitischen Personen, ferner nach schweren Influenza formen oder bei Hinzutritt von Sepsis, den Aus- gang in chronische Myringitis oder eine vom Trommelfelle auf das Mittelohr sich ausbreitende, meist chronisch verlaufende Mittelohr- entzündung. Als bleiljende Veränderungen am Trommelfelle nach ab- gelaufener 3Iyringitis sind streifige Trübungen, circumscripte kalk- ähnliche Verdickungen und atrophische Einsenkungen zu verzeichnen.

Die Diagnose der primären, acuten Myringitis stösst insoferne auf Schwaerigkeiten. als die Trommelfellbefunde häufig mit den bei der Otitis media acuta beobachteten Veränderungen am Trommelfelle über-

56 Befunde bei der chronischen Entzündung des Trommelfells.

ciustiiimieu. Mit einiger Siclierlieit ist aus dem Trommelfellbefunde die Diagnose der ^I y r i n g i t i s nur in d e n ersten Tagen de r Erkrankung zu stellen. In diesem Stadium ist die H ö r s t ö r u n g trotz der stark ausgesprochenen Veränderungen an der Membran nur eine geringfügige, während bei der Otitis med. acuta bei gleichem Trommelfellljefunde. in Folge der raschen Exsudation im Mittelohre, eine auffällige H ö r s t ö r u n g erfolgt. Ein wichtiges diagnostisches Moment für die acute, primäre Myringitis ist der rasche Ablauf des Processes.

Schwierig, ja oft unmöglich, wird die Diagnose der Myringitis. wenn die Fälle nicht im Beginne, sondern während des Ablaufs der Entzünduno- zur Beobachtuno- o'elano-en. Da sich in diesem Stadium öfter die entzündliche Reizung vom Trommelfelle auf das Mittelohr fortpflanzt und die Hörstörung hiedurch einen beträchtlichen Grad er- reicht, so ist es nicht mehr mit Sicherheit festzustellen, ob die Ent- zünduno- vom Trommelfelle oder vom Mittelohre ausg-ieno-.

B. Befimde bei der clirouisclieu Eiitzüiidimg des Trommelfells (Myringitis chronica).

(Tafel II, 1—4.)

Die chronische Myring-itis ist meist über die ganze Fläche des Trommelfells ausgebreitet, Jiur selten ist sie auf den hinteren, oberen Quadranten und auf die Shrapnell'sche Membran begrenzt. Häufig erstreckt sich die Entzündung- auf die angrenzenden Partien des knöchernen Gehörg'ano-s, am häufio-sten auf seine hintere. ol)ere Wand. Auch bei dieser Form ist der Sitz der Entzündung vorzugsweise die Cutisschichte, doch participiren fast immer die Subst. propria und die Schleimhautschichte am Entzündungsprocesse (vgl. S. 22).

Die chronische Myringitis entwickelt sich häufig schleichend, ohne auffälhge Reactionserscheinungen. Ihre primäre Natur ist jedoch nicht immer festzustellen, da sie zuweilen als Residuum einer abgelaufenen ( Jtitis externa oder einer Mittelohreiterung zurückbleibt.

Die T r o m m e 1 f e 1 1 1) e f u n d e variiren nach den durch die Entzündung gesetzten Veränderungen in der Epidermis- und Corium- schichte des Trommelfells. Bei der diffusen, nur die oberflächlichen Schichten des Trommelfells betreuenden Mvringitis erscheint die Membran abgeflacht, mit einer dünnen Schichte feuchtglänzenden, oft übelriechenden Secretes bedeckt, grauweiss oder gelblichweiss und fleckig, der kurze Hammerfortsatz ist nur wenia". der Hammergriff durch das röthlicli

J'efunde bei der clironisclien Entzündung des Trommelfells. 57

durchschimmernde Gefässbündel inarkirt. Bei stärkerer Epidermis- wuchcrimg-, die sich meist auch auf die GehörgangSAvände erstreckt, sind die Grenzen zwi^^chen Trommelfell und Gehürgang- verstrichen, die Hammerthcile durch eine schmutziggelbe Auflagerung verdeckt. An Stellen, wo die verdickten Epidermislagen spontan abgestossen oder mechanisch abgelöst werden, findet man das Trommelfell stark geröthet, sammtartig aufgelockert, stellenweise excoriirt und mit zahlreichen, unregel- mässigen Lichtreflexen übersäet.

Die chronische Myringitis führt nicht selten zur Bildung von papillären Exe rescenzen auf der Cutisschichte des Trommelfells (Myringitis villosa).

Sie erscheinen als hellrothe, Stecknadelkopf- bis hanfkorngrosse Wärzchen, welche entweder vereinzelt oder in umschriebenen Gruppen zusammengedrängt, nur selten sich auf die ganze Fläche der Membran ausbreiten. In letzterem Falle bietet das Trommelfell das Aussehen einer mit zahlreichen Lichtpunkten besäeten, himbeerartigen Fläche. Umschriebene Gruppen von Wärzchen sitzen am häufigsten im hinteren (II, 3) oder hinteren, oberen Quadranten (II, 1), seltener nehmen sie den unteren Abschnitt des Trommelfells ein (II, 2). Wiederholt sah ich die Wärzchenbildung vom hinteren Abschnitt des Trommelfells auf die hintere, obere Wand des knöchernen Gehörgangs sich erstrecken, ein Befund, der darauf schliessen lässt, dass hier die Myringitis ursprünglich von einer Otitis externa diffusa ausgieng. Vereinzelte Wärzchen am Hammergriife, am Processus brevis oder an der Membrana Shrapnelli zählen bei der primären Myringitis zu den grossen Seltenheiten.

Diagnose. Die primäre, chronische Myringitis ist nur dann mit Sicherheit zu diagnosticiren, wenn ihre Entwicklung aus der primären, acuten Form der Trommelfellentzündung beobachtet wird. Dies ge- schieht indess äusserst selten, da die Fälle gewöhnlich erst nach längerer Dauer der Erkrankung zur Untersuchung gelangen, wo die Entscheidung, ob eine primäre Affection oder ein Folgezustand einer Otitis ext. oder med. vorliegt, nicht mehr möglich ist.

Die chronische, primäre Mvringitis unterscheidet sich dadurch von jenen Formen der Otitis med. suppurat. chronica, bei welchen die Perforationsöffnung im Trommelfelle durch die Inspection nicht zu ent- decken ist, dass bei dieser während einer Lufteintreibung in das Mittelohr die Luft mit hörbarem Geräusche durch die Perforations- öffnung durchzischt, während bei der Myringitis die Membran sich ohne Perforationsgeräusch nach aussen vorwölbt. Ist in letzterem Falle die Hörweite nur wenig vermindert, und beim Katheterismus

58 Befunde bei der chronischen Entzündung des Trommelfells.

keine Schwellunii' im Mittelohre nachweisbar, so kann die Diagnose der primären Myringitis mit grosser Wabrscheinliclikeit gestellt werden.

Diejenige Form der chronischen Myringitis. bei der das ganze Trommelfell mit papilläJ'en Excrescenzen so besäet ist, dass der Hammer- griflf vollständig bedeckt und die Grenzen des Trommelfells verstrichen sind, kann leicht mit jener Form der Otitis med. suppurat. chron. verwechselt Averden. bei der das ganze Trommelfell zerstört ist nnd die granulirende innere Trommelböhlenwand blossliegt. Entscheidend für die Diagnose der Myringitis ist hier die bei der Inspection wahr- nehmbare A u s w ä r t s b e w e g u n g der gerötheten Fläche w ä h r e n d einer L u f t e i n t r e i b u n g in die Trommelhöhle, und ferner die aus- gesprochene Beweglichkeit der granulirenden Fläche bei Prüfung mit dem pneumatischen Trichter. Der Mangel eines Perforationsgeräusches bei der Luftdouche, die verhältnissmässig geringe Hörstörung werden im Zusammenhange mit den übrigen objectiven Symptomen die Diagnose der Myringitis wesentlich erleichtern. In praktischer Beziehung wäre noch hervorzuheben, dass die Myringitis granulosa nach mehrmaliger Touchirung mit Liquor ferri sesquichlorati oder nach längeren Ein- giessungen von rectificirtem Alkohol meist mit Restitution des Hör- vermögens ausheilt, doch kann sie bleibende Verdickung, Trübung, Atrophie und chronische Desquamation hinterlassen.^)

Dem Vorschlage Bezold's^)^ die Diagnose der primären Myringitis acuta und chronica wegen der Schwierigkeit, eine gleichzeitige Mittelohrerkrankuug auszvischliessen, fallen zu lassen und sie den Mittelohrerkrankungen zuzurechnen, kann ich nicht beistimmen. Beide primären Formen der Trommelfellentzündung zeigen während ihres Verlaufes so charakteristische klinische Merkmale, dass sie ohne Schwierigkeit von der Otitis media unterschieden werden können. Es bedarf nur des Hinweises auf die geringgradige Hürstörung trotz der die Myringitis beglei- tenden, auffälligen Veränderungen am Trommelfelle und auf den raschen Ablauf des Processes, um die Myringitis und die Otitis media acuta klinisch auseinander- zuhalten. Aber auch in praktischer Beziehung erscheint mir die Diflferenzirung Ijeider Processe insoferne von Wichtigkeit, als die bei den Mittelohrentzündungen in Anwendung kommenden therapeutischen Massnahmen, wie Lufteintreibung etc., bei den primären Myringitidcn contraindicirt sind.

') Vgl. Politzer, Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 3. Aufl., S. 205.

'-) Ueberschau über den gegenwärtigen Stand der Ohrenheilkunde. Wiesbaden 1895.

VII.

Trommelfellbefuiide bei den traumatischen Läsionen

des Trommelfells.

(Tafel II, 5—11.)

Die traumatisclien Verletzung-en des Trommelfells kommen am liäutigsten dnrcli plötzliche Verdichtung der Luftsäule im äusseren Ge- liörgange durch einen Schlag auf das Ohr, durch Schallerschütterung und Explosionen, -seltener durch Luftverdichtung in der Trommelhöhle beim Valsalva'schen Versuch, Politzer'schen Verfahren und Katheterismus zu Stande. Li einzelnen Fällen wurde eine Ruptur des Trommelfells durch rasche Luftverdiinnung im äusseren Gehörgange beobachtet. Eine zweite Kategorie der traumatischen Läsionen des Trommelfells bilden die dirccten Verletzungen durch jähes Eindringen spitzer oder stumpfer Gegenstände in den äusseren Gehörgang. Endlich sind als dritte Form der Trommelfell Verletzungen die durch Fortpflanzung einer Fractur der Schädelknochen auf die Membran entstandenen Rupturen anzuführen.

Was zunächst den Trommelfellbefund bei den durch plötzliche Luftverdichtung hervorgebrachten Rupturen anlangt, so ist er in den ersten Tagen nach der Verletzung so charakteristisch, dass man in den meisten Fällen aus dem Befunde allein, ohne Kenntniss der anamnesti- schen Momente, die traumatische Natur der Affection zu bestimmen vermag.

Der Sitz der Ruptur ist ebenso häufig die vordere, wie die hintere Hälfte des Trommelfells. Kleinere Rupturöffnungen liegen gewöhnlich in der Mitte zwischen Hammergriif und dem peripheren Ringwulst der Membran. In den meisten Fällen ist das Trommelfell nur an einer Stelle, ausnahmsweise an zwei Stellen rupturirt. Bei heftigen Detonationen wurde eine multiple, siebförmige Durchlöcherung des Trommelfells beobachtet.

QQ Tioramelfellbefunde bei den traumatlscben Läsionen des Trommelfells.

Bei den durcli plützliclie Lviftverdiclitung entstandenen Trommel- fellrupturen liegen die Wundränder selten aneinander; es entsteht viel- mehr fast immer eine klaffende Ruptnröfltnung von runder (II. 7, 8). ovaler ill, 9, 11) oder eckiger Form (II. 6\ durch welche hindurch die gegenüberliegende, knochengelbe Promontoriahvand sichtbar ist. Nicht klatfende, lineare Risse sitzen meist knapp vor (IL 5) oder hinter dem Hammergrifi' und sind durch einen blutig suflundirten, linearen Streifen charakterisirt. dessen Ränder während des Valsalva'schen Versuchs auseinanderweichen. In einzelnen Fällen kommt es bei einem übermässig starken Schlage auf das Ohr zu einer uuregelmässigen. lappigen Ruptur mit blutig suflundirten Rändern, die sich gegen die Peripherie retrahiren und einrollen, wobei ein grosser Theil der Promontoriahvand blossgelegt wird.

Die traumatischen Rupturöff'nungen sind durch die scharfe Be- o-renzung' und durch die b 1 u t i «• e S u f f u s i o n i h r e r R ä n d e r charakterisirt. Die mit einem röthlichschwarzen Blutcoagulum bedeckten Ränder stechen scharf von der blassgelben Farbe der freiliegenden Partie der Promontorialwand ab. In den ersten Tragen nach der Verletzung sind die Hammergriffgeftlsse stark injicirt und findet man längs derselben sowie auch au anderen Stellen der Membran, besonders in der Nähe der Rupturöfi'nung rothschwarze Ecchymosen von verschiedener Grösse. Einzelstehende, runde Blutextravasate können von minder Geübten mit einer Perforation des Trommelfells verwechselt werden.

Die durch plötzliche Luftverdichtung oder Detouationen ent- standenen Trommelfellrupturen heilen in der Regel durch eine die Rupturöflhung A'erschliessende Narbe, die von den Perforationsrändern au.sgeht. Wiederholt sah ich die Trommelfelllücke durch ein von innen her sich vorschiebendes, graugelbes Häutchen sich schliessen, während die Ränder der Ruptur in der Cutisschichte noch längere Zeit hindurch sichtbar Avaren. Diese Beobachtung spricht dafür, dass die Narben- bildung in einer Reihe von Fällen von der Schleimhautschichte des Trommelfells ausgeht. Es unterhegt aber keinem Zweifel, dass manchmal der Verschluss der Rupturöffnung durch gleichmässiges Auswachsen sämmtlicher Schichten des Trommelfells erfolgt, und dass zuweilen die Epidermisschichte der (Aitis allein zunächst die Rupturöffnung schliesst (Rum ml er).

Während der Narbenljildung fällt das an den Rupturrändern haftende Blutcoagulum alhnälig ab oder es wird durch das excentrische Wachsthum der Epidermisschichte gegen den äusseren Gehörgang foi't- geschoben. Oft erhält das Trc^mmelfell erst nacli Wochen sein normales

Trnmnielfellbefiuide bei den traumatischen Läsioneii des Trommelfells. Q\

Aussehen, selten bleibt an Stelle der Rupturöffnung eine dünne, ein- gesunkene Narbe am Trommelfelle zui'Uck.

Die Diagnose der traumatisehen Trommelfellruptur ist in den ersten Tagen nach stattgehabter Verletzung init ziemlicher Sicherheit zu stellen. Die wichtigsten Merkmale, durch welche sie sich von einer durch pathologische Processe entstandenen Perforationsöffnung unter- scheidet, sind: Die Ecchymosirung der scharf begrenzten Rupturränder.- die normale, knochengelbe Farbe der freiliegenden Partie der inneren Trommelhöhlenwand, und die beim Valsalva'schen Versuch schon bei geringer Kraftanwendung mit einem breiten und sausenden Geräusche aus dem Gehörgang strömende Luft. Das letzte Symptom ist insoferne charakteristisch, als bei pathologischen Trommelfellperforationen die Luft beim Valsalva'schen Versuch mit einem hohen, zischenden Ge- räusche aus dem (.)hre entweicht. Im Grossen und Ganzen gehören die durch Luftverdichtung im Ohre entstandenen Rupturen (Ohrfeigen, Knall. Schlag auf das Ohr) forensisch in die Kategorie der leichten Ver- letzungen.

Die Befunde bei den durch d i r e c t e Verletzungen gesetzten Veränderungen am Trommelfelle variiren nach der Form und Be- schaffenheit des in den Gehörgang eindringenden Körpers, je nach- dem er stumpf oder zugespitzt, starr oder biegsam, glatt oder rauh ist.

Die in diese Gruppe gehörigen Verletzungen, die häufiger die hintere als die vordere Hälfte des Trommelfells betreffen (Zaufal), sind nicht selten durch gleichzeitige Läsion des äusseren Gehörgangs und der inneren Trommelhöhlenwand, sowie durch Dislocation der Gehörknöchelchen comphcirt. Rührt die Verletzung von einem dünnen, spitzen Instrumente her, so findet man am Trommelfelle eine unregelmässig rundliche Riss- öffnung mit blutig suffundirten Rändern und stärkeren Blutextravasaten in der Umgebung des Risses. In Tafel II, Fig. 10, ist eine solche un- regelmässige Rissöffnung hinter dem Hammergriffe abgebildet, welche durch Eindringen eines Strauchastes in den äusseren Gehörgang während einer Jagd entstanden ist. Bei complicirten Zerreissungen des Trommel- fells ist die Ausdehnung der Zerstörung in den ersten Tagen nur selten festzustellen, da die Blutextravasate und die Infiltration der Weichtheile die Ocularinspection hindern. Erst nach der Abstossung der Blutcoagula mit dem Eintritte der Eiterung und mit dem Rück- gange der entzündlichen Schwellung ist es oft möglich, die Ausdehnung des traumatischen Substanzverlustes festzustellen.

Hieher sind ferner die durch Fortpflanzung einer Fractur der Schädelknochen entstandenen Verletzungen des Trommelfells zu rechnen. Am häufio-sten setzt sich die Fissur der oberen Gehöro-ano-swand auf

62 Tromraelfellbefunde bei den traumatischen Läsionen des Trommelfells.

die hintere Partie des Troinineltells in Form eines Längsrisses fort, in anderen Fällen, besonders bei coniplicirten Fracturen der Schädel- knochen und bei Infraetion der Gelenksfläche des Unterkiefers kommt es zur unregelmässigen Zerreissung der Membran, deren Reste als blutig suÖ'undirte Zacken in die ausgedehnte Rissöffnung hineinragen.

Die Diagnose der direeten V'erletzungen des Trommelfells unter- liegt in den ersten Tagen nach ihrer Entstehung keiner Schwierigkeit. Sie ergibt sich aus der Art der Verletzung des Trommelfells im Zu- sammenhange mit den die Verletzung complicirenden Läsionen im äusseren Gehörgange oder am Schädel. Kommen diese Verletzungen in einem späteren Stadium zur Untersuchung, wenn bereits durch die ein- getretene Eiterung das Krankheitsbild verändert erscheint, so ist der Arzt kaum mehr in der Lage festzustellen, ob ursprünglich eine mechanische Verletzung des Trommelfells bestand. Für die forensische pjeurtheilung der Trommelfellverletzungen gilt daher im Allgemeinen, dass der Fall in den ersten Tagen nach stattgefundener Verletzung imtersucht werde, da die Läsionen nur in der ersten Zeit ihre charakteristischen Merkmale behalten. Wird die Untersuchung jedoch erst mehrere Wochen nach der Verletzung vorgenommen, wenn bereits die charakteristischen Symptome der Läsion verschwunden sind, so stösst die forensische Beurtheilung des Falles auf grosse ScliAvierig- keiten.

Die direeten Verletzungen des Tronmielfells, sowie die durch Schädel- fracturen entstandenen enden nur selten mit vollständiger Heilung. In der Regel folgt der Verletzung schon nach kurzer Zeit eine eiterige Entzündung mit bleibendem Substanz Verluste am Trommelfell, Ver- Avachsung des Trommellfells mit der inneren Tronnnelhöhlenwand, Caries und Exfoliation eines oder mehrerer Knöchelchen mit mehr oder minder bedeutender Hörstörung. Die Verletzungen dieser Kategorie sind daher

mit nur seltenen Ausnahmen fjrensisch als schwere zu bezeichnen.

Die Fracturen des Hammergriffs werden durch Eindringen fester Körper in den Gehörgang, durch Extraction fremder Körper, zuweilen auch durch Traumen der Schädelknochen (K i r c h n e r) herbeigeführt. Die Bruchenden heilen entweder durch Calluabilduug oder sie bleiben unvereinigt. Stets bildet das untere Bruchende mit dem oberen Theile des Hammergriffs einen stumi^fen Winkel {K 0 0 s aj. Bei nicht vereinigter Ilammerfractur zeigt das untere Bruchende bei Prüfung mit dem S i e g 1 c'schen Trichter eine ausgiebige Bewegung, während der obere Theil des Hammergriffs unbeweglich bleibt.

VI IL

Trommelfellbefande bei den Mittelohrcatarrhen.

Als Mittelohrcatarrh bezeichnen wir jene Form der Erkrankung^ der Mittelohrsclileimhaut, bei welcher es ohne Reactionscrscheinungen und ohne Perforation des Trommelfells zur Ausscheidung eines serösen oder schleim igenExsudates in der Trommelhöhle kommt. Seine Entstehung wird zum Theile auf bacterielle Einwirkung zurückgeführt. Zu dieser Form der Mittelohrerkrankung rechnen wir auch die bei Irapermeabilität der Ohrtrompete durch Luftverdünnung in der Trommel- höhle entstehenden Transsudationen seröser Flüssigkeit. Als ursächliche Momente des Mittelohrcatarrhs sind anzuführen: acute und chronische Catarrhe des Nasenrachenraumes, acute Exantheme, Influenza. Svphihs, Lähmungen der Gaumenmusculatur, und Neubildungen im Nasenrachenräume, durch die ein Druck auf den Tubencanal aus- geübt wird. Die Ausgänge der Mittelohrcatarrhe sind: vollständige Rückbildung des Processes mit Restitution des Hörvermögens oder Proliferation von neugebildetem Bindegewebe in der Mittelohrschleim- haut, welche zu Adhäsionen zwischen Trommelfell und Gehör- knöchelchen mit den Wänden der Trommelhöhle führen. Die mannig- fachen, bei diesen Mittel ohrprocessen sich entwickelnden, diagnostisch Avichtigen Trommelfellbefunde sollen der Reihe nach im Folgenden be- sprochen werden.

Anomalien der Farbe des Trommelfells bei Ansammlung serösen oder sclileimigen Secretes in der Trommelhöhle.

(Tafel II, 13—28 und Tafel III, 1—8.)

Die Trommelfellbefunde bei Ansammlung serös-schleimigen Secretes in der Trommelhöhle zeigen je nach der Menge und Farbe der an- gesammelten Flüssigkeit, dem Grade der Einwärtswölbung des Trommel-

ß4 Ti-ommelt"ellbefimde bei den serös-schleimigen Mittelolircatarrhen.

felis und der gleiclizeitigen Blutfüllung der Trommelhöhlensclileimliaut grosse Verschiedenheiten. Bei geringer Ansammlung von Secret, welches den unteren und mittleren Abschnitt der Trommelhöhle einnimmt, ist, wie ich zuerst beobachtete.') die Secretansammlung in der Trommel- höhle durch eine am Trommelfelle scharf markirte Niveau- linie der angesammelten Flüssigkeit und durch die gelbliche, gesättigte Farbe des Trommelfells unterhalb dieser Linie zu erkennen.

Diese Niveaulinie ist je nach der Lichtbrechung entweder schwarz, ähnlich einem dem Trommelfelle anliegenden schwarzen Haare (II, 13, 14. 21) oder dunkelgrau (Tl. 15. 20), bald wieder schimmernd weiss oder weissgelb (II. 18, 19).

Am häufigsten ist sie nach oben zu concav (II, 13, 15, 19, 20,21), seltener convex oder wellig, nur ausnahmsweise horizontal (II, 14). Bei geringer Secretmenge (1 2 Tropfen) findet man öfter unterhalb des Hammergrifis die Flüssigkeit in Form eines Dreieckes durchschimmern, dessen Schenkel am Umbo zusammenstossen (II, 18). Seltener ist ein einzelner Flüssigkeitstropfen als scharf begrenzte, linsengrosse, gelbe Scheibe im unteren Trommelfellsegmente sichtbar (II, 16). Zuweilen sah ich kleine Flüssigkeitsmengen in Form eines schmalen Streifens die hintere Peripherie des Trommelfells einnehmen, wobei die Begrenzungs- Unie entweder concav (II, 15) oder mehrfach gewellt (II, 17) er- schien.

Die NiveauHnie des Secretes durchzieht häufig das Trommelfell von vorn nach hinten (II, 13, 18, 19, 20), nicht selten jedoch ist sie nur vor dem Hammergriff (II, 21), oder nur am hinteren Segmente des Trommelfells sichtbar. Manchmal steht die Niveaulinie hinter dem Hammergriff höher als vor demselben (II. 20).

Durch die Secretansammlung in den abschüssi2:en Theilen der Trommelhöhle erhält die mit dem Secrete in Berührung stehende Partie des Trommelfells eine saturirte, gelbliche Färbung, während der oberhalb der Niveaulinie gelegene Theil des Trommelfells, entsprechend dem luft- haltigen Räume der Trommelhöhle, lichtgrau erscheint. Bei gleichzeitiger Hyperämie der Schleimhaut der inneren Trommelhöhlenwand ist der gelb- lichen Farbe des Secretes ein leichter Ton von Violettgrau beigemengt.

Die in der Trommelhöhle angesammelte Flüssigkeit ändert bei der Neigung des Kopfes nach vorn oder nach hinten ihre Lage, indem sie, wie in der Wasserwage, gegen den tiefsten Theil der Trommelhöhle abfliesst. Hiebei wechselt auch die Niveaulinie am

') Diagnose und Therapie der Ansammlung seröser Flüssigkeit in der Trommel- höhle. Wiener medicinische Wochenschrift. 1867. Ueber bewegliche Exsudate in der Trommelhöhle. Wiener medicinische Presse. 1869.

Tiommelfellbefunde bei den serös-schleimigen Mittelohrcalarrlien. g5

Trommelfelle bald rasch, bald sehr langsam ihre Stellung. Wird der Kopf nach hinten geneigt, so verschwindet die Niveauhnie vor dem Hammergriff, und man sieht im hinteren Abschnitte der Trommelhöhle die Flüssigkeit sich von der Luft durch eine nahezu kreisrunde Linie abo'renzen. Bei länoerer Rückenlaoe sah ich wiederholt die ]S'iveaulinie des Secretes sowie die gelbe Farbe der betreffenden Troinmelfellpartie vollständig schwinden, was darauf schliessen lässt, dass in dieser Stellung das Trommelhöhlensecret ganz oder theilweise gegen das Antrum mastoid. abfliesst. Wird der Kopf stark nach vorn geneigt, wobei sich die Flüssigkeit gegen das Ost. tymp. tubae bewegt, so verschwindet die gelbe Farbe im hinteren Segmente, während an der vorderen Trommel- fellpartie eine früher nicht sichtbare Niveaulinie erscheint.

Die rasche Lageveränderung der Niveaulinie bei veränderter vStellung 'des Kopfes lässt mit Sicherheit auf seröses Secret schliessen. Nur bei geringer Flüssigkeitsmenge bleibt in Folge der stärkeren Adhäsion des Secretes zwischen Trommelfell und innerer Trommelhöhlenwand (II, 16. 18) das Trommelfellbild bei geänderter Kopfstellung unverändert. Im All- gemeinen wird das Erscheinen einer ausgesprochenen Niveaulinie am Trommelfelle viel häufiger bei serösem als bei schleimigem Secrete beobachtet.

Die Trommelfellbefunde, bei denen eine Niveaulinie des Secretes am Trommelfell sichtbar ist, sind sehr veränderlich, insoferne ihre Lage und Krümmung, an verschiedenen Tagen, je nach der wechselnden Menge des Secretes, verschieden sein kann.

Anders gestaltet sich der Trommelfellbefund bei Ansammlung grösserer Flüssigkeitsmengen, welche die Trommelhöhle im Bereiche des Trommelfells ganz ausfüllen. In diesen Fällen zeigt das Trommel- fell ein gesättigtes, grünlichgelbes Colorit, dem nicht selten ein röthliches Grau beigemengt ist (II, 22, 25).

In Folge der, starken Lichtbrechung der Flüssigkeit schimmert das Promontorium und das Ambossstapesgelenk (II, 22) deuthch durch.

Das o;elblicho:rüne Colorit des Trommelfells zeigt verschiedene Abstufungen, je nach der Intensität der Farbe des Secretes. Die serösen Secrete haben eine hell- oder dunkelweingelbe Farbe. Die zähen, faden- ziehenden, schleimigen Secrete hingegen sind meist nur schwach gelb tingirt oder ganz farblos, und ihre Anwesenheit ist nur aus dem ge- sättigt fettglänzenden Farbenton zu erkennen. Ausnahmsweise fand ich auch schleimiges Secret citronengelb oder galliggrün gefärbt, wobei das Trommelfell dieselbe Farbennuance zeigte.

Bei den mit starker Retraction des Trommelfells verbundenen, secretorischen Mittelohrcatarrhen zeigt ausserdem die Membran die ver- pönt zer, Atlas der Beleucbtung^bilder des Trommelfells. 2. Aufl. O

Trommelfellbefuude bei den serös-schleimigen Mittelohrcatarrhen.

schiedensten Farbemiiiancen vom Gelbgrau bis zum Dunkel violettgrau, je nacli der Farbe des Exsudats und der gleichzeitigen Blutfüllung der Gefässe des Trommelfells und der inneren Trommelhöhlenwand.

Im Allgemeinen zeigt das Trommelfell bei den in diese Gruppe gehörigen Catarrhen einen dunkeln, gesättigten Farbenton im Gegensatze zur lichtgrauen, hellen Farbe des normalen Trommelfells oder der sehnig-grau getrübten Membran, wie solche nicht selten bei den chronischen Catarrhen nach dem Aufhören der Secretion beobachtet werden.

Bei dunkelgelben Exsudaten ist die Farbe des Trommelfells gelb- grau, mit einer röthlichen Nuance (III, 1, 2, 7); bei starker Injection der Promontorialwand prävalirt der röthlichblaue Farbenton, welcher nach der Intensität der Injection und der Transparenz des Exsudats und des Trommelfells der Membran eine dunkelneutralgraue, schiefergraue, violette (III, 3, 4, 5, 6, 9), oder eine blaugraue Farbe (III, 8) verleiht. Die letzterwähnten gesättigten Farbennuancen bei gleichzeitiger starker Einziehung des Trommelfells beobachtet man am häufigsten bei Kindern, welche an secretorischem Mittelohrcatarrh mit länger an- dauernder Unwegsamkeit der Ohrtrompete leiden. Es ist klar, dass in Folge des verschiedenen Abstandes des Trommelfells von der inneren Trommelhöhlenwand und der Faltenbildung am Trommelfelle der Farbenton an den einzelnen Abschnitten dunkler, an anderen lichter hervortritt.

Auffällig verändert erscheint das Trommelfellbild bei Secretan- sammlung nach einer L uft ein treib ung in die Trommel- höhle. Da hiebei das Trommelfell nach aussen rückt, so wird durch die Erweiterung des Trommelhöhlenraumes das Niveau der Flüssigkeit tiefer sinken, weshalb nicht selten dort, wo vorher das ganze Trommel- fell die charakteristische, gelbhchgrüne Farbe zeigte, nach der Luftein- treibung eine gerade oder concave Niveaulinie am Trommelfell zum Vorschein kommt.

Bei dünnflüssigem Secrete kommt es zuweilen nach der Luft- douche zur Bildung von Luftblasen im Secrete. Hat man Gelegenheit, hiebei das Trommelfell zu untersuchen, so sieht man manch- mal an seinem vorderen, unteren Rande eine oder mehrere Luft- blasen erscheinen, welche bald rasch, bald langsam über das Sehfeld in die Höhe steigen. In Tafel II, Fig. 27 ist der Trommelfellbefund eines Falles abgebildet, an dem nach der Lufteintreibung eine Luftblase, von vorn und unten in die Höhe stieg, um durch kurze Zeit im hinteren, oberen Quadranten des Trommelfells als eine mit einem hellen Saum umgebene, kreisförmige Scheibe fixirt zu bleiben. Selten kommt

Trommelfellbefunde bei den serös-schleimigen Mittelohrcatarrhen. ()7

es nach der Luftdoucho zur förmlichen S c h a u m b i 1 d u n g in der Trommelhöhle, wobei zahlreiche, von schwarzen oder schimmernden Contouren begrenzte Ringe am Trommelfelle sichtbar werden (II, 28j. die eine lebhafte Bewegung zeigen, ihren Ort rasch wechseln und bald ganz verschwinden.

Wird bei serösem Secrete eine Lufteintreibung nach meinem Ver- fahren in der Weise ausgeführt,') dass der Kopf eine nach vorn und nach der entgegengesetzten Seite geneigte Stellung erhält, so fliesst hiebei die Flüssigkeit entweder ganz oder theilweise durch die Ohr- trompete in den Rachenraum ab. Im ersteren Falle zeigt das vorher gelblichgrUne Trommelfell (II, 25) eine lichtgraue Farbe (II, 26), im letzteren Falle wird die früher hochstehende Niveaulinie der Flüssigkeit um ein Bedeutendes herabrücken.

Hier wäre noch der Trommelfellbefund einer im Ganzen seltenen Uebergangsform vom secretorischen Mittelohrcatarrh zur reactiven Mittelohrentzündung zu erwähnen, die man als entzündlichen Hydrops bezeichnet. In diesen Fällen kommt es unter leichten Reactionser- scheinungen zu partiellen, gelblichen, kugeligen Vorwölbungen im hinteren, oberen Quadranten, seltener an der unteren Hälfte des Trommelfells (11. 24) mit gleichzeitiger, starker Injection der Hammergriffgefässe. Sie unterscheiden sich dadurch von den Blasen und Abscessen am Trommelfelle, dass nach einer Luftdouche die Luft in die vorgewölbte Partie eintritt, und dass dann Secret und Luft durch den Farbencontrast und durch eine bisweilen ausgesprochene Niveaulinie getrennt sind (vgl. Tafel V, 10, 21 und 22).

Im Anschlüsse mögen hier die Trommelfellbefunde nach der Paracentese des Trommelfells bei den serös-schleimigen Catarrhen ihren Platz linden. Wird bei copiöser Ansammlung seröser Flüssig- keit in der Trommelhöhle das Trommelfell mittelst einer lanzenförmigen Paracentesennadel durchtrennt, so tritt nur in sehr seltenen Fällen ein kleiner Flüssigkeitstropfen durch die Paracentesenöffnung an die äussere Fläche des Trommelfells. Bei genauer Prüfung beobachtet man öfter in der leicht klaffenden Schnittöffnung eine schwache Pulsation der Flüssig- keit oder eine deutliche Bewegung des Secrets beim Sprechen und Schlingen. Zuweilen ist gleichzeitig objectiv ein knackendes Geräusch im Ohre hörbar, wobei die Wundränder auseinanderweichen. In der Mehrzahl der Fälle wird in Folge der durch die Paracentese bewirkten Entspannung des Trommelfells Luft in die Trommelhöhle aspirirt, wobei

') Vgl. Politzer, Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 3. Auflage, 1893, S. 228.

5*

63 Anomalien der Wölbung des Tiorameltells bei den Mittelohrcatan'hen.

man öfters eine oder mehrere durch die Sclmittöffnnng eintretende Luft- blasen hinter dem Tronmielfelle in die Höhe steigen sieht.

Bei copiöser Schleimansammlung in der Trommelhöhle tritt öfter nach der Paracentese ein Tröpfchen Secret durch die Paracentesen- öfFnung aus. Ist die Schnittöfihung zu klein, so bleibt nicht selten nach der Lufteintreibung in die Trommelhöhle der Schleim in der Paracen- tesenöffnung eingeklemmt, wobei der vorgetriebene Schleimtropfen als gelblichgrün glänzende Perle an der ParacentesenöfFnung sichtbar wird (H. 23). Nach Entfernung der Secrete aus der Trommelhöhle mittelst der Luftdouche oder durch Luftverdünnung im äusseren Gehörgange schwindet die grünlichgelbe Farbe des Trommelfells, es erscheint licht- grau, glanzlos, bisweilen von zahlreichen, sich kreuzenden, lichtbrechen- den Linien durchzogen, die bei serösem Secrete von grossen Luftblasen in der Trommelhöhle herrühren.

Anomalien der Wölbung des Trommelfells bei den Mittelolircatarrlien.

(Tafel II, 16, 19, 21, 24, 25 und Tafel III, 1-26.)

Bei den recenten, wie bei den chronischen Mittelohrcatarrhen wird häufig die Wölbung der Membran und damit auch die Stellung des Hammergriffs in so charakteristischer Weise alterirt. dass oft der Trommelfellbefund allein die Feststellung der Diagnose ermöglicht. Die häufigste Ursache der abnormen Einwärtswölbung des Trommelfells ist die länger dauernde Unwegsamkeit des Tubencanals, durch welche die Luft in der Trommelhöhle verdünnt und das Trommelfell durch den prävalirenden äusseren Luftdruck nach innen gedrängt wird. Minder häufig wird das Trommelfell durch Retraction der Tensorsehne und durch Adhäsionen zwischen Trommelfell und innerer Trommelhöhlen wand abnorm nach innen gewölbt.

Bei den totalen Einwärtswölbungen des Trommelfells erscheint der Hammergriff nach hinten, innen und oben gerückt, perspectivisch verkürzt, der kurze Hammerfortsatz in Form eines spitzen Dreiecks nach aussen und vorn vorspringend (H, 16. 19, 21; 111,1 23). Durch den stark prominirenden kurzen Hammerfortsatz tritt der von ihm ausgehende, im Normalen nur schwach angedeutete Faltenzug bald mehr, bald Aveniger scharf ausgeprägt hervor. Am auffälligsten springt die hintere T r o m m e 1 f e 1 1 f a 1 1 e als weissliche oder sehniggraue, ab- gerundete oder scharfkantige Leiste ins Auge. Ihre Richtung vom Pro- cessus brevis ist bald gerade gestreckt, nach hinten und oben (III. 1), bald verläuft sie parallel der hinteren Insertion des Trommelfells, in

Anomalien der Wölbung- des Tronamelfells bei den Mittelohrcatarrhen. QQ

Starkem Bogen nach hinten und unten, um sich im unteren Trommel- fellsegmente zu verlieren (III. 2 11, 13 17) (v. Tröltsch).

Bisweilen zieht, -wie Bing zuerst beobachtete, eine zweite, der eben geschilderten parallelen Falte vom Processus brevis oder von der Mitte des Hammergriffs in Bogenform nach' hinten und unten, in welchem Falle im hinteren Trommelfellsegmente zwei ausgeprägte hintere Falten sichtbar sind (III, 20).

Minder scharf ausgeprägt und theilweise durch den kurzen Fort- satz verdeckt ist die vordere T r o m m e 1 f e 1 1 f a 1 1 e, Avelche vom Processus brevis als kurze, geradegestreckte (III, 5. 8. 9) oder als bogenförmig nach vorn und unten ziehende Leiste (III, 3, 6) vorspringt.

Neben diesen Falten findet man auch den Faltenzug über dem kurzen Fortsatze stark hervortretend. In der Reo-el sind es drei kurze, leicht geschwungene Fältchen. von welchen das vordere und hintere die eingesunkene Membrana Shrapnelli und die obere Fläche des kurzen Fortsatzes zwischen sich fassen, während das mittlere Fältchen in ge- rader Richtung vom Processus brevis über die Shrapnell'sche Membran zur Kuppe des Rivini'schen Ausschnittes verläuft (III. 2, 3. 6. 9, 12. 14). Die. zwischen den Falten gelegenen Theile des Trommelfells sind meist stark eingesunken und verdünnt.

Wir sehen somit bei den hier geschilderten Retractionen des Trommelfells durch die Hebelwirkung des Hammero-riffs den oberen Abschnitt der Membran abnorm nach aussen gedrängt, während gleichzeitig ihr mittlerer und unterer Theil übermässig nach innen gewölbt ist. Diese Einwärtswölbung ist nur selten eine gleichmässige, indem der centrale, dünnere Theil der Membran dem äusseren Luft- drücke mehr nachgibt, als ihr resistenter, peripherer Theil. Da- durch entsteht nicht selten zwischen dem peripheren und centralen Theile des Trommelfells eine Knickung. Avelche von mir zuerst als periphere Knickung des Trommelfells beschrieben wurde und die sich durch einen im vorderen, unteren Quadranten der Mem- bran sichtbaren, sichelförmigen Glanzstreifen charakterisirt (III, 3, 6, 8). Der eingezogene, centrale Theil des Trommelfells kommt bald mit einem grösseren, bald mit einem kleineren Abschnitte der inneren Trommelhöhlenwand soweit in Berührung, dass die Umrisse des gelbgrauen, hügelig vorspringenden Promontoriums und der Amboss- stapesverbindung an der Fläche des Trommelfells deutlich hervortreten.

Bei massigen Graden der Retraction des Trommelfells ist der Hammergriff trotz der perspectivischen Verkürzung in seiner ganzen Continuität sichtbar (IH. 1. 8, 9 1. Bei hochgradiger Einziehung hingegen

70

Totale und partielle Atrophie des Trommelfells,

:^

wird zuweilen der ganze Hammergriff (III, 13) oder nur sein oberer und mittlerer Abschnitt maskirt (IL 16, 21; III, 2—7, 10, 16, 17). Im Verlaufe cbronisclier Mittelohrcatarrhe kommt es nicbt selten zur Atrophie des Trommelfells, durch welche seine Wölbung bleibend alterirt Avird. Sie betrifft entweder die ganze Membran gleich- massig oder nur einzelne Partien.

Der Trommelfellbefund bei der totalen Atrophie des Trommelfells ist sehr variabel. Bald erscheint es bei sonst normaler Wölbung

sehr transparent, bald wieder getrübt, nach innen gesunken oder an einzelnen Stellen faltig. Die Fältchen gruppiren sich radiär vor dem Hammergriff (III, 22), oder um den Umbo (III. 23, 25), oder endhch parallel der hinteren Trommelfellfalte vom hinteren Rande des Hammergriffs gegen die hintere, obere Peripherie des Trommel- fells hinziehend (III, 21). Jedes dieser Fältchen trägt an der Kante einen linearen Lichtreflex.

Die partiellen Atrophien des Trommel- fells erscheinen in Form rundlicher, ovaler, verwaschener oder scharf begrenzter, narben- ähnlicher Einsen kun gen, welche, meist hinter dem Hammergriff gelegen, mit der inneren Tr o mm elh ö hl en wan d und dem A m b o s s s t a p e s g e 1 e n k in Berührung kommen und dessen Contouren stärker hervortreten lassen.

Aehnliche Einsenkun gen am Trommel- felle beobachtet man bei umschriebenen Adhäsionen des Trommelfells mit der inneren Trommelhöhlenwand oder mit dem Ambossstapesgelenk. Diese Verwachsungen werden entweder durch bandartige Brücken vermittelt, oder es adhärirt bald ein kleineres, bald ein grösseres Areale der Innen- fläche der Membran unmittelbar an die Promontorialwand.

Den partiellen Einsenkungen am Trommelfelle sind die Anlagerungen oder Verwachsungen der SbrapnelTschcn Membran mit dem Hammer- halse beizuzählen. Die Verwachsung ist entweder eine unvollständige, so dass noch ein Rudiment des Prussak'schen Raumes zurückbleibt (Fig. 24), oder eine vollständige. Einen Fall letzterer Art mit totaler Veröduno- des l^russak'schen Raumes habe ich zuerst beschrieben, und

Fig. 24.

Verwachsung der Membrana Shrapnelli mit dem Hammerhalse. Der Prusaak- sche Raum bis auf eine kleine Höhle verödet. m = Malleus. & = Pro- cessus brevis mallei. ma =Manubrium mallei. 6' ■= Membrana Shrapnelli. 7»« = äussere Wand des Attic. a = Attie extern. (Nach einem Präparate meiner Sammlung.)

TronimeU'elltriibungeii bei Mittelohrcatarrlien. 71

in meinem Lehrbuche (3. Aufl.. S. 244, Fig. 136j abgebildet. Der Trommelfellbefund zeigt über dem kurzen Fortsatze eine grubige Ver- tiefung, die durch zAvei vom Processus brevis gegen den Rivini'sclien Aussclmitt divergirende, stark vorspringende Falten üankirt wird. Am Grunde dieser Vertiefung, in der öfter ein kleiner Lichtfleck sitzt, treten zuweilen die Umrisse des Hammerlialses deutlich hervor.

Seltener als den partiellen Einsenkungcn begegnet man um- schriebenen Atrophien mit Vorwölbung der betreffenden Trommel- fellpartie gegen den äusseren Gehörgang in Form einer glänzenden, blasenartigen Vorbauchung, welche bei Prüfung mit dem Siegle'schen Trichter eine aufftlUige Beweglichkeit zeigt (III, 24). Im Allgemeinen ist es das hintere, obere Segment des Trommelfells, das bei chronischen Mittelohrcatarrhen am häutigsten atrophirt.

Anomalien der Durchsichtigkeit des Trommelfells bei den chronischen Mittelohrcatarrhen.

(Tafel IV, 1—28.)

Die Durchsichtigkeit des Trommelfells erleidet sowohl bei den secretorischen Mittelohrcatarrhen, als auch bei den aus diesen sich ent- wickelnden Adhäsivprocessen im Mittelohre mannigfache Veränderungen, welche häufig wichtige Anhaltspunkte für die Diagnose hefern. Die pathologisch-anatomischen Veränderungen in der Substantia propria, besonders aber die in der Schleimhautschichte, bilden hier ausschliessKch die Grundlage jener Anomalien der Durchsichtigkeit und Farbe, die als Trübungen des Trommelfells bezeichnet werden.

So wichtig im Allgemeinen die Trommelfelltrübungen in diagno- stischer Beziehung sein mögen, so ist doch hervorzuheben, dass man häutig auch bei Normalhörenden Trübungen des Trommelfells antrifft, die entweder aus dem Fötalleben stammen, oder als Folgen eines in früherer Zeit mit völliger Heilung abgelaufenen Krankheits- processes angesehen werden können.

In klinischer Beziehung unterscheiden Avir partielle und totale Trübungen des Trommelfells. Die partiellen Trübungen er- scheinen als sehniggraue oder bläulichweisse Opacitäten, welche, am häufigsten in der intermediären Zone zwischen Hammergriff und Peri- pherie gelegen, nach Grösse und Form mannigfach differiren. Die Schilderung aller möglichen Varietäten der Trommelfelltrübungen würde indess zu weit führen, weshalb wir uns auf die Beschreibung der

72 Kalkablagerangen im Trommelfelle.

typischen Befunde beschränken. Eine der häufigsten Formen der par- tiellen Trübungen ist die hinter dem Hammergriff gelegene, halbmond- förmige, mit der Convexität gegen die Peripherie gekehrte, milchglas- ähnliche, an den Eändern verwaschene Opacität (IV, 13, 17 und 18), oder eine den Hammergriff umfassende, hufeisenförmige, sehniggraue Trübung, innerhalb welcher die nicht getrübte Nabelgegend dunkler erscheint, als im normalen Zustande (IV, 14).

Ausser diesen intermediären Trübungen beobachtet man öfter bei chronischen, inveterirten Catarrhen zerstreute, fleckige oder streifige, lichtgraue Trübungen von verschiedener Form und Ausdehnung, zwischen denen die normalen oder weniger getrübten Theile des Trommelfells als dunkle, scheinbar tiefer liegende Flecke sichtbar sind. Es muss dies deshalb hervorgehoben werden, weil derartige, nicht getrübte Trommel- fellpartien dem Mindergetibten als narbige Einziehungen imponiren können (IV, 15, 16).

Ebenso häufig findet man bei sonst normalem Aussehen des Trommelfells eine periphere, bläulichgraue, circuläre, dem Arcus senilis vergleichbare Opacität, die theils durch Trübung des Annulus tendinosus, theils durch Verdickung der Schleimhautschichte an der Peripherie des Trommelfells zu Stande kommt.

Eine seltene, bisher jedoch wenig berücksichtigte Form der partiellen Trommelfelltrübungen sind die meist hinter dem Hammergriff gelegenen Opacitäten, welche nach verschiedenen Richtungen verästigt ausstrahlen und gegen die Peripherie hin verschwinden (IV, 19 und 20). Anato- mische Untersuchungen haben mir gezeigt, dass diese Form der Trü- bung am häufigsten durch Verdickung des der Schleimhautfläche des Trommelfells angehörigen, faserigen Balkenwerks (Grub er) zu Stande kommt (vgl. S. 15).

Zu den partiellen Trübungen zählen die Kalk abläge rungen im Trommelfelle. Sie sind bei den nicht eiterigen Mittelohrcatarrhen weit seltener als bei den später zu schildernden, eiterigen Mittelohrentzündungen. Auch erreichen sie fast nie jene Ausdehnung und Mächtigkeit, wie nach abgelaufenen Mittelohreiterungen. Sie erscheinen als kreideweisse, zwischen Hammergriff und Peripherie gelegene Flecke am Trommelfelle, die sich durch die Intensität ihrer Farbe und durch ihre scharfe Begrenzung von den früher geschilderten, intermediären Trommelfell- trübungen unterscheiden. Ihr Sitz ist häufiger vor dem Hammergriff (IV. 1 und 2). als hinter ihm (IV, 3 und 4). Bisweilen findet man zwei Kalkablagerungen, die eine vor, die andere hinter dem Hammergriff liegend, wobei die Kalkflecke halbmondförmig die Convexität gegen die Peripherie, die Concavität gegen den Hammergriff' kehren (IV, 5, 6

Knikablagerungen im Trommelfelle.

73

und 12). Seltener umgreift die Kalkablagerung liufeisenfürmig den Hammergriff (IV, 8, 9 und 10), oder es verkalkt nur der centrale Theil des Trommelfells, wobei das untere Ende des Hammergriffs in den Verkalkungsprocess einbezogen wird (IV, 7).

Die Kalkablagerungen im Trommelfelle bei den nicht eiterigen Mittelohrcatarrhen bedingen an und für sich nur selten eine bedeutendere Hörstörung, weil die in die Substantia propria eingestreuten Kalkmole- cüle die Schwingbarkeit der Membran sehr wenig herabsetzen. Beweis hiefür das Vorkommen von Kalkflecken am Trommelfelle bei normalhörenden Individuen ') (Fig. 25 und 26). Die bei Kalkablagerungen im Trommelfelle beobachteten Hörstörungen sind bei den Mittelohrcatarrhen

Kalkablagerungen im Trommelfelle bei einem normalhörenden, jugend- lichen Individuum.

Fig. 26.

Innere Fläche des Trommel- fellpräparates eines normal- hörenden Individuums. Halb- mondförmige Kalkablagerung vor dem Hammergriff.

vielmehr auf gleichzeitige Adhäsivprocesse an der Kette der Gehörknöchel- chen zurückzuführen. Eine Herabsetzung der Schwingbarkeit der Membran durch die Kalkablagerung ist ausgeschlossen, wenn bei Prüfung mit dem pneumatischen Trichter das Trommelfell normale oder vermehrte Beweglichkeit zeigt.,

Zu den häufigen Trommelfellbefunden bei den chronischen Mittel- ohrcatarrhen zählen die totalen Trübungen des Trommelfells. Ihr anatomischer Sitz ist meist die Schleimhautschichte der Membran, doch participirt oft genug auch die Substantia propria in Folge von gleichzeitiger Einlagerung von molecularen Kalksalzen und Fetttröpfchen zwischen ihren Fasern. Die Opacitäten der Schleimhautschichte werden am häufigsten durch gleichmässige oder ungleichmässige Ver- dickung und Trübung des Bindegewebsstratums oder durch einfache Trübung der Epithelschichte bedingt.

^) A. Politzer, Beleuchtungsbilder des Trommelfells. Wien 1865, S. 54.

74 Kalkablagerungen ina Trommelfelle.

Bei den diöusen. totalen Trübungen, bei denen die Eigenfarbe des normalen Trommelfells durch Einlagerung der trübenden Substanz verloren geht. Avird der Durchtritt des Lichtes durch das Trommel- fell in die Trommelhöhle auf ein geringes Mass reducirt. Die von der Promontorialwand reflectirten Strahlen Averden daher umsoweniger die Farbennuance des Trommelfells alteriren, je intensiver die Trübung ist. Bei leichteren Graden der Trübung hingegen gelingt es noch immer, seröse und schleimige Exsudate oder hämorrhagische Extravasate zu diagnosticiren. Im ersteren Falle ist dem Grau der Trübung eine gelbe Farbennuance beigemengt, im letzteren erhält die Membran eine charak- teristische, dunkelblaugraue Farbe, welche indess nur dann diagnostisch für Hämorrhagie in der Trommelhöhle verwerthet werden kann, wenn sie sich während der Krankenbeobachtung entwickelt. Es ist dies deshalb zu l)eachten, weil ähnliche blaue Verfärbungen getrübter Trommelfelle auch durch starke Hyperämie der Promontoriumschleimhaut oder der Schleimhautschichte des Trommelfells selbst zu Stande kommen können.

Bei den totalen Trübungen erscheint das Trommelfell je nach der Intensität der Trübung bald gleichmässig bläulichweiss wie eine ange- hauchte Glasfläche (IV, 21 und 22), bald milchglasähnlich, saturirt- bleigrau (IV^. 24 und 25) oder ungleichmässig fleckiggrau. Bei gleich- zeitiger Hyperämie der Schleimhaut oder Cutisschichte ist dem Grau ein schwaches Roth beigemengt. Diese Röthunff ist meist auf die Gee-end des Hammergriffs (IV, 21) oder auf die oberen Partien des Trommelfells und die Gegend der Shrapnell'schen Membran begrenzt (IV, 25, 26).

Die intensivsten Trübungen bei den chronischen Trommelhöhlen- catarrhen findet man bei excessiver Verdickung der Schleimhautschichte des Trommelfells und bei Ver- wachsungen dieser mit der inneren Trommelhöhlen- wand. In solchen Fällen erhält die Membran oft das Aussehen einer gelblichen Pergamentplatte, wobei der periphere Theil der Membran zum centralen scharf geknickt ist und mit Ausnahme des kurzen Fortsatzes die Contouren des Hammergriffs in der verdickten und adhärenten Trommelfellpartie sich kaum mehr unterscheiden lassen. Bei Sonden- berührung fühlen sich derartige Trommelfelle starr und unnachgiebig an. Zuweilen sieht man bei solchen intensiven Trübungen röthlich- braune Flecke am Trommelfelle, die diesem ein gesprenkeltes Aussehen verleihen. Sie sind durch Ablagerung von rostfarbigem Pigment in die Schleimhautschichte oder in die die Adhäsion bewirkende Bindegewebs- neubildung bedingt.

Durch die Trübung des Trommelfellgewebes wird auch die Farbe und der Uniriss des IIa m m er o-r i f f s alterirt. Dieser ist oft

Wölbungsänderungen des Trommelfells nach einer Lufteiiitreibung etc. 75

scheinbar verbreitert und verdickt (Ladreit de L ach a r ri 0 r e), die Nabeltrübung' vergrössert, radienförmig aus- strahlend, gelblicher oder weisser, als die übrigen getrübten Partien des Trommelfells (III, 16).

In einer grossen Reihe von I^'ällen findet man sowohl bei den partiellen, als auch bei den totalen Trübungen keinerlei Aenderung in der Wölbung des Trommelfells (IV, 1, 2, 10, 12, 13,14,22,25). Nicht selten jedoch beobachtet man neben ausgesprochener Trübung eine starke Retraction der Membran mit perspectivischer Verkürzung des Hammergriffs und starker Entwicklung der Trommelfell falten; der Lichtfieck verschmälert und verkürzt, selten verlängert, oft unregel- mässig verwaschen oder ganz fehlend (III, 13, 14, 15, 16; IV, 11, 15, 16, 23, 24, 27). Die partiellen und diffusen Trübungen des Trommel- fells können nur im Zusammenhange mit einer Reihe anderer dia- gnostischer Behelfe zur Feststellung der Diagnose einer Mittelohr- affection herangezogen werden. Für sich allein bieten sie keine genügenden diagnostischen Anhaltspunkte, da man nicht selten auch bei ausgesprochenen Labyrintherkrankungen den verschiedenartigsten Formen von Trommelfelltrübungen begegnet. Das Vorkommen von Kalk- ablagerungen • am Trommelfelle lässt mit grösserer Wahrscheinlichkeit auf das Vorhandensein eines Schallleitungshindernisses im Mittelohre schliessen, als die umschriebenen oder diffusen, sehniggrauen Trommel- felltrttbungen. Hingegen muss den Trommelfelltrübungen in Combination mit ausgesprochener Einwärtswölbung des Trommelfells ein grösserer diagnostischer Werth für die Diagnose der Mittelohraffectionen bei- aemessen werden.

Wölbiingsäiiderungen des Trommelfells nach einer Lnfteintreibung in die Trommelhöhle und bei der Untersuchung mit dem Siegle'schen Trichter.

Ein besonderes Interesse bieten die Veränderungen, die am stark retrahirten Trommelfelle unmittelbar nach einer Luftein- treibung in die Trommelhöhle wahrgenommen werden. Bei totaler Einwärtswölbung des Trommelfells sieht man nach der Luft- douche den früher stark nach innen und hinten geneigten Hammergriff nahezu in seine frühere verticale Stellung zurückkehren, der kurze Fortsatz ist weniger vorspringend, und die früher stark ausgeprägten Trommelfellfalten fast vollständig ausgeglichen. Ist das Trommel- fell atrophisch, so wird durch die starke Vorbauchung des vorderen und hinteren Trommelfellsegmentes zwischen beiden eine Rinne ent- stehen, deren tiefste Stelle der Hammer bildet, wodurch dieser nach der

76 Wölbung-sänderungen des Trommelfells nach einer Lnfteintreibung- etc.

Luftdouche nicht selten nahezu unsichtbar wird. Auch die Farbe des Trommelfells wird häufig durch die Luftdouche alterirt, indem das früher gesättigt dunkelgrau-violette Trommelfell lichtgrau und undurchsichtig erscheint. Nach kurzer Zeit kehrt das Trommelfell und der Hammergriff in die frühere pathognomonische Stellung zurück.

Eine nahezu constante Veränderung an retrahirten Trommelfellen nach einer Lufteintreibung in die Trommelhöhle ist die starke Injec- tion des Gefässbündels des Hammergriffs. Diese Hyperämie wurde früher als Symptom einer durch die Lufteintreibung bedingten Reizung des Trommelfells gedeutet. Ich habe zuerst auf das Irrige dieser An- nahme hino-ewiesen. da sich die starke Blutfülluno; der Hammers-efässe auf die plötzliche Aenderung in der Stellung der Membran zurückführen lässt. Durch die rasche Auswärtswölbung des retrahirten Trommelfells nämlich Averden die von der oberen Gehörgangswand zum Trommelfell hinziehenden Gefässe plötzlich geknickt und dadurch eine vorübergehende Stauung in den Venen des Hammergriffs hervorgerufen.

Partielle Einsenkungen des Trommelfells wölben sich nach einer Lufteintreibung in die Trommelhöhle blasenförmig gegen den Gehör gang vor. Bei grösseren Einsenkungen im hinteren, oberen Quadranten des Trommelfells, welche mit dem Promontorium und dem Ambossstapesgelenke in Berührung treten, wölbt sich nach der Luftdouche die eingesunkene Partie beuteiförmig so stark nach aussen vor, dass der mittlere und untere Theil des Hammergriffs von ihr maskirt wird. Gleichzeitig verschwinden die früher sichtbaren Theile des Promontoriums und der Ambossstapesverbindung. Diese Ver- änderungen sind jedoch nur von kurzer Dauer, indem schon nach einigen Minuten die vorgewölbten, durch den inneren Luftdruck straff gespannten, verdünnten Trommelfellpartien faltig werden und langsam wieder nach innen sinken. Bei S e c r e t a n s a m m 1 u n g in der T r o m m e 1 h ö h 1 e wird durch die Luftdouche ein Theil des Exsudats in die sackartig vorgewölbte Partie gepresst, in welchem Falle das am Boden des Sackes angesammelte, gelblich durchschimmernde Secret sich durch eine Niveaulinie vom lufthaltigen Theile der Vorbauchung abgrenzt.

Die Untersuchung des Trommelfells mittelst des pneumatischen Trichters bei den mit Unwegsamkeit der Ohrtrompete ver- bundenen Mittelohrcatarrhen ergibt eine auffallend geringe Beweg- lichkeit der retrahirten Membran im Vergleiche zu der des nor- malen Trommelfells. Der Grund hievon liegt in der durch den Tuben- verschluss bedingten Luftverdünnung in der Trommelhöhle, wodurch das Trommelfell durch den äusseren Luftdruck übennässio; belastet

Wölbungsänderungen des Trommelfells nacli einer Lufteintreibung etc. 77

wird, und bei der Aspiration der Luft im äusseren Geliürg-ange nur weniff nach aussen rückt. Wird in solchen Fällen durch eine Luftein- treibung nach meinem Verfahren oder mittelst des Katheters das Gleich- gewicht zwischen dem Luftdrucke in der Trommelhöhle und der äusseren Luft wieder hergestellt, so zeigt nun das früher wenig bewegliche Trommelfell bei der Prüfung mit dem Siegle'schen Trichter eine weit grössere Beweglichkeit als im normalen Zustande. Diese abnorme Mobilität nach Wegsammachung der Ohrtrompete ist die Folge einer Verdünnung und Erschlaffung der Membran, welche sich auf die lang dauernde, einseitige Belastung des Trommelfells durch den äusseren Luftdruck zurückführen lässt.

Unter günstigen Verhältnissen kann die erschlaffte Membran ihre normale Resistenz wieder erlangen, doch bleibt nicht selten trotz der wiederhergestellten Wegsamkeit des Tubencanals eine allgemeine oder partielle Atrophie des Trommelfells zurück.

Die Diagnose totaler Atrophien des Trommelfells bei . den chronischen Mittelohrcatarrhen ist bei einiger Uebung oft schon durch die einfache Inspection zu stellen. Findet man das Trommelfell auffallend durchsichtig, oder mit unregelmässigen Lichtreflexen bedeckt, oder endlich mehrere, vom Umbo gegen die Peripherie hinziehende, lineare Fältchen (III, 22, 23), so kann eine Atrophie des Trommelfells mit grosser Wahrscheinlichkeit angenommen werden. Häufig jedoch kann die Diagnose totaler Atrophien nur mittelst des Siegle'schen Trichters gestellt werden, da man einerseits bei Trommelfellen von durchaus normalem Aussehen und andererseits wieder bei intensiv s-etrübten, scheinbar verdickten Membranen nur durch die Prüfung mit dem pneumatischen Trichter eine starke Erschlaffung und Atrophie erkennt. Die Untersuchung mit dem Siegle'schen Trichter zur Feststellung: der Spannungsänderungen des Trommelfells ist daher nie zu unterlassen.

Die Atrophie des Trommelfells ist manchmal mit einer vermehrten Beweglichkeit des Hammergriffs verbunden, aus dem auf eine Erschlaffung des Bandapparates am Hammer-Ambosskörper geschlossen werden kann. Oefter jedoch beobachtet man trotz ausgiebiger Excursionen der Membran keine oder eine kaum merkliche Stellungsänderung am Hammergriff, ein Symptom, das eine Fixirung des Hammerkopfes im oberen Trommelhöhlenraume mit grosser Wahrscheinlichkeit annehmen lässt. Es sei hier noch erwähnt, dass die grosse Beweglichkeit der den Hammergriff begrenzenden Theile des Trommelfells dem minder Geübten eine stärkere Locomotion des Hammergriffs vortäuschen kann, namentlich, wenn während der Phase der Luftverdünnung der Hammer durch das starke Nachaussentreten des hinteren Trommelfellsee:mentes maskirt

78 Wülbungsändeiung-en des Trommelfells nach einei" Lufteintreibung etc.

wird. Die Beweglichkeit des Hammergriös ist daher stets unabhängig von der des Trommelfells zu untersuchen.

Umschriebene Atrophien des Trommelfells sind bei der Prüfung mit dem Siegle'schen Trichter durch ihre grössere Beweglichkeit gegenüber den nicht verdünnten Partien der Membran kenntlich. Schwieriger ist die Diagnose der Verwachsungen des Trommel- fells mit der inneren Trommelhöhlenwand, namentlich dort, wo die Adhäsionen durch längere Bindegewebsbrücken vermittelt werden. Diese sind, wie ich an controlirenden Untersuchungen post mortem fand, je nach ihrer Mächtigkeit und Ausdehnung durch eine circumscripte Trübung oder durch eine leichte Einziehung an der äusseren Fläche des Trommelfells angedeutet, ohne dass an der betreffenden Stelle durch den Sieo-le'schen Trichter eine auffällige Verminderuno; der Beweglichkeit, im Vergleiche mit den anderen Partien des Trommelfells, bemerkbar wäre. Hingegen bietet die Diagnose unmittelbarer, flächen artiger Adhärenzen des Tromiuel felis mit der Promontorialwand nur geringe Schmerigkeiten. Wo umschriebene Partien der Membran der Innenwand der Trommelhöhle blos anliegen, dort werden die eingesunkenen Stellen nach einer Lufteintreibung in die Trommelhöhle sich mehr oder weniger stark nach aussen vorwölben, wobei die früher deutlich vor- springenden Umrisse der inneren Trommelhöhlenwand verschwinden. Untersucht man solche nichtadhärente Partien mit dem Siegle'schen Trichter vor einer Lufteintreibung in die Trommelhöhle, so findet man sie häufig unbeweglich, weil durch das stärkere Anschmiegen der sich berührenden Flächen die betreffende Trommelfellpartie, selbst durch eine stärkere Luftverdünnung im äusseren Gehörgange, von der inneren Trommelhöhlenwand nicht abgezogen werden kann.

Hieraus ergibt sich, dass zur Diagnose der Verwachsung des Trommelfells oder einzelner Partien desselben die Untersuchung mit dem Siegle'schen Trichter allein nicht genügt, sondern dass ihr stets eine Lufteintreibung in die Trommelhöhle nach meinem Verfahren oder mittelst des Katheters vorausgehen muss. Erst dann, wenn nach gelungener Luftdouche die eingesunkenen Trommelfellpartien bei Prüfung mit dem Siegle'schen Trichter keine oder nur eine geringfügige Be- weglichkeit zeigen, kann die Diagnose der Verwachsung des Trommel- fells mit den tieferliegenden Partien der Trommelhöhle mit grosser Wahrscheinlichkeit gestellt werden, besonders wenn die Berührung der betreffenden Stellen mit der Sonde eine harte, resistente Unterlage erkennen lässt.

Ln Anschlüsse möchte ich noch auf einen Trommelfellbefund hinweisen, der zuweilen bei der soo^enannten Sklerose der Mittelohr-

Wölbungsänderung-en des Trommelfells nach einer Lufteintreibung etc. 79

Schleimhaut zur Beobachtung gelangt. Diese keineswegs seltene Erkrankung des Gehörorgans, die meist mit anhaltenden subjectiven Geräuschen und mit progressiv zunehmender Schwerhörigkeit verläuft und in der Regel mit hochgradiger Taul)heit abschliesst, ist nach meinen Unter- suchungen nicht in einer Erkrankung der Mittelohrschleimhaut, sondern in einer primären Affection der Labyrinthkapsel zu suchen.^) Der Krankheitsprocess besteht in einer Wucherung von neugebildetem Knochengewebe in den der Fenestra ovalis nahegelegenen Theilen der Labyrinthkapsel, von wo die Knochenwucherung gegen das ovale (seltener gegen das runde) Fenster proliferirt und zur Ankylose des Steigbügels und schliesslich zur Occlusion der Fenestra ovalis führt.

In einer Reihe dieser Fälle ündet man nun, bei sonst vollkommen normalem Trommelfelle, hinter dem Hammergriff einen diffusen r 0 1 h 1 i c h e n Schimmer, den man bei einiger Uebung als röthlichen Reflex der durchschimmernden Promontorialwand erkennt flll, 27) Zuweilen ist der rosige Schimmer über das ganze Trommelfell verbreitet (III, 28). Schwartze, der zuerst auf diesen Trommelfellbefund auf- merksam gemacht hat, ist der Ansicht, dass dieser röthliche Reflex von einer Hyperämie der Trommelhöhlenschleimhaut herrührt. Meine anatomischen Untersuchungen haben jedoch ergeben, dass er von einer starken Blutfüllung der neugebildeten Knochenmasse in der Promon- torialwand stammt, welche durch die Schleimhaut hindurchschimmert. Dieser Trommelfellbefund ist in Verbindung mit dem progressiven Ver- laufe der Hörstör Ling, der herabgesetzten Perception durch die Kopfknochen, dem negativen Rinne und dem ursächlichen Momente (hereditäre Anlage, Puerperium, Syphilis, Gicht) stets als ein prognostisch ungünstiges Symptom aufzufassen.

^) lieber primäre Erkrankung der knöchernen Labyrinthkapsel. Zeitschrift für Ohrenheilkunde. 1894, Bd. XXV.

IX.

Trommelfellbefunde bei der acuten Mittelohrentzündung (Otitis media acuta).

(Tafel V, 1—9, 15.)

Als acute Entzünclimg der Mittelolirsclileimhaiit bezeiclinen wir jene mit Reactionserscheinungen einhergehende Exsudation im Mittel- obre, welclie sich durch den Erguss eines schleimig-eiterigen, seltener eines rein eiterigen Secretes, und durch ihren fast typischen Verlauf charakterisirt. In diese Gruppe der acuten Mittelohrentzündung reihen ^vir jene Fälle, die ohne Perforation des Trommelfells ab- laufen.

Nach den neueren Untersuchungen ist die Otitis media acuta als eine Infectionskrankheit mikroparasitären Ursprungs anzusehen, bei der die vom Nasenrachenräume durch den Tubencanal in die Trommelhöhle eingewanderten pathogenen Mikroorganismen unter günstigen Verhältnissen in die subepithelialen Schichten der Schleim- haut gelangen und eine entzündliche Exsudation veranlassen.')

An den hiebei sich entwickelnden Gewebsveränderungen participirt fast ausnahmslos die Schleimhautschichte des Trommelfells, von der sich, durch Eindringen der Entzündungserreger in die tieferen Schichten der Membran, die entzündlichen Veränderungen auf die Substantia propria und die Cutisschichte fortpflanzen.

Die acute Mittelohrentzündung wird daher durch eine Reihe markanter Trommelfellbefunde charakterisirt, die nach der Intensität der Entzündung und nicht selten auch nach der sie veranlassenden Ursache wechseln. Ich brauche nur auf die charakteristischen Bilder bei der Influenza-Otitis im Gegensatze zu den genuinen, durch Er- kältung oder Nasenrachencatarrhe bedingten acuten Otitiden hinzu-

') Näheres liieiüber in meinem Lehrbuch der Ohrenheilkunde. 3. Aufl., S. 279.

Tronimelfellbefunde bei der acuten Mittelohrentzündung. gj

weisen, um den Einfluss auch des ätiologischen Momentes auf den Trommelfellbefund darzulegen.

Bei den leichteren Formen der acuten Mittelohrentzünduno-, in denen die Cutisschichte nur in geringem Masse in Mitleidenschaft gezogen ist, zeigt das Trommelfell eine stärkere Gefässinjection, die auf den Hammergriff und die Umgebung des kurzen Fortsatzes be- grenzt ist und nach oben hin eine kurze »Strecke auf die obere Gehör- gangswand übergreift. Die nicht injicirten Partien des Trommelfells zeigen nur selten normales Aussehen, sie erscheinen vielmehr matt, glanzlos, zuAveilen bei durchschimmerndem Exsudate gelblich verfärJJt (V, 1\ Ein seltener Befund bei geringer Betheiligung des Trommelfells am Entzündungsprocesse ist das Durchschimmern des in den unteren Partien der Trommelhöhle angesammelten Exsudates in Form eines nach oben gekehrten Halbmondes (V, 2), gleich dem Hypopium bei Eiteransammlung in der vorderen Augenkammer.

Erreicht die Entzündung einen höheren Grad und ist sie über das ganze Trommelfell verbreitet, so findet man die Membran gleich- massig scharlachroth oder livid gerüthet, die Epidermis anfangs gleich- massig- violettgrau, in Folge der rasch zunehmenden SchweUuno- der Cutisschichte durch zahh-eiche sich kreuzende Risse zerklüftet; der Hammergriff ist unsichtbar, und der kurze Fortsatz zuweilen nur noch als weisslichgraue Prominenz zu unterscheiden. Hat man Geleoenheit, rasch sich entwickelnde acute Mittelohrentzündungen in ihren ersten Anfängen zu beobachten, wo die Erkrankung sich noch auf die Schleim- hautschichte beschränkt, so sieht mau die gieichmässig intensiv geröthete Membran stark glänzend, nicht unähnhch einer polirten Kupferplatte, ein Befund, der in Folge des baldigen Uebergreifens der Entzündung auf die Cutisschichte und der raschen Durchfeuchtung der Epidermis sehr bald schwindet.

Verschiedenartig gestaltet sich der Trommelfellbefund, wenn die Cutisschichte am Entzündungsprocesse ungleichmässig participirt. In einer Reihe von Fällen ist es vorzugsweise die hintere, obere Partie des Trommelfells, an der die entzündliche Infiltration am markantesten zu Tage tritt. Man sieht dann am hinteren Segment der Membran eine blaurothe. höckerige, den Hammergriti: maskirende Geschwulst, welche von schrundiger Epidermis bedeckt wird (V, 5). Neben dieser prominenten Trommelfellpartie tritt der noch sichtbare, vordere, untere, oft wenig veränderte Theil des Trommelfells stark in den Hintergrund. Kommt man in die Lage, den Verlauf solcher acuter Otitiden von ihrem ersten Beginne an zu beobachten, so sieht

Politzer, Atlas der Beleuchtungsbilder des Trommelfells. 2. Aufl. 6

g2 Trommelfellbefunde bei der acuten Mittelohrentzündung.

man zunächst unmittelbar hinter dem kurzen Hammerfortsatze eine hanfkcn'ng'rosse. rüthlieh ülänzende Prominenz sich entwickehi, neben der nach kurzer Zeit ein oder zwei kk^inere Infiltrate anfschiessen, Avodureh die hintere, Partie der Membran das Aussehen einer unebenen, polv])üsen Wucherung- erhält (V, 3). Zuweilen sah ich neben der höckerigen Infiltration des hinteren Trommelfellsegmentes im weiteren Krankheitsverlaufe auch eine oder, mehrere hanfkorngrosse, rothe Prominenzen an der vorderen Partie der Membran sieh ent- Avickeln (V. 4).

Wie bei der acuten Myringitis (siehe S. 53). kommt es auch bei der Otitis media acuta, noch häufiger aber bei der perforativen Mittel- ohrentzündung im Beginne des Processes zur Bildung seröser oder hämorrhagischer Blasen, die nach kurzem Bestände platzen und ihren Inhalt in den äusseren Gehörgang entleeren. Besonders häufig wurden hämorrhagische Blasen bei der Influenza-Otitis beobachtet. ' ) Sie treten hier in Form, kleinerer oder grösserer, schwarzblauer, von ecchymotischen Flecken begrenzter Blasen meist im hinteren, oberen Segment des Trommelfells auf, und hängen zuweilen mit einer hämorrhagischen Blase an der hinteren, oberen Gehörgangswand zusammen (V. 6, 71 Einigemale sah ich bei dieser Form eine oder mehrere isolirte, hämorrhagische Blasen im äusseren Gehörgange, ohne Zusammenhang mit der hämorrhagischen Efflorescenz am Trommelfelle (B i n g).

Intralamelläre Abscesse im Trommelfelle kommen bei der Otitis media acuta im Ganzen selten vor. Hingegen sieht man zuweilen einzelne Partien des Trommelfells durch das in der Trommelhöhle an- o-esammelte Exsudat mehr oder Avenio-er stark vorffebaucht. Diese Vor- Avölbungen erscheinen bald in Form einer halbkugeligen, den Hammer- griff theihveise oder ganz bedeckenden, scharf begrenzten, von einem dunkelr(jthen Hofe umgebenen, grünlichgelben Geschwulst, bald als schlafie, gelblich verfärbte, nur Avenig prominirende ElcA^ation der hinteren Trommelfellpartie. Diese, soAvie die früher geschilderten Veränderungen am Trommelfelle können sich ohne Durchbruch des Trommelfells zurückbilden, oder sie treten als Vorläufer einer perforativen, eiterigen Mittelohrentzündung auf. die Avir Avegen ihres eigenthümlichen kli- nischen Verlaufs in dem nächstfijloenden Abschnitte schildern Averden.

') Dcistanche et Hennebert (L:i Clinique. Bruxclles. 1890, Nr. 7); 8cliwa- bach flierliner klinische Woclienschrift. 1890, Nr. 3); Löwenbcrg (Bulletin medicul. Januar 1890); A. Politzer (Wiener med. Blätter. 1890, Nr. 9 und 10); Schwendt (Basel, bei Werner Rühm, Januar 1890); Michael (Deutsche med. Wochenschrift. 1890, Nr. 6)

Trommelfellliefunde bei der acuten IMittelolirentziuulung-. g3

Zu den intoressanten Trommelfellbefunden Lei der Otitis media acuta zählen die in den ersten Ta»(ni des Processes auftretenden Exsiidatsäckc im hinteren, oberen Quadranten des Trommelfells J; Ihre Entstehung- ist auf eine 1 )ehiseenz in der Substantia propria zurück- zuführen, durchweiche die Mueosa herniös vorgestülpt, mit der Cutis- schichte einen mit der Trommelhöhle communicirenden, an der Aussen- fläche des Trommelfells stark prominirenden Sack bildet. Diese Exsudat- säcke erscheinen auf dem lividrothen. ecchymotischen und geschwellten Trommelfell als kugelige oder l)eutelförmige Prominenzen im hinteren, oberen Quadranten der Memln-an. die bald straff gespannt, bald schlaff herabhäne'end. ein o'elbo'raues oder grünliches Secret enthalten (V, 21. 22). Sie verdecken fast immer den Hammergriff, nur selten auch den kurzen Fortsatz. Die Communication dieser Exsudatsäcke mit dem Trommelhühlenraume ist ausser Zweifel, wenn sich der Sack nach einer Lufteintreibung straffer spannt und wenn durch die Luftdouche gleichzeitig Exsudat und Luft in den Sack getrieben wird, wobei sich das im unteren Abschnitt des Sackes angesammelte, gelbliche Exsudat von der im oberen Theile befindlichen Luft durch eine Niveaulinie abgrenzt (V, -21). Dadurch unterscheiden sich diese Vorstülpungen der Membran von den in dieser Kegion des Trommelfells auftretenden, intralamellären Abscessen, die nach einer Lufteintreibung in die Trommelhöhle ihre Form nur wenig ändern.

Die hier geschilderten Exsudatsäcke werden häufiger bei Erwach- senen, als bei Kindern beobachtet. Ihre Entstehung an früher normalen Trommelfellen kann als wahrscheinlich angenommen werden, wenn vor dem Auftreten der Otitis media acuta keinerlei Störung-en im Gehör- organe bestanden haben. Wo hingegen schon früher Symptome einer catarrhalischen Mittelohrafifection beobachtet wurden, dort lässt sich die Bildung dieser Exsudatsäcke beim Hinzutreten eines acuten Exsudations- processes auf eine durch den vorhergegangenen Mittelohrcatarrh bedingte Atrophie der hinteren, oberen Partie des Trommelfells zurückführen. Die im Verlaufe acuter Mittelohrentzündungen entstandenen Exsudat- säcke können sich vollständig zurückbilden. Zuweilen jedoch hinterlassen sie eine eingesunkene, mit dem Ambossstapesgelenk in Berührung tretende, atrophische Verdünnung der hinteren, oberen Trommelfellpartie.

Hier wären noch jene Trommelfellbefunde zu erwähnen, die man bei den keineswegs seltenen, subacuten Mittelohrentzündungen beobachtet. Diese meist unter o-erine-en Reactionserscheinuns-en

') Ygl. A. Politzer, Ueber Blasenbildungen und Exsudatsäcke im lYomniel- fell. Wiener med. Wochenschrift. 1872,

6*

g^ Trominelfellbefunde bei der acuten Mittelolirentzündiing.

auftretenden, acuten Exsudatiouen im Mittclolir kommen am häufigsten bei scrophulösen, kacliektisclien Individuen vor, doch sali icli ana- loge Formen auch bei g-esunden. jugendlichen Personen, bei denen der Mittelohrentzündung ein chronischer, secretorischer Catarrh voraus- gieng. Der Tr(unmelfellbefund zeigt in diesen Fällen dieselben Merkmale, welchen man nicht selten im späteren Stadium der Abnahme der Mittel- ohrentzündung begegnet. Man sieht nämlich neben starker Injection der Hammergriffgefässe das Trommelfell intensiv getrübt, durch das durch- schimmernde Exsudat gelbgrau gefärbt, den Umbo stark eingezogen, während die intermediäre, zwischen Hammer und Peripherie gelegene Partie stärker vorgebaucht ist. Von dem leicht injicirten, peripheren Gefässkranze zieht gegen das Centrum des Trommelfells eine Anzahl feino-eschläno-elter, zarter Gefässreiserchen, welche mit den von hier gegen die Peripherie ziehenden Aederchen in Verbindung treten (V^ 15).

Die hier geschilderten Trommelfellbefunde bei der Otitis media acuta wechseln im Verlaufe des Krankheitsprocesses in mannigfacher Weise. Bei normalem Verlaufe erreicht der Process am vierten bis sechsten Tage seinen Höhepunkt. Im Stadium der Zunahme der Entzündung bleibt das Trommelfellbild entweder unverändert, oder es treten an früher nur wenig afficirten Partien neue Efflorescenzen oder hämorrhagische Plaques am Trommelfelle auf, oder endlich platzen die im Beginne der Entzündung rasch entstandenen Blasen, worauf sich die Membran mit einer bleigrauen oder ecchymotischen, schrundigen Epidermislage bedeckt, die sich im späteren Stadium abstösst.

Mit der Abnahme der Entzündung schwindet allmälig die starke Schwellung und die diifuse Hyperämie am Trommelfelle. Diese bleibt im weiteren Verlaufe auf die Region des Hammergriffs beschränkt. Gleichzeitig tritt auch auf der gelbgrauen oder bleigrauen Fläche des Trommelfells der kurze Hammerfortsatz stärker hervor. Mit dem Schwinden der diffusen Rüthung kommen bald vereinzelte, bald zahlreiche, radiär verlaufende Gefässästchen zum Vorschein, die leicht geschlängelt, von der Peripherie zum Centrum verlaufen und sich vom graugetrübten Trommelfelle scharf abheben (V, 9). Die radiäre Gefässinjection, welche nach meinen Beobachtungen ungleich häufiger im Stadium der Abnahme, als während des Anwachsens des Entzündungsprocesses auftritt, kann längere Zeit unverändert fortbestehen, namentlich dann, wenn das Exsudat in der Trommelhöhle nicht resorbirt wird. Mit der Resorption des Secretes, die besonders rasch erfolgt, wenn im Stadium der Abnahme wiederholte Liifteintreibungen gemacht wurden, schwindet auch die Gefässinjection am Trommelfelle sehr bald. Die Fortdauer der Ilyper-

Trommelfellbefunde bei der acuten Mittelohrentzündung. g5

ämic am Trominolfello deutet daher auf eine fortbestehende, starke Blutfülhing der Trommelhühlenschlcimhaut. Avährend das Schwinden der Gefässinjection als Zeichen der Abnahme der Hyperämie in der Trommel- höhle angesehen werden kann.

Bei den ohne Ecchymosenbildung am Trommelfelle verlaufenden, genuinen Entzündungen kehrt nach der Rückbildung des Entzünduns^s- processes der Glanz des Trommelfells allmälig wieder zurück; die Contouren des Hammergriffs werden wieder sichtbar, das getrübte Trommel- fell hellt sich auf und nimmt mit der Herstellung des Hörvermögens das frühere normale Aussehen an. Manchmal bleiben, besonders nach wiederholten Recidiven, circumscripte. streifige oder diffuse Trübungen, kleine Kalkflecke, umschriebene Atrophien und Einsenkungen am Trommelfelle zurück.

Auch nach Ablauf der Influenza-Otitis und nach Otitiden in Eol^e von Infectionskrankheiten kann, nach Abstossung oder Fortwanderung der Ecchymosen, das Trommelfell sein normales Aussehen wieder er- langen. Zuweilen jedoch hinterlassen die Blutextravasate umschriebene Pigmentflecke neben Trübungen und partieller iVtrophie, ohne dass immer eine Functionsstörung damit verbunden wäre. So wie bei serösen oder schleimigen Mittelohrcatarrhen Uebergangsformen zur Otitis media acuta oder zur perforativen Mittelohreiterung vorkommen, so beobachtet man auch zuweilen den Uebero-ans; acuter Mittelohrentzünduns-en in den serös-schleimigen Mittelohrcatarrh. Kach Rückbildung der Schwellung und Hyperämie am Trommelfelle zeigt dieses die Merkmale der serös-schleimigen Ansammlung. Die gesättigte, röthlichgelbe Farbe des retrahirten Trommelfells, das starke Vorspringen des kurzen Hammer- fortsatzes und der hinteren Trommelfellfalte in Verbindung mit der fortdauernden Hörstörung bieten in solchen Fällen sichere Anhaltspunkte für die Diagnose des secretorischen Mittelohrcatarrhs.

Wir kommen nun zur Schilderung der zweiten Gruppe der acuten Mittelohrentzündung, die mit Perforation des Trommelfells und mit Ausfluss eines blutig-serösen oder schleimig-eiterigen Secretes verläuft.

Ich habe Eingangs dieses Abschnittes hervorgehoben, dass die ohne Trommelfellperforation verlaufenden Otitiden und die mit Per- foration einhergehenden eiterigen Mittelohrentzündungen anatomisch zwar einen und denselben Krankheitsprocess darstellen, dass aber die Trennung beider Gruppen, durch den Hinzutritt der Perforation und durch den verschiedenartigen klinischen Verlauf geboten ist.

86 Trommelfellbefunde bei der acuten Mittelohrentzündung.

Da nun nicht selten Mittelohrentzünclnngen, deren klinische Cha- ractere der einfachen Otitis media acuta entsprechen, zur Perforation des Trommelfells führen können, andererseits aber wieder eine acute Mittelohrentzündung, die mit Perforation des Trommelfells und blutig- serösem Ausfluss beginnt, nach baldigem Verschluss der Perforations- öffnung, im weiteren Verlaufe unter den Symptomen der einfachen Otitis media acuta verläuft, so ergibt sich hieraus, dass eine scharfe Trennung beider Processe nicht durchführbar ist.

X.

Trommelfellbefunde bei der aciiteo, eiterigen MittelohrentzündiiDg (Otitis media acuta suppurativa).

Die anatomischen Veränderungen an der Mittelohrschleimhaut bei der acuten, eiterigen Mittelohrentzündung mit Durchbruch des Trommelfells sind im Allgemeinen viel intensiver ausgeprägt als bei der einfachen, nicht perforativen Otitis media acuta. Sie tritt meist unter heftigen Reactionserscheinungen mit starker Hyperämie, Schwellung und Zellinfiltratioji auf, welchen bald der Erguss eines purulenten Exsudats und die Perforation des entzündlich erweichten Trommelfells folgt.

Das Trommelfell participirt hier in noch höherem Grade am Entzündungsprocesse in der Trommelhöhle, als bei der früher geschil- derten Form. Die Invasion der entzündungserregenden Mikroorganismen von der Schleimhautschichte in die Substantia propria und in die Cutis- schichte erfolgt bald mehr, bald weniger rasch durch die Spalträume der Substantia propria gegen die Cutis. Die oft in kurzer Reihenfolge sich entwickelnden Veränderungen in der Cutisschichte machen es indess wahrscheinlich, dass die Entzündungserreger auch vermittelst der zahlreichen Gefässanastomosen zwischen der Trommelhöhle und dem äusseren Gehörgang in das Gefässnetz der Cutisschichte gelangen. Hiefür sprechen auch die nicht selten im Beginne der perforativen Mittelohrentzündung auftretenden, bis zur äusseren Ohrötfnung sich erstreckenden, entzündlichen Schwellungen der Cutisschichte des äusseren Gehörgangs.

Die Trommelfellbefunde bei der acuten, eiterigen Mittelohrent- zündung sind äusserst verschieden, nicht nur in den einzelnen Stadien, sondern auch nach der Intensität des Entzündungsprocesses und nicht selten auch nach den sie bedingenden Ursachen. Bezüglich der letzteren brauche ich nur auf die oft characteristischen Trommel- fellbefunde l^ei der Influenza-Otitis, Scarlatina, Tuberculose etc. hinzu- weisen.

38 Trommelfellbefunde bei der acuten, eiterigen Mittelohrentzündung.

a> Trommelfellbefuiule bei der Otitis media acuta suppurativa vor deui Durchbruch des Trommelfells.

(Tafel Y. 16— 2Ü, 23—26,)

Der Trommelfellbefuncl vor dem Durclibruche des Trommelfells zeig-t liäufio- dieselben Veränderungen an der Cutisschichte wie bei der acuten Myringitis und bei der nicht perforativen Otitis media acuta, weshalb nicht selten im Beginne des Krankheitsprocesses eine Differen- zirung- dieser Entzündungsformen auf Schwierigkeiten stösst. Indess bietet

o O O

der Befund oft genug schon im ersten Stadium des Processes Anhalts- punkte dafür, dass im weiteren Verlaufe ein Durchbruch des Trommel- fells erfolgen werde.

Hat man Gelegenheit, die acute, eiterige Mittelohrentzündung in den ersten Anfängen zu beobachten, so findet man zunächst den oberen Abschnitt des Trommelfells und die Region des Hammergriffs stark injicirt, zuweilen in den ersten Stunden den Glanz des Trommelfells erhöht. In kurzer Zeit oft binnen einigen Stunden breitet sich die Röthung über das ganze Trommelfell und den grössten Theil des knöchernen Gehör- gangs aus, die Membran erscheint leicht aufgelockert, gelbröthlich, livid und ihre Grenzen verwaschen. Bei der Influenza-Otitis, seltener bei den genuinen Formen treten oft schon am ersten Tage Ecchymosen und hämorrhagische Blasen an verschiedenen Stellen des Trommelfells, am häufigsten im hinteren, oberen Quadranten auf, welche nach erfolgtem Durchbruche des Trommelfells, zuweilen noch vorher, verschwinden.

Mit dem weiteren Fortschreiten des Entzündungsprocesses in der Trommelhöhle nimmt auch häufig die Schwellung und Auflockerung des Trommelfells zu, die macerirte Epidermis wird rissig, zerklüftet, zum Theile abgestossen, wobei die biossliegende, ungleichmässig infil- trirte und geröthete Cutisschichte feuchtglänzend und uneben erscheint. Die auf dem Trommelfelle zerstreuten, unregelmässigen Lichtreflexe zeigen oft deutliche Pulsation. In diesen Fällen wird manchmal schon vor dem Durchbruche des Trommelfells von seiner äusseren Fläche ein blutig-seröses Secret abgesondert, welches fleischwasserähnlich an der äusseren Ohröffnung abfliesst.

In anderen Fällen ist vor dem Eintritte der Perforation keine Exsudation an der Cutisschichte bemerkbar. Die anfangs diffuse, dunkle Röthung macht einer gelbrothen Verfärbung Platz, die zunächst in der hinteren Hälfte des Trommelfells auftritt, und mit einer stärkeren Vorwölbung der zwischen Hammergriff und Peripherie gelegenen Partie des Trommelfells verbunden ist (V, 17). Dieser Befund lässt auf eine Ansammlunof von eiterigrem Exsudate in der Trommelhöhle schliessen.

Trommelföllbefunde bei der acuten, eiterigen Mittelohrentzündung. 39

Noch in anderen Fällen kündigt sich der bevorstehende Durch- bruch des Trommelfells durch einen umschriebenen, lichtgelben Fleck auf dem dunkel gerötheten Trommelfelle (V, 16), oder durch eine, vom hinteren, oberen Quadranten ausgehende, zugespitzte (V, 19) oder rund- liche (V, 20. 23), eitergelbe Prominenz an. Oder der grösste Theil der hinteren Trommelfellhälfte wölbt sich in Form einer gelben, von einem rothen. ecchymotischen Hofe umgebenen, zuweilen deutlich pul- sirenden Geschwulst vor, welche den Hammergriff bedeckt und an deren höchstem Punkte gewöhnlich der Durchbruch erfolgt (V, 18, 24, 25).

Kleine, interlamelläre Abscesse dürften bei den eiterigen Mittelohr- entzündungen häufiger vorkommen, als allgemein angenommen wird. Doch ist man selten in der Lage, ihre Entstehung und ihren Durch- bruch klinisch zu beobachten. Sie entwickeln sich meist in der Um- gebung des Umbo in Form hirse- oder hanfkorngrosser, von einem gerötheten Hofe umgebener, glänzender Prominenzen auf der geschwellten, röthlichgelb verfärbten Trommelfellfläche (V, 26), und führen nach kurzem Bestände zur Perforation an der Stelle des Abscesses. Solche kleine Abscesse sah ich mehrere Male vor dem Eintritte der Perforation bei der eiterigen Mittelohrentzündung von Diabetikern.

Nicht immer erfolgt jedoch der Durchbruch an der am meisten vorgewölbten Partie des Trommelfells. Wir sehen vielmehr nicht selten bei starker Vorbauchung der hinteren Trommelfellhälfte die Perforation im vorderen, unteren Segmente der Membran eintreten, w^o vor dem Durchbruch keine gelbe Verfärbung bemerkbar war, wie ja überhaupt oft genug die Perforation eintreten kann, ohne dass vorher eine umschrie- bene Verfärbung oder Vorbauchung des Trommelfells zu sehen wäre.

Die Differentialdiagnose zwischen dieser Form der eiterigen Mittel- ohrentzündung nnd der primären Myringitis ist nur in den ersten Stunden der Erkrankung schwierig, weil die Veränderungen am Trommelfelle bei beiden Processen häufig dieselben sind und das Hörvermögen im Be- ginne der eiterigen Mittelohrentzündung oft ebenso wenig herabgesetzt ist, wie bei der primären Myringitis. Die rasch eintretende Exsudation in der Trommelhöhle und die damit verbundene hochgradige Hörstörung sind für die Diagnose der eiterigen Mittelohrentzündung entscheidend.

Schwieriger ist die Diagnose zwischen der nichtperforativen und der perforativen Mittelohrentzündung, indem bei gleicher Intensität der Veränderungen am Trommelfelle in einer Reihe von Fällen der Process sich ohne Perforation des Trommelfells zurückbildet, während in anderen Fällen der Durchbruch der Membran erfolgt. Wenn wir daher auch oft genug in den ersten Tagen der Erkrankung nicht in der Lage sind. zu bestimmen, ob es im speciellen Falle zum Durchbruch des

90 Trommelföllbet'unde bei der acuten, eiterigen Mittelohrentzündung.

Trommelfells kommen werde oder niclit, so kann man doch ans gewissen ]\ronienten. wie die umschriebene, grünlichgelbe Vorwölbnng einer 'rrommelfellpartie, Abscessbildung am Trommelfell, bei gleichzeitiger Intensität der Reactionssymptome, besonders bei den searlatinösen. morbillösen oder Influenza-Otitiden mit grosser Wahrscheinlichkeit den Eintritt der Perforation vorhersahen.

b) Trommelfellbet'unde bei der Otitis media acuta siippuratiA'a nach dem Durchbruch des Trommelfells.

(Tafel VI, 1—15.)

Der Dnrchbruch des Trommelfells erfolgt in der Regel am dritten oder vierten Tage, ausnahmsweise schon einige Stunden nach Beginn der Entzündung oder erst nach mehreren Wochen. Mit dem Eintritt der Perforation vollzieht sich eine auffällige Veränderung im Trommelfellbefunde. Der knöcherne Gehörgang, oft geröthet und geschwellt, ist mit blutig-serösem Secrete und mit erweichter Epidermis überzogen. Die Grenzen zwischen Gehörgang und Trommelfell sind verwaschen, die mit Secret und macerirter Epidermis bedeckte Membran erscheint nach dem Ausspülen des Gehörgangs livid-roth, feuchtglänzend, im hinteren Segmente vorgebaucht, Hammergriff und kurzer Fortsatz nicht sichtbar.

In den ersten Tagen nach dem Durchbruch des Trommelfells ist die Perforationsstelle nur selten zu entdecken; sie wird erst dann sichtbar, Avenn durch den Valsalv a' sehen Versuch oder mittelst meines Verfahrens Luft in das Mittelohr gepresst wird, wobei die Perforations- ränder auseinanderweichen und Secret mit Luftblasen gemengt durch die Trommelfellöffnung in den äusseren Gehörgang austritt. Bei geringem Widerstände im Tubencanal gelingt dies schon beim Valsalva'schen Versuch ohne besondere Anstrengung. Ist hingegen die Ohrtrompete durch Schwellung verengt oder geht der Perforationscanal in schiefer Richtung durch die Trommelfellschichten, so wird beim Einpressen von Luft in die Trommelhöhle nur wenig oder gar kein Secret durch die Perforationsöffnung austreten.

Zuweilen deutet ein pulsii-ender Lichtreflex an einer umschriebenen, vertieften Stelle den Ort der Perforation an. Sitzt die Perforation in der Nähe der Peripherie des vorderen, unteren Quadranten, so wird sie nicht selten durch die vorgewölbte vordere, untere Gehörgangswand so maskirt, dass sie sich der Besichtigung vollständig entzieht. In diesen Fällen wird der Sitz der Perforationsöffnunii" dadurch erkannt, dass

Trommeltellbefundü bei der acuten, eiterigen Mitfelohrentzündung. 91

während einer Lufteintreibung in die Trommelhöhle die Luftblasen an der vorderen, unteren Partie des Sehfeldes hervortreten.

Der Sitz der Perforationsüffnung ist fast immer die intermediäre, zwischen Hammergriff und Sehnenring gelegene Partie des Trommel- fells. Selten wird, wie ich bei Tuberculosen beobachtete, die Membran an der äussersten Peripherie durchbrochen. Je geringer die Absonderung, desto deutlicher tritt die Perforationslücke zu Tage. Ihr häufigster Standort ist die vordere, untere Partie des Trommelfells (VI, 2. 7), ^) nebstdem die Umgebung des Umbos (VI, 3, 4, 0. 15, 16) und der hinter dem Hammergriff gelegene Abschnitt der Membran (VI. 1, 8). Ihre Grösse variirt von der eines Nadelstiches (VI, 14) bis zu der eines Hanfkorns (VI, 1 4, 7, 9). Wird die Oeffnung nicht von Secret ausgefüllt, so erscheint sie als scharf begrenzte, runde, selten zackige, schwarze Oeffnung. Bei stärkerer Secretion sind kleine Oeff- nungen nicht sichtbar, hingegen lassen hanfkorngrosse. mit Secret er- füllte Perforationen die dunklen Contouren der Lücke noch deutlich hervortreten. Auf dem die Perforationsüffnung verschliessenden Secrete sieht man öfter einen pulsirenden Lichtrefiex (VI, 1, 3, 4, 7): bei profuser Secretion zuweilen das durch die Perforationsöffnung mit pulsirender Bewegung hervortretende Secret.

Die Pulsation am Trommelfelle wurde von Wilde als sicheres Zeichen einer bestehenden Trommelfellperforation angesehen. Ich habe indess darauf hins-ewiesen. dass zuweilen auch am geschwellten und hyperämischen. nicht perforirten Trommelfelle pulsirende Lichtreflexe entstehen, ja dass sogar ein grosser Theil des durch Secretansammlung in der Trommelhöhle vorgebauchten, hinteren Trommelfellsegmentes j)ulsatorische Bewegung zeigen kann.

Die Pulsation des Secrets in der Perforationsöffnung ist durch die während der Herzsystole entstehende Ausdehnung der Blutgefässe der Trommelhöhle bedingt, indem durch Verkleinerung des Trommel- höhlenraumes das Secret durch die Perforationsöffnung nach aussen gedrängt wird, um während der Diastole auf den früheren Ort zurück- zukehren. Sie hat insoferne eine prognostische Bedeutung, als die Fort- dauer der starken Pulsation auf einen hohen Grad von Hyperämie in der Trommelhöhle schliessen lässt, während die Verminderung oder das Schwinden der Pulsation während des Krankheitsverlaufes auf eine baldige Abnahme der Entzündungserscheinungen und der Secretion hindeutet.

1) Im Gegensatze zu Bezold (1. c), der den Durclibruch häufiger an der hin- teren Hälfte des Trommelfells gesehen haben will.

92 Trommelfellbefuude bei der acuten, eiterigen Mittelolirentzündung.

Eine besondere Beachtung verdienen die im hinteren, oberen Qua- dranten des Trommelfells im Verlaufe acuter Mittelohreiterungen sich entwickelnden zitzenförmigen Elevationen, an deren Spitze die Perforationsöffnung sich befindet (VI, 10, 11, 12). Diese Form der Perforation, auf welche ich zuerst hingewiesen habe, kommt be- sonders häutig bei der Influenza-Otitis zur Beobachtung (Löwenberg). Die konisch zugespitzte Elevation ist bald mehr, bald weniger straff gespannt, dunkel- oder gelbroth gefärbt und trägt an ihrer Spitze ein grünliches Tröpfchen, das aus der Perforationsöffnung hervorquellende eiterige Secret. Die Zitze, die in der Regel den Hammergriff mas- kirt. erscheint an manchen Tagen grösser, an anderen auffallend ver- kleinert. Beim Valsalva'schen Versuch oder nach einer Lufteintreibung nach meinem Verfahren tritt ein grösseres Eitertröpfchen aus der Per- forationsöffnung hervor, doch gelingt es nur selten, gleichzeitig Luft durch die Oeffhung durchzupressen. Die an der höchsten Stelle der Zitze befindliche Perforation ist die Endöffnung eines Perforationscanais, welcher durch das die Zitze bildende, verdickte Trommelfellgewebe durchzieht. Aus diesem Grunde wird der Eiterabfluss durch die ohne- dies enge Perforationsöönung gehindert und es entwickeln sich in Folge der Secretstauung die bei dieser Form nicht seltenen, mit Abscess- bildung im Warzenfortsatz complicirten, hartnäckigen Mittelohreiterungen, welche die operative Erweiterung der Perforationsöffnung durch Incision der Zitze indiciren.

Bei der acuten, eiterigen Mittelohrentzündung wird das Trommel- fell in der Regel nur an einer Stelle perforirt. Doppelte oder mehr- fache Perforationen sind im Ganzen selten. Am häufigsten kommen die letzteren bei Tuberculosen zur Beobachtung (siehe S. 100). Tafel VI, Trommelfellbild 8 zeigt uns den Befund bei einem 25jährigen tuber- culösen Eisendreher am fünften Tage der acuten Mittelohrentzündung, bei dem im hinteren, unteren Quadranten des Trommelfells zwei nadelstichgrosse Perforationen und unter ihnen in der Nähe des Umbo zAvei gelbliche Knötchen sichtbar waren. Der etwas promi- nente, hintere Theil des Trommelfells ist blassgelb-röthlich, der übrige Theil intensiv roth gefärbt. Von oben zieht zu den Tuberkelknötchen ein stärker entwickeltes Gefässreiserchen. Drei Tage später waren die Tuberkelknötchen am Trommelfelle zerfallen, und an deren Stelle, sowie an der der zwei kleinen Perforationen eine kleinhnsengrosse, von einem gelbgrauen Wall umgebene, runde Perforationsöftnung sichtbar (VI, 9).

Die Trommelfellbefunde zeigen im Verlaufe des acuten, eiterigen Processes in der Trommelhöhle bis zu seinem Verschwinden mannig- fache Veränderungen, welche durch die geänderte Beschaffenheit

Troinmelfellbefunde bei der acuten, eiterigen Mittelohrentzünduno-. gg

des Secrets, durch die wechselnde vSchwellung- des Trommelfellgewebes und durch die Vergrösserung- oder Verkleinerung der Perforations- üffnung- bedingt werden. Ein klares Bild über den Zustand des Trommel- fells während der Krankenbeobachtung- erhält man nur nach gründlicher Beseitig-uno- des Secrets aus dem äusseren Gehürgang. Bei den genuinen ]\Iittelohreiterungen nimmt die Grösse der Perforationsöffnung, welche kaum je den Durchmesser eines Hanfkorns überschreitet, nur selten zu. Hingegen kommt es bei den scarlatinös-diphtheritischen, tuberculösen. morbillösen Mittelohreiterungen, zuweilen auch bei der Influenza-Otitis durch die destructive Wirkung der specifischen Mikroorganismen zum raschen Zerfall des Trommelfellgewebes und zur Bildung grosser Sub- stanzverluste am Trommelfell, durch welche ein grosser Theil der inneren Trommelhöhlenwand blossgelegt wird.

Die Diagnose der Perforation des Trommelfells stösst bei Er- wachsenen selten auf Schwierigkeiten. In der Regel genügt die Ocular- inspection, mn nach Entfernung des Secretes aus dem Gehörgang- die Perforationsöflfnung- sofort oder während des Durchpressens der Luft durch die Trommelhöhle aufzufinden. Gelingt dies nicht, so muss man sich der xA.uscultation bedienen, bei welcher das mit Rasseln verbundene Durchzischen der Luft als sicheres Zeichen der Trommelfellperforation gilt. Dieser Behelf kommt namentlich dann in Anwendung-, wenn die im vorderen, unteren Abschnitte des Trommelfells befindliche Perforations- öffnung- durch die vordere, untere Gehörgangswand maskirt, od§r wenn wegen Enge des Gehörgangs, insbesondere bei Kindern, die Besichtigung des Trommelfells erschwert wird. Im letzteren Falle kann überdies aus dem Vorhandensein fadenziehender Schleimflocken im Spülwasser die Diagnose der Trommelfellperforation mit Sicherheit gestellt Averden, da schleimiges Secret nur aus der Trommelhöhle, niemals jedoch aus dem äusseren Gehörgang stammt.

Das Fehlen des Perforationsgeräusches bei meinem Verfahren oder beim Katheterismus schliesst jedoch das Vorhandensein einer Perforations- öffnung nicht aus, da bei starker Schwellung- der Tubenschleimhaut, ferner bei Perforationen mit schrägem Durchbruchscanal im Trommel- felle und bei den früher erwähnten zitzenförmigen Elevationen im hinteren, oberen Trommelfellsegmente die Luft entweder gar nicht in die Trommelhöhle eindringt oder, wenn dies geschieht, nicht durch die Perforationsöffnung durchströmt.

Die Ausgänge der acuten, eiterigen Mittelohrentzündung sind ent- weder Heilung mit Verschluss der Perforationsöffnung durch neuge- bildetes Narbengewebe oder der Uebergang in die chronische Mittelohr-

94 Trommelt'ellbefunde bei der acuten, eiterigen Mlttelohientzünduiig.

eiterung, deren Troninielfellbefunde in dem folgenden Absclinitte be- sproclien werden.

Der Heilungsprocess durch Vernarbung der Perforationsllicke erfolgt bei den genuinen Mittelobreiterungen, besonders bei gesunden und kräftigen Individuen, oft in kurzer Zeit. Fälle, wo die Eiterung nach 6 lOtägiger Dauer aufhört und die Perforationsöifnung sich schliesst. sind nicht selten. Zumeist jedoch tritt die Heilung in der dritten bis vierten Woche, zuweilen aber auch erst nach mehreren Monaten ein.

Von den Symptomen, welche eine baldige Heilung der Mittelohr- eiterung mit Verschluss der Perforationsöffnung voraussehen lassen, sind zu erwähnen: die merkliche Verringerung des früher copiösen Aus- flusses, das Schwächerwerden oder Aufhören der sichtbaren Pulsation am Trommelfell, die Abnahme der Schwellung und Röthung an die- sem und die Verkleinerung der Perforationslücke. Der Verschluss der Oeffnung im Trommelfell erfolgt oft so rasch, dass man bei der Untersuchung ein trockenes Trommelfell mit vernarbter Perforations- öffnung findet, wo Tags vorher beim Valsalva' sehen Versuch . Secret und Luft durch die Perforationsöfthung hervortrat.

Der Befund nach erfok-ter Vernarbung der Perforationsöffhun»' ist sehr verschieden. Häufig ist die vernarbte Partie vom übrigen Theile des Trommelfells nicht zu unterscheiden und die Stelle der früheren Perforation nicht mehr nachweisbar. In einzelnen Fällen hingegen wird die frühere Perforation durch eine gelblichgraue, vertiefte oder erhabene Narbe geschlossen, zu welcher von der Trommelfellperipherie mehrere Gefttssreiserchen hinziehen (VI, 5). Im Uebrigen erscheint das Trommel- fell grauroth, glanzlos und abgeflacht, der Hammergriff' nicht sichtbar, der kurze Hammerfortsatz hingegen deutlich markirt. Mehrere Tage nach der Vernarbuno- der Perforationsöffnung schwindet die diftuse Röthung. welche sich auf die Gegend des Hammergriffs und der Slirap- nelTschen Membran begrenzt; allmälig werden auch die Contouren des Hammergriffs sichtbar, und nach mehreren Wochen kehrt der Glanz und die Durchsichtigkeit des Trommelfells so vollständig zurück, dass oft keine Spur des früheren Entzündungsprocesses bemerkbar ist. In- dess können als Residuen einer acuten Mittelohreiterung ditt'use oder streifige Trübungen am Trommelfell, narbige Einziehungen, partielle Atrophie und Kalkth'cke zurückbleiben, ohne das Hörvermögen merk- lich herabzusetzen.

Einen von den gewöhnlichen Formen abweichenden Befund zeigt das Trommelfell bei den Otitiden in Folge von acuten Infectionskrank- heiten, bei tuberculösen, scrophulösen und anämischen Individuen. Wohl

Trommelfellbefiuide bei der acuten, eiterigen Mittelohrentzündmij. 95

beobachtet man auch bei Otitis media acuta im Verlaufe von Typhus. Scarlatina. Morbillen. InBuenza nach mehrwöchentlicher Dauer der Ohr- affectiüii Heilung und Vernarbung der Perforationsijtthung, im All- gemeinen jedoch erfolgt bei den genannten Erkrankungen ein rascher Zerfall des Trommelfellgewebes mit Vergrösserung der Perforations- üffnung und der Uebergang in die chronische Form der eiterigen Mittel- ohrentzündung. Aber auch bei den genuinen Formen kann der Verlauf durch Aufschiessen von Granulationen am Trommelfell oder am Per- ferationsrand. durch Granulationswucherungen in der Trommelhöhle, welche durch die Perforationsüffnung hervortreten (VI, 13), in un- günstiger Weise modificirt werden.

Der Verschluss der Perforations Öffnung bei den acuten, eiterigen Mittelohrentzündungen kann nicht immer als Symptom der endgiltigen Heilung des Processes angesehen werden. Denn zuweilen verkleben die Perforationsränder bei fortdauernder Mittelohreiteruug, um nach mehreren Stunden oder Tagen durch den Druck des in der Trommelhöhle' an- gesammelten Eiters wieder auseinanderzuweichen. Desgleichen kann nach Vernarbung der Perforationslücke durch eine neu. angefachte Mittel- ohrentzündung das Trommelfell abermals durch Exsudatansammlung vor- gebaucht und perforirt werden, wobei der Befund dem früher geschilderten entspricht.

Die acuten, eiterigen Entzündungen des Attic mit und ohne Per- foration der Shrapnell'schen Membran werden in einem speciellen Ab- schnitte im Zusammenhange mit der in Folge chronischer Eiterungen bedingten Perforation der SbrapnelTschen Membran behandelt werden.

XL

Trommelfellbefunde bei den chronischen Mittelohr- eiterangeu (Otitis media suppurativa chronica).

Die grosse Mannigfaltigkeit der Trommelfellbefunde bei den chronischen Mittelohreiterungen erfordert schon deshalb eine ausführ- lichere Schilderung, weil namentlich bei den in diese Gruppe gehörigen Fällen nicht selten durch das Uebersehen scheinbar geringfügiger Ver- änderungen am Trommelfelle und an der inneren Trommelhöhlenwand der therapeutische Erfolg vereitelt wird. Um eine bessere Uebersicht über die Trommelfellbefunde bei den chronischen Mittelohreiterungen und ihren Ausgängen zu gewinnen, schien es mir zweckmässig, die dieser Entzündungsform des Mittelohrs eigenthümlichen Trommelfell- bilder in mehrere Gruppen zu theilen.

a) TroniinolfoUbefuiKle bei der Otitis media siii)i>urat. chronica während der

Eiterung.

(Tafel VI, Ifi— 28: Tafel VII, 1—28 ; Tafel VIII, 1—28; Tafel IX, 1—28 und Tafel X, 1-4.)

Die Untersuchung des Trommelfells bei den chronischen Mittel- ohreiterungen erheischt die gründliche Beseitigung der den Einblick hindernden, in der Tiefe des G^hörgangs liegenden Secrete, Krusten und Epidermismassen. Ein klares Bild der Veränderungen am Trommelfell erhält man daher nur nach mehrmaliger Ausspülung des äusseren Gehörganges durch Injection einer verdünnten Cresollösung (15 Tropfen Cresol aut V4 1 Wasserj oder einer schwachen Kochsalzlösung ( '/o 17o)-

Die im Ohre zurückgebliebene SpülHüssigkeit wird mittelst eines Wattaträgers oder mit einem mit der Kniepincette gefassten, aseptischen Wattabäuschchon entfernt. Zur gründlichen Beseitigung der Spülflüssig- keit bedient man sich eines kleinen Ballons, mit welchem man bei

Trommelfellbefunde bei den chronischen Mittelohreiterungen. 97

seitlich geneigtem Kopfe wiederholt Luft in den Gehörgang bläst. Etwaige, während der Ausspritzung entstehende Schwindelanfällc Averden entweder durch eine Lufteintreibung nach meinem Verfahren oder durch eine Luftverdünnung im äusseren Gehörgange mittelst des Masseur Delstanche rasch beseitigt.

Bei der Besichtigung des Trommelfells sind der Standort der Perforation, die Ausdehnung des S üb stanz vor lustes und die Veränderungen am T r o mmel f el Ir es te sowie an dei- inneren T r o m m e i h ö h 1 e n w a n d zu berücksichtigen. Ausserdem sind gleichzeitige Veränderungen im äusseren Gehörgange durch die Ohrspiegeluntersuchung festzustellen.

Was zunächst den Standort der PerforationsöflFnung anlangt, so ergibt eine grössere Beobachtungsreihe, dass bei den chronischen Mittelohreiterungen die hintere Trommelfellpartie häutiger der Sitz des Substanzverlustes ist als die vordere; fast eben so häufig wird der centrale Theil des Trommelfells in verschiedener Ausdehnung zerstört.

Die Grösse des Substanzverlustes am Trommelfelle variirt von der eines Nadelstichs bis zum totalen Defecte der Membran. Die Ausdehnung des Substanzverlustes ist nicht von der Dauer der Eiterung abhängig, da man oft bei vieljährigen Mittelohrprocessen nur eine kleine PerforationsöfFnung findet, während wieder in anderen Fällen schon nach mehrtägiger Dauer eine ausgedehnte Lücke im Trommelfell entsteht. Xamentlich sind es die Otitiden bei acuten Infectionskrank- heiten, die scarlatinös-diphtheritischen, morbillösen und variolösen Mittel- ohrprocesse. Erysipel, besonders aber die tuberculösen Mittelohreiterungen, bei denen die ausgedehntesten Substanzverluste am Trommelfell vor- kommen.

Der Zerfall des Trommelfellgewebes wird in diesen Fällen durch die destructive Einwirkung der specifischen Mikroorganismen herbei- geführt. Während sich aber bei einer Reihe von Fällen die Gewebs- nekrose auf das Trommelfell beschränkt, kommt es bei manchen bösartigen Formen der Diphtherie auch zum nekrotischen Zerfall der Schleimhaut und Kapselbänder der Gehörknöchelchen, welche, in ihrer Verbindung gelockert, exfoliirt werden. Noch ausgedehnter sind die Zer- störungen des Trommelfells bei den tuberculösen Mittelohr- eiterungen, bei welchen auch der Annulus tendinosus des Trommel- fells und o'leichzeitio- orössere Strecken der Trommelhöhlenschleimhaut und die Bänder der Gehörknöchelchen destruirt werden. Die Unter- suchung am Lebenden durch sorgfältige Sondirung zeigt in solchen Fällen die freiliegende, blassgelbe Promontorialwand von Schleimhaut entblösst, glatt oder rauh, wie angenagt, und die Gehörknöchelchen in

Politzer, Atlas der Beleuchtungsbilder des Trommelfells. 2. Aufl. i

98

Trommelt'ellbefunde bei deu chronischen Mittelohreiterurio'en.

ihren Verbindungen so gelockert, dass schon ein massiger Druck hin- reicht, sie aus ihrer Lage zu bringen (Fig. 27). (Vgl. den Sectionsbefund einer tuberculösen Phthise der Mittelohrschleimhaut in meinem Lehrbuch d. Ohrenhk. 1. Auflage, S. 467.)

In der Mehrzahl der Fälle jedoch persistirt bei ausgedehnten Zer- störungen des Trommelfells der Annulus tendinosus mit einem Theile der peripheren Circulärfasern in Form eines schmalen, sichelförmigen Saumes, der sich als weissgrauer, halbmondförmiger, vorspringender Streifen von der ücrötheten oder o-raugelblichen. inneren Trommel-

Fig. 27.

Tuberculüse Mittelohr- eiterung. Totale Zerstörung des Trommelfells. t = frei- liesende, von Schleimhaut entblösste, innere Trommel- höhlenwand. — l = der von Trommelfellsubstanz und

Periost entblösste Hammer, nur locker mit der Pissura Glaseri zusammenhängend, vom Amboss getrennt. a = Ambossstapesverbindung gelöst. s ^ Knochendefect oberhalb der zerstörten Mem- brana Shrapnelli. Von einem an Pbthisis pulmonum

veistorbeneu Mädchen.

Fig. 28.

Ausgedehnte Zerstörung des Trommelfells. t = sichel- förmiger Rest des Trommel- fells. — pr = aufgelockerte, drusige Schleimhaut der inne- ren Trommelhöhlenwand. h =: Stumpf des cariösen Hammergriffs mit dem vor- deren, oberen Reste des Trommelfells. d = aus- genagter Knochendefect im hinteren, oberen Abschnitte des Trommelfellrahmens. Von einem 73jährigen Manne, bei dem ein Cholesteatom in der Trommelhöhle einer- seits bis in das Antrnm mastoideum, andererseits bis zum Ostium tympanicum tubae reicht.

höhlenAvand scharf abhebt (Fig. 28). Ausserdem bleibt bei ausgedehnten Trommelfelldefecten der den oberen Abschnitt des Hammergriffs be- grenzende Theil des Trommelfells zurück.

Die F o r m der Perforationsöffnung ist entweder kreisrund (VI, 17, 18, 19, 23; VII, 18, 19) oder oval, elliptisch (VI, 24, 25; VII, 10, 12, 14, 20), seltener eckig (VI, 21, 22) oder halbmondförmig. Centrale,, unterhalb des Umbo gelegene Substanzverluste erhalten durch das Hineinragen des unteren Hammergriffendes in die Perforationslücke eine Nieren- oder Herzform (Fig. 29) (VI, 20. 26, 27, 28; VII, 1—6).

In der grossen Mehrzahl der Fälle findet man eine Perforations- lücke im Trommelfell, doch Ijcobachtet man zuweilen auch doppelte

Trommelföllbefunde bei den chronischen Mittelohreiterungen.

99

Perforationen (Fig. 30.31, 32, 33, 34), (VIII, 17-26), seltener drei (Fig. 35, 36), vier (VIII, 27) (Bing) oder auch niehrerePerforations- 1 ü c k e n. Die häufigste Form der doppelten Perforation kommt dadurch zu Stande, dass vom unteren Hammergrififende ein strangförmiger Trommelfellrest zur hinteren, unteren Trommelfellperipherie hinzieht, durch den eine grössere Trommelfelllücke in eine vordere und hintere Perforationsöffnung getheilt wird (VIII, 20, 21, 23, 25, 26). Seltener sind die Fälle, wo zwei Trommelfelllttcken durch eine breite Tromraelfellzone getrennt sind (VIII, 18, 19. 22. 24). Bei der ersteren Form ist die vom unteren Hammergriffende zum hinteren, unteren Trommelfellreste hin- ziehende, bandartige Brücke meist mit der inneren Trommelhöhlenwand

Fig. 29.

Nierenförmige Perforation unter- halb des Hammergiifts, Trommel- fellrest verdickt xmd tbeilweise verkalkt, eiteriges Exsudat in der Trommelhölile. Antrum mastoid. von Bindegewebsneubildung er- füllt. — i = Processus brevis mallei. p =^ nierenförmige Per- foration unterhalb des ümbo. pr = Promontorium. Von einer an Otitis media suppurativa chro- nica leidenden 51jährigen Frau. (Xach einem Präparate meiner Sammlung.)

Fig. 30.

Nierenförmige Perforation des Trommelfells milFreileguBg des Promontoriums, der Fenestra rotunda (r) und des Amboss- stapesgelenks (is). Im hinteren, oberen Quadranten eine zweite kleine Perforation (o), durch welche hindurch der lange Ambossschenkel sichtbar ist. (Nach einem Präparate meiner Sammlung.)

verwachsen. Ist gleichzeitig auch der Hammergriff an die innere Trommel- höhlenwand angelöthet, so wird dadurch die Trommelhöhle in einen vorderen und hinteren Abschnitt getheilt, in deren einem die eiterige Absonderung früher aufhören kann, als in dem anderen. 3 4 Per- forationen beobachtet man zuweilen bei tuberculösen Individuen. Fig. 35 mit 3 Perforationslücken im Trommelfelle ist dem anatomischen Präparat eines an Tuberculose verstorbenen Mannes entnommen. Fig. 36 gibt das vergrösserte, rechtsseitige Trommelfellbild eines tuberculösen, 12jährigen Mädchens, das seit 3 Monaten an Otorrhöe litt und bei dem das Trommelfell an 3 Stellen perforii-t war. Tafel VIII, Fig. 27 ist einem von Dr. Bing beobachteten Falle entnommen, bei dem sich links vier stecknadelkopfgrosse, runde Perforationslücken um das untere Hammer- griffende gruppirten. Bei einer späteren Untersuchung fand man (VIII, 28j

100

Trornmelfellbefunde bei den chronischen Mittelohreiteruns-en.

die untersten zwei Lücken in eine ovale, nierenförmige Oeffnnng ver- schmolzen, Avährend die zAvei oberen Oeflfnungen geschlossen waren. Siebförmige Durchlöcherung des Trommelfells mit zahlreichen kleinen Lücken wurden mehrcremals von B o n n a f o n t und S c h w a r t z e bei

Fig. 31.

Doppelte Perforation des linken Trommelfells von einer 80jährigen, hoobgradig schwerhörigen Frau. 7? = Manubrium mallei. o= obere Perforationsüffnung. !* =: untere Perforations- öffnnng. (Nach einem Prä- parate meiner Sammlung.)

Fig. 32.

Doppelte Perforationsüffnung hinter dem Hammergriff bei Otitis media svippurativa chro- nica. — P = obere Perfo- rationsöffnung. — p' ^ untere Perforationsüffnung. (Nach einem Präparate meiner Sammlung.)

Fig. 33.

Doppelte Perforation des Trommelfells bei chronischer Mittelobreiterung. —op=\Xher dem Hammergriff gelegene Perforationslücke, in welcher das Anibossstapesgelenk sicht- bar ist. 7{.p ^= unterhalb des Hammergriffs gelegene, nierenförmige Perforation. h = Hammergriff, von dessen hinterem Rande eine Brücke zum hinteren Trommelfell- reste hinzieht. (Nach einem Präparate meinerSammlung.)

Fig. 34.

Grosse Perforationsöffnung im Trommelfelle, durch eine vom unteren Ende des Hammergriffs zur hinteren Peripherie des Trommelfell- restes hinziehende, schmale Brücke in zwei Theile ge- theilt. b = Brücke zwischen Hammer und Trommelfell- rest. — 0 := obere Perforations- üffnung. — u = untere Per- forationsöfliiung. Von einem 69jährigen Blanne. (Nach einem Präparate meiner Sammlung.)

diphtheritischen und tuberculösen Mittelohrprocessen beobachtet. Ob multiple Trommelfelllücken bei Tuberculösen immer durch den Zerfall von Tuberkelknoten in der Membran zu Stande kommen, lässt sich dermalen nicht (-ntscheiden.

Die während der Mittelohreiterung zu Tage tretenden Verände- rungen am Trom m c 1 fellr este sind nach dem Grade der

Troninieli'ellbefunfle bei den chionischen Miftelohreiterungen.

101

Schwellunji' und Massenzunahuie der Cutis und nach dw Mächtig-keit der sie bedeckenden Epidermis- und Exsudatschiclite sehr variabel. Demnach erscheint der TrommelfeUrest weissgrau, gelbgrünlich oder grauroth, und hebt sich selbst bei gleichmässiger Röthung von dem dunkleren Roth der freiliegenden Schleimhaut der inneren Trommel- höhlenwand deutlich ab. Während aber häutig der graue oder graurothe Trommelfellrest von der dunkelrothen Perforationsüffnung scharf ab- sticht, sieht man wieder in anderen Fällen den Trommelfellrest dunkelroth gefärbt und in starkem Contraste mit dem durch Exsudatauflagerung bedingten, gelblichgrauen x4.ussehen der Schleimhaut der inneren Trommel- höhlenwand. Auch ist die Veränderung am Trommelfellreste nur selten

Fig. 35.

Drei Perforationslücken im Trommelfelle. o ^ obere Perforationsöfifiiuiig hinter undüberdem Hammergriff. u zwei kleinere Perforation s- öflfnuiig'en vor und unter dem Hammergriff. In der über dem Hammergriff gelegenen, grösseren Perforationsöffnung ist das Ambossstapesgelenk sichtbar. (Nach einem Prä- parate meiner Sammlung.)

Fig. 36.

Trommelfellbefund bei einem 12jährigen, tuber- culösen Mädchen, bei dem 3 Monate nach Beginn der Otorrhoe zwei Per- forationen beobachtet wurden. 14 Tage später war noch eine dritte Per- foration hinzugetreten.

eine gieichmässige. So kann ein Theil der Membran mit grauer Epidermis bedeckt sein, während andere Stellen, von Epidermis entblösst, die rothe Farbe der blossHegenden Cutisschichte hervortreten lassen. Der Per- forationsrand, meist glatt, selten zackig, ist entweder von einer hellrothen Linie umsäumt oder mit weissgelbem Secrete bedeckt.

Die Oberfläche des Trommelfellrestes ist entweder glatt oder durch ungleichmässige Infiltration der Cutis oder durch partielle Wucherung der Epidermisschichte uneben und höckerig. Zuweilen schiessen, wie bei der Myringitis villosa, an einer umschriebenen Stelle (IX, 10) oder am ganzen Trommelfellreste papilläre Wucherungen in Form Stecknadel- kopf- oder hirsekorngrosser Wärzchen auf, die mit kleinen Lichtreflexen bedeckt, der Oberfläche des die Perforationsöfiiiung umgebenden Trommel- fellrestes ein himbeerartiges Aussehen verleihen (IX, 7, 8). Am häufigsten,

2Q2 Trommelfellbefunde bei den chronischen Mittelohreiterungen.

bei sonst glattem Trommelfellreste, entwickeln sich am Perforationsrande selbst kleine Wärzchen, die entweder nnr einen Theil des Randes oder die ganze Circumferenz der Perforationsöftnung einnehmen (IX, 9).

Wichtig für den Verlauf des Heilungsprocesses ist das Ver- halten dos Perforationsrandes zur inneren Trommel- höh 1 e n av a u d. Bei kleinen, 1 1 Yo ^^^^^^ grossen Perforationsöffnungen steht der Perforationsrand meist frei von der inneren Trommelhöhlen- wand ab. Selten sind die Ränder oder ein Theil derselben mit der Promontorialwand in unmittelbarer Berührung (IX, 2, 3)- dies gilt namentlich von den mehr central oder unmittelbar hinter dem Umbo o-eleo-enen Perforationen, die in der Nähe der höchsten Stelle des Promontoriums gelagert sind. Je grösser die Trommel felllücke, desto leichter kommen einzelne Partien des Perforationsrandes mit der inneren Trommelhöhlenwand in Contact imd können mit ihr verwachsen, so dass man die Grenzen zwischen Trommelfellrest und innerer Trommel- höhlenwand nicht zu unterscheiden vermag (IX, 1). Häufiger ist es der hintere Theil des Perforationsrandes, der sich an die innere Trommel- höhlenwand anlegt, während die vordere Peripherie des Randes von ihr absteht (IX, 2) und die tieferliegende, innere Trommelhöhlenwand be- schattet. Umgekehrt findet man bei grösseren Substanzverlusten im hinteren Abschnitt des Trommelfells den Rand des vorderen Trommel- fellrestes der inneren Trommelhöhlenwand anliegend (IX, 1). Ein selteneres Vorkommniss ist ein vom freistehenden, peripheren Trommel- fellreste zur inneren